Welche Bedeutung hat FfF heute überhaupt noch?
Das Momentum von 2019 ist natürlich vorbei. Trotzdem gibt es weiterhin Menschen, die sich auf Streiks einbringen wollen. Das stimmt mich zuversichtlich. Beim letzten Klimastreik waren bundesweit immerhin rund 50.000 Menschen auf der Straße, diese Zahl sollte man nicht kleinreden.
Sie sind 2019 eingestiegen, also noch zu Hochzeiten der Bewegung. Was hat Sie damals zur Klimabewegung geführt?
Zugegebenermaßen hatte ich als Abiturient in Zittau noch wenig Ahnung von Klimathemen. Der Reiz war vor allem, ein Ehrenamt mit anderen Jugendlichen zu machen. Ich habe mich erst mit der Bewegung politisiert.
Seit Anfang 2024 sind Sie in der Leipziger Ortsgruppe aktiv. Wie haben Sie den Wechsel erlebt?
Es war nach der Pandemie wie ein Neustart: Die Organisation war hier professioneller, auch die Dimension der Streiks war natürlich eine andere. Eine Sache war aber gleich wie in der Kleinstadt: Am Ende steht und fällt ein Streik immer mit fünf, sechs engagierten Leuten.
Das Thema hat bei jungen Menschen nicht mehr die höchste Priorität. Laut der Shell-Jugendstudie 2024 ist es von Angst vor einem Krieg in Europa und finanziellen Sorgen überholt worden.
Tatsächlich haben wir auf den Demos inzwischen nicht mehr von Schüler:innen den größten Zulauf, sondern aus der Mitte der Gesellschaft. Auch ich bin zwar Berufsschüler, aber schon 25 und scheide in zwei Jahren aus den Strukturen aus. Das macht es schwierig, das ursprüngliche jugendliche Momentum aufrechtzuerhalten.
Wie wirkt sich das auf die Stimmung der Aktiven aus?
Nach sechs Jahren ist eine gewisse Erschöpfung spürbar. Viele haben das Gefühl, von der Politik nicht gehört zu werden. Mit der Ampel-Regierung hatten wir schon einmal ein besseres Szenario für Klimapolitik. Aber aus der CDU-Regierung höre ich kaum konkrete Klimaziele, sondern eher Relativierungen von Merz. Das frustriert viele.
Was motiviert Sie dennoch, weiterzumachen?
Ich glaube, die, die FfF geprägt haben, können gar nicht mehr aufhören. Für viele ist Klimaaktivismus auch ein Lebenssinn. Bei mir ist es die Überzeugung, dass der Massenprotest nach wie vor die politisch wirksamste Protestform ist. Wir haben in den letzten Jahren gesehen, dass die Letzte Generation mit ihren radikaleren Methoden gescheitert ist. FfF bleibt trotz allem alternativlos und stellt immer noch das Dach der Klimabewegung und des Straßenprotestes dar. Es ist eine Art Bewegung der Hoffnungsvollen. Wir hatten schon so viele Widrigkeiten, etwa durch die Pandemie. Aber es ging immer irgendwie weiter.
Was bewirken Straßenproteste heute noch, wenn sie keine Massen mehr mobilisieren?
Auch wenn Merz nicht plötzlich seine Politik ändert, verdeutlichen sie in der Gesellschaft punktuell die Bedeutung von Klimaschutz. Leute interessiert nach wie vor die Frage: Wie wollen wir in Zukunft leben? Unsere Antwort darauf ist erstmal: Wir müssen unsere Lebensbedingungen auf diesem Planeten aufrechterhalten.
Beim letzten Klimastreik hat FfF Leipzig nicht nur für den Gasausstieg demonstriert, sondern erstmals und als einzige Ortsgruppe Gaza thematisiert. In einem Statement auf Instagram heißt es unter anderem »Wir stehen für ein Ende des Genozids und der systematischen Unterdrückung aller Palästinenser:innen« Wie sehr hat das Thema innerhalb der bundesweiten Bewegung gespalten?
Es hat uns organisationsintern schon belastet. Ich finde legitim, dass sich viele Gruppen weiterhin auf Klimapolitik konzentrieren. Aber fast alle in Leipzig waren sich einig, dass FfF Deutschland zu lange über das Leid in Gaza geschwiegen hat. Als Klimabewegung können wir keine geopolitische Lösung bieten, aber zumindest betonen, dass Wegschauen keine Option ist. In meiner Wahrnehmung haben wir mit unserem Statement in der Bundesbewegung aber auch einen Nerv getroffen und für Bewegung gesorgt. Auch FfF München hat eine Stellungnahme gepostet, Frankfurt hat sich von Anfang solidarisch mit Palästina erklärt und auch Luisa Neubauer hat Stellung bezogen. Insgesamt habe ich nicht den Eindruck einer bundesweiten Spaltung.
Anders sieht es auf internationaler Ebene aus. FfF Deutschland hat sich 2023 von der Gründerin von FfF, Greta Thunberg, wegen ihrer Palästinasolidarität distanziert, und im internationalen Vergleich sehr spät Solidarität mit Palästina bekannt.
Es ist schwierig, Positionen zu vertreten, die man selbst nur schwer erläutern kann, weil man sich damit angreifbar macht. FfF ist auf Klimathemen spezialisiert. Themen wie der Nahostkonflikt sind nicht mit naturwissenschaftlichen Fakten zu argumentieren und haben eine größere moralische Fallhöhe. Auch haben wir uns stark nach der deutschen medialen Berichterstattung über Gaza gerichtet haben, die viele mittlerweile unangemessen finden. Aber sich mit dem Versagen der deutschen Medien entschuldigen zu wollen, ist natürlich Quatsch. Unsere Entschuldigung war definitiv fällig.
FfF hat sich in den letzten Jahren auch anderen neuen Themen angenommen. Zum Beispiel ist 2023 die Kooperation #wirfahrenzusammen zwischen FfF und Verdi entstanden, für bessere Arbeitsbedingungen für Beschäftigte im Personennahverkehr zu streiken. 2024 organisierte FfF Demos gegen rechts mit. Wird FfF künftig immer mehr zu einer intersektionalen Gerechtigkeitsbewegung?
Ich finde, die Stärke von FfF ist immer noch das Kernthema Klima. Zugleich drängen sich angesichts der Weltlage andere Themen auf, vor allem das Thema Krieg. Nicht alle, aber viele Gerechtigkeitsfragen lassen sich über das Thema Klimagerechtigkeit erschließen.
Ist die Integration von anderen Themen der Versuch, wieder mehr Menschen zu mobilisieren?
Nicht unbedingt. Das ist vielmehr ein natürlicher Prozess. Aktivismus bedeutet für uns auch, die eigenen Überzeugungen von Gerechtigkeit ausdrücken zu können, sich über Klimaengagement selbst zu verwirklichen.
Liegt für FfF auch eine Chance darin, sich vom Image als Jugendbewegung zu lösen – etwa durch mehr Allianzen mit Arbeitnehmer*innen wie bei #wirfahrenzusammen?
Die Zusammenarbeit mit Gewerkschaften ist auf jeden Fall denkbar und gerade in der Verkehrs- und Energiewende auch unabdingbar. Ich glaube aber, mit jungen Menschen würden wir ein Alleinstellungsmerkmal verlieren: dass diese für ihre eigene Zukunft einstehen. FfF wäre wohl nie so groß geworden, wenn Greta Thunberg ein Mann Mitte 40 gewesen wäre (lacht).