China gilt seit Jahren als größter Klimasünder der Welt – und die Zahlen bestätigen diesen Ruf. Nach Angaben der EU-Kommission stieß die Volksrepublik im Jahr 2024 rund 15,5 Milliarden Tonnen CO2-Äquivalente aus, also jene Menge an Treibhausgasen, deren Klimawirkung insgesamt dem von Kohlendioxid entspricht. Dazu zählen neben CO2 auch Methan und Lachgas, die deutlich stärker zur Erderwärmung beitragen.

Diese 15,5 Milliarden Tonnen entsprechen fast 30 Prozent der weltweiten Emissionen. Dahinter folgen die USA, Indien, die Europäische Union und Russland. Gemeinsam verursachen diese vier größten Emittenten mehr als die Hälfte des globalen Treibhausgasausstoßes.

Doch nun zeichnet sich eine überraschende Wende ab. Die jahrzehntelang steigende Emissionskurve flacht ab. Laut einer am Dienstag veröffentlichten Analyse des britischen Fachportals Carbon Brief sind Chinas CO2-Emissionen seit 18 Monaten weitgehend stabil. Es wäre der erste echte Stillstand nach Jahrzehnten nahezu ungebremsten Wachstums.

Studie von Carbon Brief: Chinas CO2-Ausstoß stagniert seit 18 Monaten

Wie Carbon Brief in seiner jüngsten Analyse schreibt, deuten die aktuellen Daten auf eine „vorübergehende Stabilisierung“ der chinesischen Treibhausgasemissionen hin. Als Hauptgründe nennt die Studie den rasanten Ausbau erneuerbarer Energien, den Boom von Elektrofahrzeugen und eine zunehmende Energieeffizienz in der Industrie. Auffällig sei, dass selbst im Energiesektor – traditionell die größte CO2-Quelle des Landes – die Emissionen trotz steigender Stromnachfrage nicht zugenommen haben, heißt es bei Carbon Brief.

Die Analyse stützt sich auf offizielle Statistiken der chinesischen Behörden, die von den Forscherinnen und Forschern durch eigene Berechnungen und Modellierungen ergänzt wurden.

Polo ID cars are pictured at the booth of the German car maker Volkswagen during the International Motor Show IAA on September 8, 2025, in Munich, southern Germany. The IAA Mobility fair runs from September 9 to 14, 2025. (Photo by Tobias SCHWARZ / AFP)

Solarenergie in China: Beachtliches Wachstum um 46 Prozent

Den entscheidenden Anteil an der jüngsten Stabilisierung hat der rasante Ausbau der Solarenergie. Im dritten Quartal 2025 stieg die Stromproduktion aus Photovoltaikanlagen laut Carbon Brief um 46 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum – ein Rekordwert. Auch die Windkraft legte weiter zu, mit einem Zuwachs von elf Prozent.

Gleichzeitig sanken die Emissionen aus Treibstoffen für den Verkehr um etwa fünf Prozent, vor allem durch den zunehmenden Einsatz von Elektrofahrzeugen. Auch die Zement- und Stahlindustrie, traditionell große CO2-Verursacher, meldeten Rückgänge um etwa drei Prozent. Laut den Analystinnen und Analysten von Carbon Brief liegt das daran, dass die Produktion verstärkt auf kohlenstoffärmere Lichtbogenöfen umgestellt wurde, während die klassische, kohleintensive Stahlherstellung an Bedeutung verliert.

Chinas Chemieindustrie: Klimafortschritte mit bitterem Beigeschmack

Doch Chinas Klimabilanz bleibt widersprüchlich. Während Solar- und Windkraft den CO2-Ausstoß bremsen, sorgt die chemische Industrie für neue Belastungen. Laut Carbon Brief stiegen die Emissionen dort – vor allem in der Produktion von Kunststoffen und synthetischen Materialien – um rund zehn Prozent.

Der höhere Ausstoß habe die Einsparungen in anderen Bereichen teilweise wieder zunichtegemacht, heißt es in der Analyse. Besonders die gestiegene Nachfrage nach Chemikalien und petrochemischen Produkten ließ den Verbrauch fossiler Rohstoffe wieder anziehen.

Auch im Verkehrssektor bleibt das Bild gemischt: Zwar sank die Nachfrage nach Ölprodukten zeitweise um etwa fünf Prozent, doch der zusätzliche Energiebedarf in der Industrie glich diesen Rückgang weitgehend aus. Trotz technischer Fortschritte und wachsender Kapazitäten für erneuerbare Energien bleibt Chinas Wirtschaft strukturell stark vom fossilen Fundament abhängig.

Mit dem verschärften Klimaziel in der EU kommt das Aus für die Stromerzeugung aus Kohle. Hier geht die Sonne hinter dem Kohlekraftwerk Mehrum im Landkreis Peine unter.

Chinas CO2-Bilanz: Zwischen Stagnation und symbolischer Wende

Nach den ersten drei Quartalen 2025 halten sich Chinas Treibhausgasemissionen in einem fragilen Gleichgewicht. Laut Carbon Brief schwanken sie derzeit „zwischen leichtem Rückgang und leichtem Anstieg“. Der Unterschied beträgt nur rund ein Prozent, erklärt Lauri Myllyvirta, leitender Analyst am Centre for Research on Energy and Clean Air (CREA) und Hauptautor der Studie.

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Eine so geringe Veränderung sei „statistisch kaum relevant“, betont Myllyvirta – politisch jedoch von großer Symbolkraft. Sie zeige, dass China möglicherweise den Beginn einer Stabilisierung oder eines leichten Rückgangs seiner Emissionen erreicht habe. Von einem strukturellen Wendepunkt könne jedoch noch keine Rede sein.

Denn trotz der jüngsten Stabilisierung steht fest: China wird sein Ziel, die Kohlenstoffintensität bis 2025 um 18 Prozent gegenüber 2020 zu senken, voraussichtlich verfehlen, wie Myllyvirta anmerkt. Um die langfristigen Klimaziele zu erreichen – den CO₂-Ausstoß bis 2030 deutlich zu senken und bis 2060 klimaneutral zu werden – müsste die Volksrepublik ihre Maßnahmen deutlich verschärfen.