Die Europäische Kommission hat am Dienstag eine politisch heikle und seit Wochen verschobenen Entscheidung getroffen. Basierend auf dem neuen Regelwerk für die Asyl- und Migrationspolitik in der Union schlägt sie vor, dass Bulgarien, Tschechien, Estland, Kroatien, Polen und Österreich in den vergangenen fünf Jahren unter derart starkem Migrationsdruck standen, dass sie im kommenden Jahr keinen Beitrag zum neuen System der verpflichtenden Solidarität beim Umgang mit Asylproblemen in der EU leisten müssen.
Diese sechs Staaten können im Rat beantragen, von dieser Solidaritätspflicht ausgenommen zu werden. Es gilt als sicher, dass sie diese tun, und die Ausnahme erhalten werden. Das bedeutet konkret, dass sie weder Asylwerber aus anderen Mitgliedstaaten übernehmen müssen, die mit einem besonders starken Andrang zu ringen haben, noch Zahlungen ins Unionsbudget leisten müssen, die für die Bewältigung von Migrations- und Asylproblemen zweckgewidmet sind, noch sonstige Sach- oder Personalhilfe leisten müssen (also beispielsweise Gerät oder Experten für die Bearbeitung von Asylanträgen bereitstellen).
„Österreich hat in den vergangenen Jahren besonders viel Verantwortung übernommen“, sagte Magnus Brunner, der Kommissar für Inneres und Migration, am Dienstag bei einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz in Brüssel. Der Europäische Jahresbericht über Asyl und Migration, auf den die Kommission diese Entscheidung gründet, hält bezüglich Österreich fest, dass die Zahl der Asylantragsteller zwar zwischen Juli 2024 und Juni 2025 gegenüber der Vorjahresperiode gesunken sei. Jedoch habe die Gesamtzahl der Asylwerber und der positiven Asylbescheide seit Juli 2020 „eine kumulative Auswirkung auf die Aufnahmefähigkeit seines Migrations-, Aufnahme- und Asylsystems“ gehabt.
Die Kommission hält in diesem Jahresbericht fest, dass sich die Lage an den Außengrenzen generell entspannt hat. Im erfassten Zeitraum habe es im Jahresvergleich um 35 Prozent weniger illegal Grenzübertritte gegeben. Mehr als 110.000 Menschen wurden an illegalen Grenzübertritten gehindert, 55 Prozent davon an Land, 41 Prozent an Flughäfen, der Rest auf Hoher See. Fehlende oder ungültige Ausweisdokumente waren der Grund für die meisten Zurückweisungen. Die meisten Zurückweisungen betrafen Ukrainer, Albaner, Moldawier, und Türken.
Die EU-Staaten gewährten auch um 20 Prozent weniger oft Asyl als ein Jahr zuvor. Rund 271.000 positive Asylbescheide waren das. Der Rückgang lag vor allem an einem starken Sinken der Anträge von Syrern, und generell an der erwähnten geringeren Zahl von Neuankömmlingen.
Die Mitgliedstaaten stellten auch um elf Prozent mehr Abschiebeanordnungen aus. 478.000 Personen wurden dazu aufgerufen, die EU kraft negativer Asylbescheide zu verlassen. Allerdings verließen nur 115.000 Personen die Union. Das war zwar um ein Fünftel mehr als im Jahr zuvor. Die Kommission kritisiert aber, dass die gesamte Rückführungsrate weiterhin niedrig sei, und zu einem Rückstau in den nationalen Asylsystemen führe. Die meisten Abschiebebefehle wurden an Algerier, Marokkaner, Syrer, Türken und Afghanen ausgestellt.
All dies ist Teil der umfassenden Reform des Europäischen Asyl- und Migrationswesens, das im wesentlichen im Juni 2026 voll einsatzfähig sein soll. Ein Schlüssel dafür ist, dass alle Mitgliedstaaten die Fingerabdrücke aller Asylwerber digital erfassen, und untereinander verfügbar machen können. Voll im Plan seien sieben Monate vor dem Stichdatum derzeit Kroatien, Tschechien, Estland, Griechenland, die Niederlande, Rumänien, Spanien und Schweden. 18 weitere Mitgliedstaaten hätten „noch immer berichtet, vor unterschiedlichen Herausforderungen zu stehen, erwarten allerdings, die offenen Fragen rechtzeitig zu lösen“, hält die Kommission fest. Nur ein Staat laufe Gefahr, im Juni 2026 nicht bereit zu sein, Asylwerber vorschriftsgemäß zu erfassen: das ist Ungarn.