
Von der Bibliothek mit Einbauten aus Rio-Palisander gelangte man die in Halle, die auch als Warteraum für Patienten des Arztehepaars diente, ausgestattet mit Sitzbank, Vitrine und Bücherregal aus Kirschholz.
Julius Hirtzberger
Die Ideen des visionären Architekten Hans Glas sind heute aktueller denn je.
Max Eisenköck
Vier glückliche Jahre wohnte das Arztpaar Anna und Philipp Rezek mit seinen Töchtern in ihrem luftigen Zuhause; sie brachten – getreu Josef Franks Maxime „Alles verwenden!“ – Mobiliar und Vorhänge mit, aus ihrer Wohnung in Annas großem Elternhaus im Wiener 1. Bezirk. Ein Stil-Magazin feierte ihre Villa mit den raffinierten Einbauten als Ort der „Heiterkeit, lebensfrohen Moderne und liebevollen Raumkultur“. Allein das Wohnzimmer maß 70 Quadratmeter, dort stand ein Bechstein-Flügel für Hauskonzerte.

Das Wohnzimmer mit Barschrank und Heizungsverkleidungen aus Makassar-Holz. Im Wintergarten stehen jene Pflanzen, die dort früher schon gediehen – Gummibaum, Monstera, Geweihfarn und Euphorbia, recherchiert und geliefert vom Wiener Zimmerpflanzen-Spezialisten Calienna.
Julius HirtzbergerDie Rettung: Eine umfassende Restaurierung und Renovierung
In der aufgeräumten Küche gab es damals sensationell neue Geräte – einen Elin-Elektroherd und einen Kühlschrank von Electrolux, futuristischer Luxus in einer Zeit, da nur ein winziger Prozentsatz der Wiener Haushalte mit Strom kochte. 1938 floh die jüdische Familie vor dem NS-Regime in die USA; Hans Glas emigrierte später allein nach Indien, seine Frau und sein Vater hatten aus Angst Suizid begangen. Das Haus wurde „arisiert“, enteignet, in den Fünfzigerjahren an die Familie Rezek restituiert (ebenso wie ihre aberkannten Doktortitel) – und sogleich veräußert. Danach ging es durch viele Hände, die letzten „demolierten die Villa innen, zerstörten Einbauten, Böden und Decken“, beschrieb der Architekt Max Eisenköck den skelettösen Zustand von 2019. Dann kaufte eine Stiftung, bei der auch sein Vater Hermann Eisenköck, ebenfalls Architekt, involviert ist, die kaputte Hülle ohne Fülle. Das war ihre Rettung.

Hightech 1933: Damals hatte nur einer von hundert Haushalten einen elektrischen Herd – der Elin war ultramodern. Nach langer Suche fand der Architekt Max Eisenköck dasselbe Modell in einem steirischen Ferienhaus und ließ es restaurieren.
Julius Hirtzberger
Der Schachbrettboden ist aus Kautschuk.
Julius Hirtzberger
Auch der praktische Stauraum mit Schütten und Durchreiche ins Anrichtezimmer wurde von Hans Glas entworfen; er erinnert an die patentierten „Erdö“-Küchenschränke in der Wiener Werkbundsiedlung.
Julius Hirtzberger
Wie Licht, Details und Geschichte wieder zum Leben erwachten
Und so kommen wir zur Zahl sechs: So viele Jahre dauerte die aufwändige Restaurierung, die nun folgte. „Außergewöhnliche Beharrlichkeit“ attestierte das Bundesdenkmalamt Max Eisenköck, er selbst sagt, er sei „ein detailverliebter Fährtenleser und Zeitreisender“. Akribisch wertete er historische Dokumente und Fotos aus, knüpfte Kontakt mit den Enkeln der Rezeks in den USA. „Wir suchten in Archiven, Online-Marktplätzen und Antiquitätenläden nach Originalteilen.“ Diese Hartnäckigkeit hat sich ausgezahlt, auch dank der Unterstützung kompetenter Handwerksbetriebe und Restaurator:innen: Eine Kärntner Weberei kalibrierte extra ihre Webstühle um und produzierte neue Vorhänge nach altem Muster, eine Wiener Hinterhoftischlerei rekonstruierte die „Nikolaus Patentschiebefenster“: „Diese verschwinden in den Parapeten, wie früher in avantgardistischen Lungenheilanstalten üblich“, erklärt Eisenköck. Ein Fachbetrieb für Beschläge fertigte aus Neusilber Türgriffe, Rosetten und Fensteroliven, sogar Garderobenhaken und den Knauf des Treppengeländers. Nerdig, aber nett!