Die Nürnberger Fachstelle für traumatisierte Geflüchtete kann vorerst fortbestehen. Wie Gesundheitsreferentin Britta Walthelm der Süddeutschen Zeitung sagte, sei trotz finanzieller Engpässe bei der Stadt eine Lösung gefunden worden. Zwar steht die Zustimmung des Stadtrats zum Haushalt für das Jahr 2026 aus, die Beratungen über den städtischen Etat finden am 20. November statt. Einwände gegen die Finanzierung des Angebots seien aber nicht zu erwarten. „Für 2026 ist die Fachstelle abgesichert“, sagte Walthelm.

„Wir haben mit sehr hoher Priorität daran gearbeitet, das Angebot zu verlängern und die Struktur nicht zusammenbrechen zu lassen“, sagte die Oberbürgermeister-Kandidatin der Grünen für die Kommunalwahl im März 2026. Es bestehe grundsätzlich eine „Versorgungslücke bei psychologischen und psychiatrischen Dienstleistungen“, sagte sie. Bei Geflüchteten mache sich das aber noch stärker bemerkbar, weil sie überproportional häufig von Traumata betroffen seien. Die Fachstelle sei deshalb „essenziell“.

Nürnberg

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Die Trauma-Praxis im Nürnberger Südosten ist eng verbunden mit einer medizinischen Fachstelle für Geflüchtete. Dort wird zunächst die körperliche Gesundheit von Neuankömmlingen untersucht. Hierzu sind Kommunen nach dem Asylgesetz verpflichtet.

Bei den Erstuntersuchungen stellen die Ärzte den Geflüchteten in Nürnberg aber auch Fragen zu möglichen traumatischen Erfahrungen, die psychische Krankheiten auslösen können. Bei Auffälligkeiten können die Betroffenen vor Ort an den psychologischen und psychiatrischen Zweig vermittelt, dort behandelt und therapiert werden. Auch in Notfällen erhalten Geflüchtete hier Hilfe. Anders als in den meisten herkömmlichen Praxen helfen ihnen an der Fachstelle Sprachmittler bei Übersetzungen. 285 Patienten stellten sich dort im vergangenen Jahr vor.

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Im Gegensatz zu den körperlichen Erstuntersuchungen sind das psychiatrische Screening und die Weiterbehandlung psychischer Krankheiten aber keine kommunale Pflichtaufgabe. Weil sich die Stadt Nürnberg wie viele Kommunen in finanziellen Schwierigkeiten befindet und sparen muss, drohte dem Angebot deshalb das Aus. Seine bisherige Finanzierung läuft bis Ende 2025.

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Die nun von der Verwaltung erarbeitete Lösung sehe die Entfristung dreier medizinischer Vollzeitstellen vor, sagte Walthelm. Die Bezahlung dreier weiterer Vollzeitstellen an der Trauma-Fachstelle sei zunächst für 2026 gesichert. Im städtischen Haushalt sind für beide Fachstellen inklusive Miet- und Sachkosten etwa 663 300 Euro vorgesehen.

Langfristig sollen nach Walthelms Wunsch Fördergelder aus dem Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge die Finanzierung sichern. Erste Gespräche seien positiv verlaufen.

Zwar sinkt die Zahl der Asylanträge in Deutschland, Walthelm zufolge ist dennoch „leider nicht davon auszugehen, dass kein Bedarf mehr ist“. Niedergelassene Ärzte könnten mangels Übersetzern kein vergleichbares Angebot bieten, zudem machten sich Traumata bei manchen Geflüchteten erst später bemerkbar. Die Fachstelle übernehme überdies „eine Art Lotsenfunktion“, vermittle Geflüchtete etwa an Fußballmannschaften. Außerdem steht ein dort angesiedelter forensischer Psychiater im Austausch mit der Polizei, um sich um psychisch auffällige oder gewalttätige Geflüchtete zu kümmern.