„Da kann man letztlich nicht viel falsch machen.“ So lautet der Hinweis von Julian Oymanns, wenn es darum geht, wie sich Holunderbüsche am besten beschneiden lassen. Oymanns, Wildtierökologe und studierter Forstwirt, arbeitet schon seit einigen Jahren in der Biologischen Station Haus Bürgel, ist nun seit wenigen Monaten deren Geschäftsführer. Die Station kümmert sich unter anderem um die Urdenbacher Kämpe, in der sie auch angesiedelt ist. Und im Herbst stehen Schneidearbeiten an. Hecken müssen gestutzt, Waldränder begradigt und Teiche vom Aufwuchs befreit werden. An diesem Samstag soll es aber erst einmal nur um den Rückschnitt des Holunders gehen.
Für solche und ähnliche Arbeiten sind oft ehrenamtliche Mitarbeiter der Station im Einsatz, von denen Oymanns die meisten mittlerweile natürlich kennt. Doch diejenigen, die an diesem Morgen gekommen sind, habe er noch nie gesehen. Zwei Familien und zwei weitere Freiwillige sind da – und möchten loslegen. Mit dabei ist auch die Familie Ostwald, Mutter Elena, Papa Stefan und Sohn Nikolas. Vermutlich mussten sie früh aufstehen, denn sie kommen aus Lintorf, einem Stadtteil von Ratingen. Elena Ostwald hatte gelesen, dass helfende Hände gesucht werden. Also hatte sie in der Station angerufen – und so sind sie an diesem Morgen nach Urdenbach gefahren.
Anfangs habe Elena Ostwald kurz gedacht, dass sie für dieses „Naturerlebnis“ sogar etwas hätte zahlen müssen, eine Art Beitrag. Nun lernen sie ganz umsonst, wie man mit dem Holunder umgeht. Julian Oymanns erklärt der kleinen Gruppe, dass man ein wenig auf die „schlafenden Augen“ achten könnte. Das sind knubbelige Verdickungen in den Ästen, aus denen wieder Triebe sprießen können. Beim Schneiden sollte man nach Möglichkeit berücksichtigen, die Äste oberhalb dieser „Augen“ mit den ausgehändigten Zugsägen abzutrennen. Aber das Holundergewächs verzeihe es auch, wenn es noch kürzer gestutzt werde. Man mache es letztlich schon richtig, so Oymanns. Die Holunderbüsche in den Kämpen sind 35 Jahre alt und sogar noch älter. Manche von ihnen tragen nur noch vereinzelt die Beeren, aus denen der Saft gewonnen werden kann. Einige der Büsche sind schon so lange da, dass aus ihnen nun ein Baum geworden ist.
Das Paar Ostwald genießt den Rollenwechsel. Sie ist Juristin, er Projektleiter. Beide säßen sie den Großteil des Tages am Schreibtisch und vor einem Bildschirm. Jetzt müssen sie sägen, sich durch Astwerk kämpfen und die sperrigen Zweige zu einem großen Haufen aufschichten. Für die Ostwalds sind das eben ungewohnte Tätigkeiten. Sie haben gerade eine neue Wohnung bezogen, aber ohne Garten. Nun sind sie von Grün umgeben. Sie und die Gruppe haben an diesem Morgen aber auch etwas Glück: Zunächst hatte der Hochnebel zu Tagesbeginn alles wie in graue Watte gepackt, aber dann reißt es auf und am späteren Vormittag steht die Sonne hoch an einem klaren Himmel.
Für die Pflege sind stets viele ehrenamtliche Helfer im Einsatz. Aber es gibt auch Grenzen. Sollte es zu hoch hinaus gehen oder die geforderte Beschneidung zu aufwendig oder gar zu gefährlich werden, dann würden Unternehmen beauftragt, so Oymanns. Längst gibt es Firmen, die sich genau auf solche Einsätze spezialisiert haben. Sie kommen dann auch mit Hubwagen.
Wenn wie an diesem Morgen neue Ehrenamtler im Einsatz sind, erzählt ihnen Julian Oymanns auch etwas Grundsätzliches über die Urdenbacher Kämpe. Die Ostwalds waren noch nie hier und hatten bis dahin auch nicht von dem Landschaftsschutzgebiet im Düsseldorfer Süden gehört. Jetzt erfahren sie, dass die 316 Hektar große Kämpe ein typisches Stück alter niederrheinischer Kulturlandschaft ist, wo Kopfweiden, Obstbäume mit vielen alten Sorten sowie wertvolle Feuchtwiesen vorkommen und auch zahlreiche Tierarten beheimatet sind.