Auf Nachfrage von t-online, ob er an seiner bisherigen oder späteren Version etwas bereuen würde, sagt Nicholas Decker entschieden: „Nein“. Dabei kommt sein Aufsatz zu einem Zeitpunkt in den USA, in dem ein einzelner Vorfall zu einer Art Explosion führen könnte. Viele Amerikaner sind angesichts der vielen radikalen Trump-Anordnungen verunsichert, verängstigt und wütend. Die Sorge um die Demokratie alarmiert dabei nicht nur Verfassungsexperten.
Inzwischen wird sie sogar bis ins Lager der rechten Konservativen geteilt. So distanzierte sich etwa der bekannte Podcast-Moderator und Trump-Unterstützer Joe Rogan von den aktuellen Vorgängen. „Wir müssen aufpassen, dass wir nicht zu Monstern werden, während wir gegen Monster kämpfen“, sagte er in seiner jüngsten Folge. Rogan skizzierte dabei, wie folgenreich der von der Regierung erhobene Vorwurf „Du bist ein Gangmitglied“ ohne Rechtsverfahren am Ende ausgehen könnte. Niemand muss dann eine Schuld nachweisen und niemand kann dann seine Unschuld beweisen.
Die treuesten und radikalsten Trump-Anhänger hat Nicholas Decker mit seinem Gewaltaufruf allerdings massiv gegen sich aufgebracht. Seitdem er seinen Text veröffentlicht hat, erhält er massive Drohungen. Der Doktorand veröffentlicht regelmäßig provokante Texte. Die sind ebenfalls öffentlich einsehbar, meinungsstark und werden ihm jetzt von ganz rechts um die Ohren gehauen. Darunter ein Beitrag, in dem er es als moralische Pflicht bezeichnet, Migranten gezielt zu ehelichen, um ihnen einen legalen Aufenthalt in den USA zu ermöglichen. Für die Rechten ist Decker „woke“ und linksradikal. Auf t-online-Nachfrage, wo er sich selbst im politischen Spektrum einordnen würde, antwortet er offenbar halb-ironisch: „Autistisch“. In der Selbstbeschreibung seines Blogs ist hingegen zu lesen: „pragmatisch liberal“.
Die Behörden eingeschaltet habe er trotz der Morddrohungen nicht, sagt er zu t-online. „Das ist mir egal“, so Decker. Während im Internet der Shitstorm gegen ihn tobte, schrieb er sogar, wo genau im Haus er sich gerade aufhalten würde. Die Hetzjagd gegen sich nimmt er in Kauf – und die Konsequenzen offenkundig auch:
Wegen der vielen Aufmerksamkeit und der Drohungen hat ihm sein Vermieter nun das Zimmer in Virginia gekündigt. Kurzzeitig startete Decker daraufhin einen Spendenaufruf für sich, um sich eine neue Bleibe finanzieren zu können. Immerhin rund 4.000 Dollar kamen dabei zusammen. Das Geld spendete er dann aber nach eigenem Bekunden an eine gemeinnützige Organisation mit dem Namen GiveWell.
Zurzeit befindet sich Nicholas Decker in der Hauptstadt Washington. Am Telefon sagt er, dass er sehr beschäftigt sei und darum aktuell keine Zeit für ein Treffen habe. Zeit zum Schreiben nimmt er sich. In einem weiteren Beitrag auf der Plattform X, der gegen Donald Trump gerichtet sein dürfte, schrieb er zuletzt: „Ist es nicht verrückt, dass Hitler nach seinem Putschversuch neun Monate lang ins Gefängnis gesteckt und dann einfach wieder freigelassen wurde? Gott sei Dank würden wir diesen Fehler nicht wiederholen!“