Kallmann-Syndrom
Seltene Erbkrankheit raubt Pubertät und Geruchssinn
13.11.2025 – 10:45 UhrLesedauer: 2 Min.
Junge in der Pubertät: Manche Jugendliche erleben diese Phase krankheitbedingt erst später. (Quelle: HalfPoint Images/imago-images-bilder)
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Das Kallmann-Syndrom stört zwei entscheidende Prozesse im Gehirn. Viele Betroffene leben jahrelang mit den Symptomen, ohne die Ursache zu kennen.
Viele Jugendliche bemerken es erst spät: Ihr Körper verändert sich nicht wie bei Gleichaltrigen. Hinter der ausbleibenden Pubertät kann eine seltene angeborene Störung stecken – das Kallmann-Syndrom.
Dieses Syndrom gehört zu den seltenen genetischen Erkrankungen. Es betrifft die Entwicklung des Gehirns schon im Mutterleib. Die Folge: Der Körper produziert kaum oder keine Geschlechtshormone und entwickelt sich nicht in die sexuelle Reife. Gleichzeitig fehlt vielen der Geruchssinn vollständig oder teilweise. Dieser Zusammenhang wirkt zunächst überraschend. Er entsteht jedoch aus einer gemeinsamen Störung derselben Vorläuferzellen im Gehirn.
Die Ursache liegt in Genveränderungen, die die Entwicklung zweier wichtiger Strukturen stören:
- Die hormonelle Schaltzentrale – sie steuert das Hormon GnRH. Dieses Hormon regt die Hirnanhangdrüse an, LH und FSH auszuschütten. Diese beiden Hormone starten die Produktion von Geschlechtshormonen in Hoden und Eierstöcken.
- Das Riechzentrum – der sogenannte Bulbus olfactorius verarbeitet Gerüche.
Wenn diese Zellen sich nicht normal entwickeln, bleibt die Pubertät aus und der Geruchssinn fehlt. Die Erkrankung betrifft Jungen deutlich häufiger als Mädchen: Etwa einer von 10.000 Jungen und eines von 50.000 Mädchen entwickelt sie.
Das auffälligste Merkmal zeigt sich meist in der Jugend: Die Pubertät setzt nicht ein. Jungen entwickeln kaum Körperbehaarung, keinen Bartwuchs, keinen Stimmbruch und oft einen Mikropenis oder kleine Hoden. Mädchen bemerken meist nur das Ausbleiben der ersten Monatsblutung, während die übrige körperliche Entwicklung normal erscheint. Unbehandelt bleiben beide Geschlechter unfruchtbar.
Parallel dazu fehlt vielen der Geruchssinn – komplett (Anosmie) oder teilweise (Hyposmie). Da Betroffene diesen Zustand seit der Geburt kennen, bemerken sie ihn oft nicht. Dadurch entsteht jedoch ein Sicherheitsrisiko, etwa wenn sie Brandgeruch oder verdorbene Lebensmittel nicht wahrnehmen.
Manche Betroffene erleben weitere körperliche Besonderheiten wie Hörstörungen, fehlende Zahnanlagen oder eine Lippen-Kiefer-Gaumenspalte. Die geistige Entwicklung bleibt dagegen normal.
Diagnose und Behandlung – was hilft wirklich?
Ärzte erkennen das Kallmann-Syndrom anhand mehrerer Hinweise: fehlender Pubertätsbeginn, niedrige Hormonwerte im Blut, ein auffälliger Riechtest und bildgebende Verfahren wie MRT, die ein fehlendes Riechzentrum zeigen können. Ein Gentest bestätigt die zugrunde liegende Mutation.
Die Therapie setzt direkt bei den fehlenden Hormonen an. Jungen erhalten Testosteron, Mädchen Östrogene und Progesteron. Diese Behandlung startet die Pubertätsentwicklung und unterstützt das körperliche Wachstum. Da der Hormonmangel das Knochengerüst schwächt, empfehlen Ärzte zusätzlich Vitamin D, Kalzium und regelmäßige Bewegung.
Der fehlende Geruchssinn lässt sich derzeit nicht behandeln.
Die Aussichten fallen gut aus, wenn die Therapie früh beginnt. Dann erleben Kinder und Jugendliche eine weitgehend normale Pubertät, erreichen die Geschlechtsreife und können ein erfülltes Sexualleben führen. Viele bekommen später Kinder. Erfolgt die Diagnose erst spät, kann sich bereits ein Hoch- beziehungsweise Großwuchs entwickeln – diese Veränderung bleibt dauerhaft bestehen.
Das Kallmann-Syndrom stellt für viele Betroffene eine psychische Belastung dar, vor allem wenn die Diagnose spät erfolgt. Eine frühzeitige hormonelle Behandlung und psychologische Unterstützung können helfen, Selbstwertprobleme und soziale Unsicherheiten abzufedern.
