Der an der Ludwig-Maximilians-Universität München lehrende Historiker Martin Schulze Wessel pflegte schon einen differenzierteren Blick nach Osten, als die Augen anderer noch rein auf Moskau gerichtet waren: Nach der russischen Annexion der Krim 2014 reiste er mit Kollegen nach Odessa und gründete dort die Deutsch-Ukrainische Historische Kommission mit – die erste institutionelle Verflechtung in den Geschichtswissenschaften zwischen beiden Ländern, die seither Konferenzen und Workshops organisiert. Mittlerweile hat er seinen Forschungsschwerpunkt auf das Land gelegt, das spätestens seit dem 24. Februar 2022 im Fokus der Weltpolitik steht – jenem Tag, an dem Putin den Überfall auf das Nachbarland befahl. Mit „Die übersehene Nation. Deutschland und die Ukraine seit dem 19. Jahrhundert“ (C.H. Beck) legt Schulze Wessel nun das erste Werk überhaupt vor, dass das Verhältnis zwischen beiden Länder untersucht.