Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft und der Kommunen haben unisono ein Umsteuern bei den Kommunalfinanzen verlangt. Bei einer Anhörung im Düsseldorfer Landtag zu einem Antrag der SPD-Fraktion forderten sie ein stärkeres Engagement und eine bessere Ausstattung.
Besonders plakativ machte es Benjamin Holler vom Städtetag NRW: So lange es die Verschuldungsmöglichkeiten für die Länder nicht gegeben habe, seien die Kommunen die Bad Bank des Landes gewesen, sagte er. Seit 2020 sehe man das an der Verschuldungsentwicklung: Im investiven Bereich seien bei den Kommunen 8,5 Milliarden Euro aufgelaufen, hinzu kämen 4,3 Milliarden bei den Kassenkrediten. „Das sind ein Stück weit Schulden des Landes, die das Land aber nicht aufgenommen hat.“ Marc Neumann vom DGB NRW warnte, dass die Kommunen aufgrund dieser Schuldenlast nicht mehr handlungsfähig seien und sich die Bürger immer mehr von der Demokratie ab- und vermeintlich einfacheren Lösungen zuwenden würden.
Tobias Hentze vom arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft in Köln forderte mit Blick auf die Investitionspakete des Bundes, dass dadurch auch wirklich zusätzliche Maßnahmen finanziert werden müssten – fügte jedoch gleich hinzu: „Die Zusätzlichkeit ist Stand heute gar nicht sicher, weil die Mittel bislang noch nicht geflossen sind und die Vorgaben nicht so strikt sind.“ Städtetags-Vertreter Holler warnte zudem, dass die Städte sich heute schon massiv verschulden würden, um den Investitionsstau anzugehen. Er machte die Rechnung auf, dass aktuellen Zahlen zufolge 700 Euro pro Bürger verplant seien, dass Infrastrukturgesetz des Landes decke aber nur 46 Euro je Bürger ab.
Matthias Mainz, Geschäftsführer der IHK NRW, warnte, dass die Unternehmen massiv Investitionen zurückstellten, weil sie nicht sähen, dass genug für ihr Heimatland getan werde. „Jedes dritte Unternehmen will am Standort NRW zurückfahren, nur zwölf Prozent wollen ihre Investitionstätigkeit ausweiten.“
Bei der Anhörung ging es auch um die Frage, wie die Mittel von Bund und Land in die Fläche gelangen. Kommunalvertreter Holler wies auf die Schwierigkeiten bei Förderprogrammen hin: Zweckgebundene Fördermittel könnten zu Fehlallokationen führen und wichtige Investitionen hemmen, weil in den Kommunen dann nicht auf die Dringlichkeit einzelner Maßnahmen geschaut werde, sondern stattdessen auf die einfache Verfügbarkeit der Mittel.
Haushaltsexperte Claus Hamacher vom Städte- und Gemeindebund NRW verlangte, man brauche dauerhaft mehr, um die Werte zu erhalten und die Rückstände abzuarbeiten, die in der Vergangenheit aufgelaufen seien. „Wir reden zwar davon, dass wir das größte Investitionsprogramm in der Geschichte des Landes NRW vor der Brust haben, aber das reicht nicht.“ Wenn sich nicht andere Rahmenbedingungen noch mit änderten, werde man einen Rückgang der Investitionen erleben, der nur gedämpft werde durch die zusätzlichen Mittel. „Das muss man so brutal zur Kenntnis nehmen.“ Auch Hamacher sagte, Förderprogramme seien nicht das adäquate Instrument zur Gewährleistung von Daueraufgaben. Das erlebe man beispielsweise bei der Digitalisierung der Schulen, einer Daueraufgabe. Es könne nicht sein, dass man alle zwei bis drei Jahre wie ein Bittsteller auftreten müsse.