Zwei wichtige Orte für queeres Nachtleben in Stuttgart haben kurz hintereinander geschlossen. Wo findet die Community noch Safe Spaces? Und was wird aus dem Studio Gaga?

Stuttgarts Tempel für queeres Nachtleben im Herzen des ehemaligen Hotels am Schlossgarten, das Studio Gaga, feierte bereits im Sommer beim Christopher Street Day einen fulminanten Abschied. Der Club war Teil des Pop-up-Projekts Studio Amore, das die Räumlichkeiten vor der Sanierung des Gebäudekomplexes in der Königstraße übergangsweise genutzt hat. Kurz darauf, im September, gab auch der Szenetreff White Noise nach elf Jahren überraschend sein Aus bekannt.

Damit sind zwei Adressen des queeren Stuttgarter Nachtlebens Geschichte. Wo kann die Community in Stuttgart nun noch unbeschwert ausgehen?

Viele Events verlagern sich ins Romy S.

Mit der Schließung des White Noise in der Stuttgarter Innenstadt haben sich zumindest einige der Veranstaltungen, die bisher dort stattgefunden haben, ins Romy S. verlagert.

Partys mit Programm für die queere Community sind für den Club in der Langen Straße kein Neuland. Bereits seit 10 bis 15 Jahren fänden hier immer wieder entsprechende Veranstaltungen statt, so Betreiber Yusuf Oksaz. Seit dem Herbst halten jedoch vermehrt queere Events dort Einzug – so finden künftig auch die „Lovepop“-Partyreihe des Stuttgarter Veranstalters Dirk Wein sowie das queere Flinta-Format „My Purple Heart“ dort ein neues Zuhause.

Junge queere Zielgruppen im Studio Gaga erschlossen

Doch wohin treibt es das Partyvolk, das am Schlossgarten zu Techno, Elektro, House und Mixed Music gefeiert hat? Mit dem Café Monroe’s auf der oberen Schulstraße in der Innenstadt lebt der Spirit des Studio Gaga weiter – wenn auch nicht auf vergleichbar großer Fläche. Wie schätzt Betreiber Nikos Likopoulos, der gemeinsam mit Mihael Ivankovic auch hinter dem Studio Gaga steht, die Situation ein?

„Im Studio Gaga haben wir uns eine ganz neue Community erschlossen“, so Likopoulos. Die Gäste seien teils viel jünger als jene im Café Monroe’s, darunter vermehrt Trans Personen, viele lesbische und bisexuelle Frauen. Vor allem in größeren Gruppen seien die Gäste ins Studio Gaga geströmt. „Mit zwei solcher Gruppen ist das Monroe’s aber schon voll“, sagt Likopoulos. Aktuell herrscht also vor allem ein Platzproblem, um die neu gewonnene Community aufzufangen.

Vom Schlossgarten in die Schulstraße?

Direkt nach der Schließung am Schlossgarten seien zwar viele Gäste in die kleinere Location in der Schulstraße mitgewandert. „Viele dachten erst, das sei der Gaga-Ersatz, das hat sich dann aber schnell aufgelöst.“

Gaga- und Monroe’s-Betreiber Nikos Likopoulos (sitzend links) und Betriebsleiter Mihael Ivankovic (sitzend rechts) sowie das restliche Team im Sommer 2025 vor der Schließung. Foto: Lichtgut/Ferdinando Iannone

Denn auch der Generationenunterschied sei im Studio Gaga deutlich geworden, so der Club-Betreiber. „Die neue Generation braucht mehr Freiheit. Sie wollen im Club beispielsweise auch Sitzgelegenheiten zum Quatschen – da muss man mehr anbieten.“ Das sei im Monroe’s rein technisch gar nicht machbar. Mit einer neuen Location wolle man den neu erreichten, jungen Gästen wieder gerecht werden.

Gaga-Feeling an Silvester im neuen Club Lerche 22

„Die Leute wollen ein neues Studio Gaga, die Nachfrage ist auf jeden Fall da“, so Likopoulos. Er und Betriebsleiter Mihael Ivankovic sind nach wie vor auf der Suche nach einer neuen Gaga-Location – bisher ohne Erfolg. „Uns ist klar, dass keine Location an die des Hotels am Schlossgarten rankommt – trotzdem suchen wir nach etwas Weiträumigerem mit Außenbereich“, sagt Likopoulos.

Treue Gaga-Anhänger müssen sich also noch gedulden. Einen Lichtblick gibt es jedoch: Zu Silvester am 31. Dezember lassen die Macher im neuen Club Lerche 22 im Marquardtbau an der Bolzstraße das Gaga-Feeling wieder aufleben. „Bei der Party wird das gesamte Team des Studio Gaga und des Monroe’s dabei sein“, sagt Likopoulos. „Es gibt an Silvester nicht viele Gay-Veranstaltungen, da wollen wir etwas anbieten.“ Hinterm DJ-Pult warten dann bekannte Gesichter aus dem Studio Gaga, unter anderem sollen DJ Nightdrop aus Köln und DJ Totti auflegen.

Darüber hinaus setzt das Team aber auf eine eigene Location. „Wir sind keine Veranstalter, sondern wollen unser eigenes Ding weitermachen“, so Likopoulos. „Wir hoffen, bald etwas Langfristiges zu finden, wo wir wieder dauerhaft freitags und samstags Partys veranstalten können.“

Eine andere Anlaufstelle für die queere Community in Stuttgart ist die ReBoots-Bar im Heusteigviertel. Sie gewinnt in letzter Zeit an Gästen. „Wir sind aber eine Bar und keine Partylocation, wo man tanzen kann“, so ReBoots-Betreiber Tobias Schoob. Entsprechend hielten sich auch hier die Möglichkeiten in Grenzen.

Zwei Stammtische, die sich zuvor im White Noise getroffen haben, seien nun aber ins ReBoots umgezogen beziehungsweise zurückgekehrt – so etwa das queere Format „Where the girls go“, das zuvor Public-Viewing-Events im White Noise veranstaltet hat.

ReBoots: „Deutlich mehr Zulauf“

„Wir haben aktuell deutlich mehr Zulauf“, so Schoob. Ob das allerdings rein auf die Schließung der anderen Locations zurückzuführen ist, sei nicht klar. Auch durch seine Auftritte bei Ausgeh-Apps wie Neotaste oder Osake komme das ReBoots vermehrt bei den Leuten an.

Abseits der Clubs in Mitte hält ein weiterer Safe Space der queeren Community die Stellung. Im UTOPIA Kiosk im Leonhardsviertel veranstaltet Alisha Soraya Principe regelmäßig Events wie beispielsweise die Lesbian Bar, Buchclubs sowie Open Stages und bietet der Community eine Anlaufstelle zum Vernetzen.

Alisha Soraya Principe leitet UTOPIA Kiosk im Leonhardsviertel. Foto: Alisha Soraya Principe

Zwar kämen seit den Schließungen der beiden Clubs nicht merklich mehr Leute zum UTOPIA Kiosk als zuvor, so Alisha Soraya Principe. Klar sei aber auch: „Weitere Orte, an denen queere Veranstaltungen stattfinden können, fallen weg. Drag Shows und Partyformate müssen sich einen neuen Ort suchen.“

Im UTOPIA Kiosk fänden diese Formate jedoch aus rein praktischen Gründen kein neues Zuhause. „Der Kiosk ist dafür einfach zu klein“, so Principe.

Principe: Stuttgart hat ein strukturelles Problem

Die Kiosk-Leitung sieht generell ein strukturelles Problem in der Stadt, das mehr und mehr die LSBTIQA+-Community betreffe. „Viele Projekte in Stuttgart kämpfen aktuell ums Überleben. Die Sorge innerhalb der queeren Communities, dass Safer Spaces wegfallen, ist groß.“ Mit Blick auf die Schließungen eine durchaus berechtigte Sorge. „Die Spaces, in denen wir wir sein können, sind überlebenswichtig für uns“, appelliert Principe.

Orte wie der UTOPIA Kiosk oder der Sunny High Club in der Schwaben-Bräu-Passage in Bad Cannstatt, der ebenfalls einer der Safe Spaces der queeren Community ist, seien nur als Zwischennutzung angelegt – irgendwann droht also auch hier das Aus. „Das bringt eine Prekarität in eine Sache, die eigentlich so essentiell ist“, sagt Principe. „Denn Queerness ist ein riesiges Thema mit einer großen Community. Ich würde mir mehr finanzielle und nachhaltige Förderung und Räume für die queere Community wünschen.“

Nachhaltige Förderung statt Zwischennutzung gefordert

Tatsächlich droht auch der Cannstatter Schwaben-Bräu-Passage womöglich bald das Aus, denn die Stadt Stuttgart hat ab 2026 neue Pläne für das Areal. Mit dem Züblin Parkhaus im Leonhardsviertel, der Heimat von UTOPIA Kiosk, verhält es sich ähnlich.

Begriffserklärung

LSBTIQA+
Die Abkürzung LSBTIQA+ steht für lesbische, schwule, bisexuelle, trans, inter, queere, asexuelle Menschen und andere Geschlechter und/oder Sexualitäten. In dem Begriff werden (einige) geschlechtliche und sexuelle Identitäten jenseits der heterosexuellen Norm zusammengefasst.