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Jahrzehntelang war die Skulptur, die einst im Bergpark Kassel-Wilhelmshöhe entsorgt worden war, verschollen. Jetzt wurde sie Hessen Kassel Heritage geschenkt.
Kassel – „Sie ist wunderschön geworden. Wir werden bestimmt öfters vorbeikommen, um sie zu besuchen“, sagte Roswitha Becker, als sie Montagnachmittag (10. November) mit ihrem Mann Klaus-Eberhard, Justus Lange, dem kommissarischen Leiter von Hessen Kassel Heritage (HKH), Norbert Arnold, dem Leiter der HKH-Baudenkmalpflege, sowie dem Restaurator Tobias Sperber (Firma Bauer-Bornemann, Steinrestaurierung aus Bamberg) an der Mulangstraße im Bergpark Wilhelmshöhe stand. Dort wurde die Rückkehr der Skulptur eines chinesischen Mannes gefeiert. Die Skulptur stand seit 2004 im Garten des Ehepaars Becker im Stadtteil Brasselsberg. Allerdings etwas lädiert. Der Chinese war kopflos.
Neuer Standort für die Skulptur: (von links) Restaurator Tobias Sperber, Norbert Arnold (Baudenkmalpflege von HKH), Roswitha Becker, Justus Lange (kommissarischer Leiter HKH) und Klaus-Eberhard Becker stehen neben dem chinesischen Mönch an der Mulangstraße 3. © Fischer, Andreas
Die Beckers hatten die Skulptur von den Kindern ihrer besten Freunde und Nachbarn geschenkt bekommen, nachdem diese gestorben waren. „Die Erben sagten, dass wir uns etwas als Erinnerung aussuchen sollen“, erzählt Roswitha Becker (75). Die zweiteilige Figur ohne Kopf, die bei den Freunden im Garten gestanden hatte, habe ihr schon immer gefallen. Allerdings sei es nicht einfach gewesen, sie in den eigenen Garten zu schaffen. Aber zum Glück hat Roswitha Becker früher in einem Logistikunternehmen gearbeitet. Sie organisierte damals fünf starke Männer, die die Teile händisch auf einen Hubwagen schafften und in den Garten brachten. Dort hatte Klaus-Eberhard Becker bereits einen stabilen Betonsockel vorbereitet. Die beiden Teile wurden mit Klebemasse zusammengefügt. Er habe selbst die Kelle mit dem Kleber geschwungen, sagt der 88-jährige Becker, der früher ein Unternehmen hatte.
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Die Beckers wollten aber auch mehr über die Herkunft des Chinesen wissen. Bekannt war, dass ihr Nachbar die Skulptur in den 1970er Jahren von einem Bauschuttcontainer gerettet hatte. Die Skulptur war stark verwittert, ihr fehlten der Kopf und die Fußspitzen. Mehrfach versuchte das Ehepaar, mehr über ihren ursprünglichen Herkunftsort herauszufinden. Becker berichtet, dass der im Jahr 2010 verstorbene Hans-Kurt Boehlke, der Gründer des Museums für Sepulkralkultur, die Skulptur in seinem Garten in Augenschein nahm. Boehlke sei im hellen Anzug durch die Büsche gekraucht und sei dann unter den Ästen mit der Behauptung hervorgekrochen: „Unten weg 200 Jahre alt“.
Das habe seine Frau und ihn noch einmal aufgescheucht und zu der Entscheidung getrieben, die Skulptur dauerhaft in respektvolle und wertschätzende Hände zu geben. Gemeinsam mit der Baudenkmalpflege und der Provenienzforschung von Hessen Kassel Heritage konnte laut Sprecherin Lena Pralle ermittelt werden, dass die Skulptur bis Anfang des 18. Jahrhunderts im Tal der Flora – unterhalb des Weißensteinflügels – gestanden hat. Dort sei der Chinese der Umgestaltung des barocken Parks zum romantischen Landschaftsgarten zum Opfer gefallen.
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Den entscheidenden Hinweis auf den Ursprung der Figur habe man von einem Kollegen im April 2023 erhalten, der eine entsprechende Textstelle gefunden hatte, so Norbert Arnold. Zudem tauchten zwei schwarz-weiß Fotografien aus dem Jahr 1907 auf, auf denen die Skulptur zu sehen war. Mit Kopf.
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Mit diesen Fotografien arbeitete auch Restaurator Tobias Sperber, der rund vier Monate den chinesischen Wandermönch restaurierte und rekonstruierte. Die Skulptur hat jetzt wieder einen Kopf und Fußspitzen. Zudem fand der Experte heraus, dass der Mönch ursprünglich einen Pilgerstab gehabt hat. „Die Arbeit hat von vorne bis hinten Spaß gemacht“, sagte Sperber gestern bei der kleinen Feierstunde. Den Standort für den Mönch hat übrigens auch Klaus Eberhard Becker ausgesucht. Ein kleines Parkstück (Mulangstraße 3), das nur von der Straße vom großen Teil des Bergparks getrennt ist. An diesem Ort könne sich die Skulptur inhaltlich bestens in die dort repräsentierte „China-Mode“ des 19. Jahrhunderts einpassen, heißt es seitens der HKH.
Das Ehepaar Becker hat sich für seinen Garten am Brasselsberg übrigens einen Ersatz besorgt. Dort ruht jetzt eine Buddha-Figur. Allerdings hat die einen Kopf. (use)
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