ESMC-Chef Christian Koitzsch blickt auf die Baustelle der Chipfabrik, die TSMC gemeinsam mit Bosch, Infineon und NXP in Dresden baut. Foto: Heiko Weckbrodt

ESMC-Chef Christian Koitzsch blickt auf die Baustelle der Chipfabrik, die TSMC gemeinsam mit Bosch, Infineon und NXP in Dresden baut. Foto: Heiko Weckbrodt

Hunderte Spezialisten aus Taiwan für Hochlauf-Phase der Fab in Sachsen erwartet

Dresden, 11. November 2025. Der Mikroelektronik-Auftragsfertiger TSMC wird zeitweise „einige Hundert“ Spezialisten nach Dresden holen, um seine erste Chipfabrik in Europa mit aufzubauen und hochzufahren. Als erstes Kontingent seien dafür bereits 30 Taiwanesen mit ihren Familien in die sächsische Landeshauptstadt gezogen, informiert Geschäftsführer Christian Koitzsch vom Gemeinschaftsunternehmen „European Semiconductor Manufacturing Company“, das die Taiwanesen eigens für dieses 10,5-Milliarden-Euro-Projekt gemeinsam mit Bosch, Infineon und NXP gegründet hatten.

Auch „weiche“ Infrastruktur muss passen

Abzuwarten bleibt, ob die nächsten Schübe von Neu-Dresdnern auf Zeit auch genügend Wohnungen, internationalen Schul- und Kita-Plätzen und andere passable Lebensbedingungen vorfinden werden. Zwar gibt es daran auch Zweifler. Zumindest aber betreiben Freistaat, Stadt Dresden, Umlandgemeinden und weitere Akteure derzeit viel Aufwand, um die nötigen „harten“ wie auch „weichen“ Infrastrukturen vom Ausbau der internationalen Schule bis hin zu neuen Hochspannung- und Wasserleitungen zu schaffen, damit die TSMC-Ansiedlung eine Erfolgsgeschichte wird.

ESMC will Akademiker und Azubis selbst aufpäppeln

Zudem ist eines absehbar: Ein Großteil der taiwanesischen Ingenieure, Techniker und Manager Sachsen wohl wieder gen Heimat verlassen, wenn die „Fab24“ die Rampe hin zu einer akzeptablen Produktionsmenge und Ausbeute („Ramp up“) geschafft hat. Und parallel dazu wollen TSMC und deren Tochter ESMC für eigenen personellen Nachschub auf lange Sicht sorgen. „Wir entwickeln unsere eigene Talente-Pipeline für Dresden“, kündigte Koitzsch an. Bereits gestartet ist ein Studenten- und Akademiker-Austauschprogramm zwischen Dresden und Taipeh. Auch soll die ESMC-Fabrik eigene Azubis ausbilden. Immerhin haben Koitzsch und seine Kollegen noch ein personelles Mammutprogramm zu bewältigen: Insgesamt wird die neue Fab etwa 2000 Beschäftigte haben – und davon sind bisher erst rund 60 Stellen besetzt.

Halbleiter-Ökosystem über 60 Jahre gewachsen – das hat TSMC die Entscheidung für Dresden leichter gemacht

Immerhin gilt das in Dresden als lösbares Problem: Über 60 Jahre hinweg ist am Standort ein Ökosystem mitsamt akademischen und beruflichen Ausbildungskapazitäten, Zulieferern und Dienstleistern für die Mikroelektronik entstanden, das erwiesenermaßen funktioniert. Und dies wiederum war für die Taiwanesen neben dem milliardenteuren Chipgesetz-Subventionen ein wichtiger Grund, sich für den Standort Dresden für ihre erste Europa-Fab zu entscheiden. Zusätzlich abgesichert hat sich TSMC, indem das Unternehmen in diesem Falle mit „ESMC“ ein Joint-Venture mit erfahrenen europäischen Halbleiter-Konzernen eingegangen ist: „Robuste Lieferketten sind für solch eine Fabrik sehr wichtig“, betont Koitzsch. Auch die starke Forschungslandschaft in und um Dresden habe für den Standort gesprochen: „Wenn das Cluster wächst, wird auch der Innovationsbedarf steigen“, ist er überzeugt. Und wenn dafür die großen Chipkonzerne vor Ort mit der Exzellenz-Uni, mit den Fraunhofer-Instituten und anderen Forschungseinrichtungen kooperieren und dadurch deren Mikroelektronik-Kompetenzen stärken, „dann haben alle etwas davon“, ist der ESMC-Chef überzeugt.

Starke Innovationsimpulse durch TSMC-Ansiedlung absehbar

Dass die TSMC-Ansiedlung langfristig erhebliche Innovationsimpulse für Europas wichtigsten Mikroelektronik-Standort auslösen wird, gilt ohnehin als sehr wahrscheinlich: einerseits, weil die Taiwanesen den Zulieferern vor Ort ein neues Exzellenzniveau abverlangen wird, das sie von daheim gewöhnt sind. Andererseits wird TSMC zwar mit etablierten Fertigungstechnologien und Chip-Architekturen der 28-Nanometer-Generation starten, die „nur“ korrekt von Taiwan nach Sachsen transferiert werden müssen. Aber weitere Technologieschritte hin zu 12-nm-Chips, zu Finnen-Transistoren („FinFET“) und zu innovativen Speichertechnologien sind bereits absehbar. So will Koitzsch beispielsweise Autobauern und anderen europäischen Kunden auch anbieten, deren Schaltkreise mit besonders schnellem, sparsamen und langlebigen „Resistive Random-Access Memory“ (RRAM) als Alternative zu Flash-Speichern aufzuwerten.

Trend geht zur „Foundry 2.0“ mit eigenem „Advanced Packaging“

Und wenn das Werk Dresden für TSMC gut läuft, dürften weitere Aufwertungen und Ausbauten folgen – dafür spricht alle Erfahrung. So könnte das Unternehmen beispielsweise in späteren Phasen auch in Chip-Strukturen unterhalb von 12 Nanometern investieren. Und: „Der Trend im Markt geht hin zur Foundry 2.0“, schätzt der ESMC-Chef ein. Das bedeute, dass Frondend-Fabs, die früher „nur“ die feinen Chip-Strukturen auf den Siliziumscheiben (Wafer) erzeugt haben, zunehmend auch moderne Endmontage-Schritte, wie sie etwa bei „Chiplets“ und 3D-Technologien üblich sind, mit übernehmen.

Politischer Wunsch nach Endmontage-Linien in Sachsen wächst

Vorerst ist solch ein „Advanced Packaging“ für Dresden zwar noch nicht geplant, wie Koitzsch betont. Aber der politische Wunsch, auch größere Backend-Fabriken anzusiedeln, wächst hierzulande: CDU und SPD in Sachsen haben dieses Ziel ausdrücklich bereits in ihren Koalitionsvertrag hineingeschrieben. Und spätestens seit der Nexperia-Chipkrise ist auch den Bundespolitikern klar geworden, wie abhängig die deutsche Autoindustrie und weitere Branchen davon ist, dass Asien liefert. Denn eigene Front-Chipfabriken hat Deutschland zwar mehrere. Aber finale Tests, die Wafer-Zerteilung in einzelne Schaltkreise, die Endmontage und andere Backend-Prozesse, die aus einer Scheibe erst einen nutzbaren Chip machen, sind heute größtenteils in China, Singapur, Malaysia, Taiwan und anderen asiatischen Ländern konzentriert.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: Auskünfte Koitzsch (ESMC) zum Oktober-Treffen der Mikroelektronik-Alumni, Oiger-Archiv, Wikipedia

Kommentar: TSMC-Endmontage in Dresden wäre großer Gewinn für Europa

Falls es den Sachsen gelingen sollte, TSMC zum Aufbau eigener Endmontage-Linien in Dresden zu überreden, statt die hier belichteten Wafer alle erst mal zum Zersägen nach Asien zu kutschieren, würde dies die deutschen und europäischen Lieferketten enorm härten – und sei es nur als Lieferquelle B, wenn die USA wieder mal einen Wirtschaftskrieg mit China anfangen und die Chinesen eingeschnappt reagieren. Oder Präsident Xi auf die Idee kommt, seine „Ein-China-Politik“ militärisch durchzusetzen.

Autor: Heiko Weckbrodt

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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