Der Verlag Voland & Quist widmet sich in seiner Reihe „Ikonen“ dem legendären DDR-Fußballer Achim Streich
DDR-Fußballnationalspieler Joachim Streich, 1984
Foto: Michael Richter/picture alliance/dpa
Es ist ein verrücktes Buch. Man sollte es trotz des Titels Streich, der Achim nicht in der Erwartung in die Hand nehmen, die Biografie des Fußballers kennenzulernen. Joachim Streich, 1951 geboren, 2022 gestorben, mit 102 Länderspielen Rekordnationalspieler und mit 55 Treffern Rekordtorschütze in der DDR. Ein mir vertrauter Name, weil Streich bei Hansa Rostock groß geworden ist und meine Rostocker Kindheit kreuzte, woher wohl auch das Interesse des Autors Peter Wawerzinek rühren könnte, der ebenfalls aus Rostock stammt.
Aber dann fällt Streichs Name außer im Titel zum ersten Mal auf Seite 15 und danach erst wieder auf Seite 36, was möglicherweise bei einer 500-seitigen Biografie verständlich wäre, aber Peter Wawerzineks Buch hat nur
zineks Buch hat nur 84 Seiten Text. So richtig zum Zuge kommt der Fußballer in der zweiten Halbzeit des Buchs, vorher ist alles Wawerzineks Lebensgeschichte. Deshalb ein verrücktes Buch.Aber keinesfalls ein misslungenes. Offensichtlich will der Verlag Voland & Quist seine„Ikonen“ von den Autor:innen nicht als Sachbücher verstanden wissen, sondern als literarische Annäherungen. In diesem Geist verfasst, legte der Verlag im Frühjahr neben Schappis (so Wawerzineks Uralt-Spitzname) Buch auch eines von Michaela Maria Müller über Jürgen Klinsmann dazu, woraus die Autorin eine Liebeserklärung an das Außenseitertum gemacht hat. Schappi macht aus dem Auftrag ein Stück Literatur über sich und seine früh verspürten Fußball-Gene.Die Erinnerung an die ersten kindlichen Dribbel-Schritte endet mit der Feststellung des erwachsenen Schriftstellers, der 2010 in Klagenfurt den Bachmann-Preis gewann, dass es die schöne alte Sitte des Fußballspiels zwischen Schriftstellern und Presseleuten am Rande des Wettlesens nicht mehr gibt. Offenbar ist es „den neuen Generationen zu fremd und uninteressant, sich als Teilnehmer am Bachmann-Preis auch noch als Spieler einen Fußballspaß zu leisten“, schreibt Wawerzinek.Ganz am Ende kommt er auf einen fußballerischen Einsatz in Rom zu sprechen. Als Stipendiat der Villa Massimo kommt er als ältester Spieler noch zu einem völlig ungeplanten Einsatz, schießt immerhin ein Tor und erlebt, wie ihm das Spielen „gute, alte Grundgefühle von Fußballspiel, Teamgeist, Rollenverteilung zurückschenkte“. Es ist sicher keine Seltenheit, dass manches Zwischendurch-Buch von leichterer Hand entsteht als das lange geplante (Schappis Buch über die Zeit in Rom, die mit der Diagnose seiner Krebserkrankung zusammenfällt, befindet sich noch in Arbeit). Mit dem Glück des Gesundenden verfasst, liest sich sein neuster (Buch-)Streich mit Genuss, weil er zum Beispiel jene Form des Witzes hat, die sich schon im Titel ausdrückt, der eben nicht sachlich von Joachim Streich redet.Als Wawerzinek zur zweiten Halbzeit aufläuft, besucht er einen Jugendfreund, der zu Schulzeiten alles über den Fußballer Streich wusste. Weshalb er den Nicknamen JOST für JOachim STreich bekam. Der Autor lässt sich erst einmal seitenweise über dessen Garten und die Fruchtfolge des Gemüses aus. Das ist Erzähllust, die sich nicht von Verlagsaufträgen zügeln lässt (aber vielleicht wollte der Verlag es auch gerade so).Wawerzinek bekennt, dass er dem Fußballer persönlich nie begegnet ist. Ich erfahre, wie Streich als 20-Jähriger in der Nationalmannschaft der DDR debütierte und gegen die ČSSR das Siegtor schoss. Merkwürdigerweise wurde er 1974 im Prestige-Spiel gegen die BRD nicht aufgestellt und das berühmte Tor der deutschen Fußballgeschichte schoss Jürgen Sparwasser. Aber dann fällt Schappi die Bananenflanke ein, die ihm schon als Wort gefällt. Sie gelang dem Schriftsteller zu seiner eigenen Überraschung, als er in der Obhut des Platzwartes den Rasen vom FC Liverpool an der Anfield Road betreten durfte. Von dieser Art der geglückten Überraschung ist sein Buch Streich, der Achim auch.Streich, der Achim Peter Wawerzinek Voland & Quist 2025, 88 S., 12 €
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