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Hasan Amani (Foto) lebt in Köln und wird nach eigenen Aussagen vom iranischen Geheimdienst massiv bedroht. © imago/Amani/Montage: wa.de
Der iranische Geheimdienst baut sein Agentennetzwerk in Deutschland aus. Exil-Iraner wie Hasan Amani aus NRW sind bedroht. Der Geheimdienst ist ihm auf den Fersen.
Hamm/Köln – Hasan Amani spricht ruhig und mit fester Stimme. „Ich habe mich für den Widerstand entschieden und kenne die Konsequenzen“, sagt er auf Persisch im Gespräch mit wa.de. Er hält kurz inne, damit seine Aussagen übersetzt werden können. „Aber“, setzt er anschließend wieder an, „für meine Frau und meine Kinder ist das sehr schwierig und sie fürchten sich.“
Der iranische Geheimdienst hat ihn und seine Familie nach eigenen Aussagen im Visier. „Ich habe Angst, dass sich der Geheimdienst über andere Kanäle meinen Kindern nähert. Wir wissen schließlich nicht, wem meine Kinder im Alltag begegnen und wer vielleicht mit dem iranischen Regime zusammenarbeitet“, sagt er. Amani, ein Mann mittleren Alters, ist selbst in NRW – also mitten in Deutschland – offenbar nicht sicher vor dem Regime, vor dem er aus seiner Heimat nach Köln geflohen ist.
Exil-Iraner warnt vor erhöhter Terrorgefahr in Deutschland
„Ich gehe davon aus, dass es deutschlandweit mindestens 100 solcher Fälle gibt. 40 habe ich bereits dokumentiert. Davon betroffen sind sowohl Asylberechtigte als auch bereits in Deutschland eingebürgerte Iraner“, sagt Javad Dabiran, Sprecher der Deutschlandvertretung des Nationalen Widerstandsrats Iran (NWRI). Er wird deutlich: „Das ist eine große Gefahr für die Auslandscommunity der Iraner, aber auch für die innere Sicherheit in Deutschland. Dieses Netz von Spionen muss zerschlagen werden – sonst bereitet das den Weg für Terror in Deutschland.“
Die iranische Diaspora, zu der auch Amani und Dabiran gehören, gerät nach wa.de-Informationen verstärkt in den Fokus des iranischen Geheimdienstes. „Neben der Ausspähung und Bekämpfung oppositioneller Bewegungen und Akteure (Transnationale Repression), gehören auch Ausspähungsaktivitäten gegen (pro-)israelische sowie (pro-)jüdische Ziele in Deutschland unverändert zum Tätigkeitsfeld der Spionage iranischer Nachrichtendienste“, bestätigt eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums auf wa.de-Nachfrage. Der Iran bedient sich für seine Aktivitäten in NRW bzw. ganz Deutschland immer wieder sogenannter Proxies, also Handlanger, die nicht direkt iranischen staatlichen Stellen angehören, mit unterschiedlichen Hintergründen, darunter auch aus dem kriminellen Milieu.
Verbündete, Feinde und Alternativen zum Mullah-Regime im Iran
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Diese Beobachtung macht auch NWRI-Sprecher Dabiran, wie er immer wieder betont. „Sie haben ein Netz an Agenten hier in Deutschland – von diesen Agenten werden Exil-Iraner ausgespäht und Fotos angefertigt. Der Geheimdienst verlangt dann, dass man sich von den Volksmudschahedin (Anm. d. Red.: eine iranische Exil-Oppositionsgruppe) abwendet – oder sogar mit dem Geheimdienst zusammenarbeitet“, sagt Dabiran. Er warnt: „Da wird es noch gefährlicher, weil man versucht, ein Agentennetzwerk in Deutschland weiter auszubauen, ohne dass die Sicherheitskräfte hier in Deutschland etwas davon bemerken.“
Wie so eine Anwerbung abläuft, das hat Familienvater Hasan Amani aus Köln erst unlängst am eigenen Leib erfahren. „Sie versuchten, mich aktiv für Spionage und zur Zusammenarbeit mit dem Geheimdienst der Kleriker anzuwerben und forderten mich auf, über sämtliche Aktivitäten des Widerstands in Nordrhein-Westfalen und sogar in ganz Deutschland Bericht zu erstatten“, sagt er. Der Kontakt sei über WhatsApp zustandegekommen – Drohungen inklusive. Das alles habe er auch der Polizei in Köln gemeldet. Die Gefahr für ihn und seine Familie scheint keineswegs abstrakt.
Hasan Amani kennt sich mit Aufzügen aus – nach eigenen Angaben hatte er eine eigene Firma im Iran. © Hasan Amani
„Sie haben gedroht, dass sie meine Brüder und meine Schwester inhaftieren oder sie ihre Arbeit verlieren und meine Nichten und Neffen aus den Universitäten verbannen werden“, erzählt Amani weiter. Das ist die eine Methode – Druck wird über zurückgelassene Familienmitglieder und Freunde in der Heimat ausgeübt: „Im September 2022 ist es zu Masseninhaftierungen gekommen, auch mein Sohn war davon betroffen, und wir waren gezwungen, den Iran zu verlassen.“ Er ist nach Deutschland geflohen und schloss sich erneut dem Widerstand an – schon in der Heimat habe er sich dort seit 2017 engagiert. „Jetzt setzt das Regime im Iran meine Familie unter Druck“, sagt Amani.
Iranischer Geheimdienst ist in NRW aktiv
Der iranische Geheimdienst geht aber offenbar noch weiter und streckt seine Fühler bis weit nach NRW aus. Das ist die andere Methode. „Leute vom iranischen Geheimdienst haben mir gedroht, dass sie herausfinden, wo ich lebe, und dass ich aufpassen soll“, sagt Amani. Das iranische Regime scheint dabei vor nichts zurückzuschrecken: „Sie könnten Sachen in die Wege leiten, um mir und meiner Familie in Deutschland zu schaden: Sie drohten mir mit Schäden an Körper und Leben.“
Vorgänge wie diese rufen selbstredend auch den Verfassungsschutz NRW auf den Plan. Eine Sprecherin bestätigt gegenüber wa.de: „Insgesamt bewegen sich iranische nachrichtendienstliche Aktivitäten seit drei bis vier Jahren auf einem konstant hohen Niveau.“ Die Eskalation in Nahost könne sich im Einzelfall diesbezüglich durchaus „lageverschärfend“ auswirken. Dies sei insbesondere der Fall, weil Iran im Rahmen der israelischen Militäraktionen der letzten Zeit (gegen Hamas, Hisbollah und Iran selbst) in konventioneller Hinsicht nur noch über ein deutlich reduziertes Abschreckungs- und Bedrohungspotential verfügt und dies die Attraktivität asymmetrischer Schläge erhöhen könnte – in Form von Anschlägen. „Der NRW-Verfassungsschutz wird die Entwicklung weiter intensiv im Blick behalten und die Öffentlichkeit darüber informieren“, erklärt die Sprecherin.
Nationaler Widerstandsrat Iran (NWRI)
Der NWRI versteht sich als demokratische Alternative zum Mullah-Regime und will den theokratischen Staat zerschlagen. Als sektenartig und autoritär geführt war der NWRI in die Kritik geraten – aus Kreisen der Widerstandsgruppe ist zu vernehmen, dass dies die Folge iranischer Desinformationskampagnen gewesen sei. Mittlerweile genießt der NWRI den Rückhalt bekannter deutscher Politiker, darunter etwa Ex-Kanzleramtsminister Peter Altmaier.
Auch der NWRI nimmt einen wachsenden Einfluss des iranischen Geheimdienstes in Europa und explizit in Deutschland und NRW wahr. „Es ist nicht neu, dass der Geheimdienst Menschen droht. Aber jetzt ist das alles noch einmal intensiviert worden und hat eine ganz andere Qualität bekommen“, sagt Sprecher Dabiran. Hassan Amani will trotzdem nicht aufgeben und weiter Widerstand leisten. Zu viel steht auf dem Spiel. Zu viel hat er bereits geopfert.
„Ich habe es nicht einfach gehabt, aber mir mit viel Mühe eine Firma aufgebaut als Techniker für Aufzüge. Ich hatte sogar mehrere Angestellte. Als ich den Iran verlassen musste, haben sie ihren Job verloren – es hat mir das Herz gebrochen, dass sie wegen meiner Flucht in die Armut rutschen könnten“, erzählt er. Für den zweifachen Vater war es nicht einfach, das alles hinter sich zu lassen. „Aber was ist denn unser Verbrechen?“, fragt und es wirkt, als würde auch etwas Verzweiflung in seiner Stimme mitschwingen: „Wir wollen nur Demokratie, Freiheit und Gleichberechtigung.“