Klima-ungerechtes Stuttgart: 347 Viertel in Stuttgart ausgewertet – Wo man unter Lärm, Armut, Hitze leidet Stuttgarts Viertel sind unterschiedlich stark von der Klimakrise betroffen. Foto: StZN/Locke

Unter Hitze, Lärm und Armut leiden manche Stuttgarter Viertel viel mehr als andere, besonders im sogenannten „Stuttgarter T“. Wie ist die Situation an Ihrer Adresse?

Stuttgart ist reich, aber nicht gerecht. Wer in eng bebauten Vierteln der Innenstadt oder im Neckartal lebt, der spürt im Sommer häufiger die Hitze, leidet öfter unter Lärm, Krankheit oder Armut. Anders als diejenigen, die sich ein Leben am Stadtrand oder im Grünen leisten können. Unsere Redaktion macht erstmals für 347 Stuttgarter Stadtviertel interaktiv zugänglich, wie betroffen Ihre Nachbarschaft ist.

Falls Sie im sogenannten „Stuttgarter T“ zwischen Kessel, Zuffenhausen und Neckartal leben, kommen in Ihrer Nachbarschaft vermutlich mehrere Probleme zusammen. Weil es mit dem Klimawandel, aber auch mit sozialen Fragen zu tun hat, wird das Problem als Umwelt- oder Klimaungerechtigkeit bezeichnet: eine Stadt ist umso klima-ungerechter, je mehr Menschen stärker unter den Folgen der Klimakrise leiden als andere.

Und wie ist es bei Ihnen?

Die interaktive Karte zeigt die Klima- und Umweltgerechtigkeit in Stuttgart – einen Gesamtwert für alle 347 Stadtviertel. Die Auswertung des städtischen Statistikamts basiert auf Dutzenden Einzelfaktoren, von der zubetonierten Fläche über die Arbeitslosigkeit bis zum Anteil älterer Menschen. Um herauszufinden, wie es in Ihrem Viertel aussieht, geben Sie anonym eine Adresse ein. Wenn Sie weiter nach unten scrollen, sehen Sie angepasst an Ihre Auswahl Details zu Umwelt, Armut und Gesundheit.

Die Analyse verknüpft erstmals detaillierte Daten über die soziale und gesundheitliche Situation der Stuttgarterinnen und Stuttgarter mit der Frage, wer in der Stadt bereits heute von Klimafolgen wie großer Hitze betroffen ist und wo besonders viel Handlungsbedarf besteht. In belasteten Gebieten will die Stadt beispielsweise durch Verkehrsberuhigung oder mehr öffentliche Begegnungsflächen und Sportmöglichkeiten gegensteuern. Zugleich soll dort die Gesundheitsversorgung der Bewohner gefördert werden – beispielsweise durch sind mehrsprachige „Gesundheitslotsen“. Stefan Ehehalt, der Leiter des Gesundheitsamts, sagt: „Wir wollen dem ungünstigen Zusammenhang zwischen sozialer und gesundheitlicher Lage entgegenwirken.“

Die Daten bestätigen einen statistischen Zusammenhang, der aus anderen Städten bekannt ist: Wo es besonders laut und heiß ist oder andere Umweltfaktoren belastend wirken, leben häufiger sozial benachteiligte Menschen. Ihnen fehlen häufig die Mittel, um sich vor Lärm und Hitze zu schützen. Wohlhabende Menschen leben häufiger in weniger belasteten Teilen der Stadt – beispielsweise in Berlin. Auch schlechtere Gesundheit und soziale Probleme gehen oft Hand in Hand.

Wie die Bewohner der am stärksten belasteten Nachbarschaften rund um das Leonhardsviertel mit Hitze und sozialen Problemen umgehen und welche Realitäten dort aufeinanderprallen, lesen Sie in dieser Reportage.

Zwar ist Stuttgart eine vergleichsweise reiche westdeutsche Stadt, doch zwischen den Höhenlagen und dem Neckartal sind Unterschiede in Einkommen oder Gesundheit spürbar.

Daten und Methodik

Daten
Die hier gezeigten Daten basieren fast alle auf dem Quartiersmonitoring des statistischen Amts der Stadt Stuttgart. Darin fließen detaillierte Daten über die Infrastruktur und die Bewohnerinnen und Bewohner der Stadtviertel ein. Das statistische Amt berechnet für jeden Faktor, wie stark ein Stadtviertel vom Stuttgart-Durchschnitt abweicht. Zusätzlich hat das statistische Amt unserer Redaktion für einen Teil der Indikatoren die zugrundeliegenden rohen Werte zur Verfügung gestellt (zum Beispiel die Einwohnerzahl oder den Seniorenanteil). Aus Datenschutzgründen fehlen manche Informationen für einzelne, sehr kleine Stadtteile. Um die Umweltgerechtigkeit in einem Viertel zu beurteilen, betrachten die Statistiker die Umweltbelastung, die tatsächliche Armut und die Gesundheit der Bewohnerinnen und Bewohner. Armutsrisiko und Gesundheitsinfrastruktur zeigen wir als Ergänzung, sie fließen aber nicht in die Gesamtbewertung mit ein.

Starkregen
Die potenziellen Überflutungsflächen bei Starkregen gehören nicht zu den Faktoren für Umweltbelastung, die die Stadt in ihrem Quartiersmonitoring analysiert. Wir haben sie ergänzt, weil Starkregen zu einer wachsenden Gefahr durch die Klimakrise wird, und nutzen dafür die offiziellen Starkregengefahrenkarten der Stadt, die auf Basis von Daten der Universität Freiburg und der Landesanstalt für Umwelt erstellt wurden. Sie beziehen sich auf einen seltenen Starkregen, wie er statistisch etwa alle 30 Jahre vorkommt. Für dieses Szenario wird in Stuttgart mit etwa 43 Litern Regen innerhalb einer Stunde kalkuliert. Das Modell zeigt, wo sich Regenwasser stauen würde, weil es nicht schnell genug abfließen kann.