Eis XXI: Neue Art von Eis hat die komplizierteste bekannte Struktur – Spektrum der WissenschaftDirekt zum InhaltEis XXI: Neue Art von Eis hat die komplizierteste bekannte Struktur

Das neue Eis XXI entsteht bei Raumtemperatur und hohem Druck und verschwindet wieder binnen Millisekunden. Nur mit einer speziellen Apparatur kann man es überhaupt herstellen.

Eiswürfel auf blauem Hintergrund

© Korotkova Liudmila / Getty Images / iStock (Ausschnitt)

Das uns vertraute Eis Ih ist nur eine von inzwischen über 20 verschiedenen bekannten Varianten des gefrorenen Wassers.

Wasser ist der seltsamste Stoff im Universum, besonders wenn es gefroren ist. Die Wassermoleküle bestehen zwar nur aus drei Atomen, doch sie können sich in einer fast unüberschaubaren Vielfalt von Kristallstrukturen zusammenfinden. Insgesamt 20 zum Teil sehr exotische Typen von kristallinem Eis und vier verschiedene ungeordnete Strukturtypen kennt man. Nun hat eine Arbeitsgruppe um Geun Woo Lee vom Korea Research Institute of Standards and Science in Daejeon die 21. Form des gefrorenen Wassers gefunden. Wie das Team in der Fachzeitschrift »Nature Materials« berichtet, ist Eis XXI bei Raumtemperatur stabil und bildet die komplizierteste bekannte Kristallform. Seine Elementarzelle, jene einfachste Struktureinheit, aus der sich der Kristall lückenlos zusammensetzen lässt, umfasst 152 Wassermoleküle. Die Elementarzelle vom gewöhnlichen Alltagseis enthält vier Moleküle.

© Korea Research Institute of Standards and Science (KRISS) (Ausschnitt)

Elementarzelle von Eis XXI

Eis XXI entsteht bei einem Druck von 1,6 Gigapascal (GPa), dem etwa 16 000-Fachen des Atmosphärendrucks. Zusätzlich ist diese neue Version des Eises metastabil, sie wandelt sich binnen Millisekunden in zwei stabilere Eisstrukturen um, nämlich Eis VI und Eis VII – oder entsteht gar nicht erst. Das Team um Lee entdeckte das neue Eis nur, weil es eine eigens konstruierte dynamische Diamantstempelzelle nutzte, um das Wasser gleichmäßig ohne Stöße und Erschütterungen zusammenzudrücken. Damit wollte es den Druckbereich zwischen Normaldruck und zwei GPa genauer untersuchen. Dort existieren – meist bei extrem tiefen Temperaturen – mehr als die Hälfte der bekannten Kristallstrukturen des Eises.

Während das Wasser in der Diamantstempelzelle komprimiert wurde, bestrahlte die Arbeitsgruppe die Zelle mit dem Röntgenlaser XFEL am DESY in Hamburg, dessen Beugungsmuster in Echtzeit Aufschluss über die entstehenden Strukturen gibt. Dabei beobachteten die Fachleute mehrere sehr komplexe Abfolgen von Kristallstrukturen. Neben den bekannten, in diesem Druckbereich bereits beobachteten Eisvarianten sowie zwei Arten von flüssigem Wasser spürten die Fachleute dabei die bislang unbekannte Kristallstruktur von Eis XXI auf. Diese entsteht bei 1,6 GPa direkt aus stark komprimiertem flüssigem Wasser, wandelt sich aber innerhalb einer Millisekunde zu bereits bekannten Eisstrukturen um. Nach Angaben der Forscher könnte die Struktur neue Einsichten über das Innere von Eisplaneten und sogar die Entstehung von Leben unter extremen Bedingungen geben. Das erscheint angesichts der kurzen Lebensdauer von Eis XXI allerdings ein bisschen optimistisch.

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ist Chemiker und Redakteur für Geowissenschaften, Chemie und scheußliche Krankheiten.

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Lee, G. et al., Nature Materials 10.1038/s41563–025–02364-x, 2025

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