Liebe
Leserin, lieber Leser,

heute sind wir im Amazonas-Gebiet, zumindest in Gedanken.

Seit diesem Montag läuft dort, in der brasilianischen Stadt Belém, der
Weltklimagipfel. Zehn Jahre sind vergangen seit der historischen Pariser
Konferenz 2015 – sicher erinnern Sie sich noch an die Bilder aus den
Nachrichten, die glücklichen Gesichter, die Jubelrufe. Damals einigte sich die
internationale Staatengemeinschaft darauf, die Erderwärmung auf möglichst 1,5
Grad zu begrenzen. Tja, in zehn Jahren kann weltweit viel passieren, lassen wir
die Details, Sie waren ja dabei. Klimapolitisch ist leider nicht so viel
passiert wie erhofft, die 1,5 Grad werden wir bald reißen.

Eine Gruppe Hamburger Forscherinnen und Forscher ist gerade in Belém, sie
arbeiten für das Exzellenzcluster für Klimaforschung CLICCS an der Uni Hamburg
und beobachten die Konferenz. Mit einem von ihnen konnte ich gestern sprechen:
Eduardo Gonçalves Gresse ist Soziologieprofessor und stammt selbst aus São Paulo. Für ihn war morgens,
für mich nachmittags, als wir uns per Zoom zusammenschalteten. Gresse hatte
schon lange Kongresstage hinter sich und wirkte trotzdem hellwach. Und
gar nicht pessimistisch. Dabei sind die Vorzeichen dieses Gipfels mies – nach
dem Rückzug der USA aus dem Pariser Klimaabkommen fahren andere Staaten ihre
Bemühungen um den Klimaschutz ebenfalls zurück. Trotzdem betonte Gresse, wie
wichtig solche Treffen seien. Nicht nur wegen der großen Reden, sondern wegen
allem, was zwischen ihnen passiert. In den Foren, in den Zwischengängen, in den
kleinen Runden, in denen NGOs, indigene Gruppen, Aktivisten und Wissenschaftlerinnen
zusammensitzen. „Dort entstehen Ideen und Allianzen, die es ohne persönliche
Begegnung oft gar nicht gäbe“, sagte er.

Während ich ihm zuhörte, habe ich ihn fast ein bisschen beneidet um diese
unmittelbare Erfahrung von Engagement und Ernsthaftigkeit, die man in der
deutschen Klimapolitik gerade selten spürt. Gresse hat mit seinem Hamburger
Team übrigens kürzlich den Klimawende-Ausblick 2025 vorgelegt – eine Analyse,
die zeigt, warum Deutschland seine Klimaziele unter den aktuellen Bedingungen
wohl verfehlt und wo es trotz allem vorangeht.

© ZON

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Wir sprachen übrigens auch darüber, wie er aus Belém auf den Hamburger
Klimaentscheid blickt. Man könnte ja meinen: Lokale Initiativen verpuffen, wenn
es auf internationaler Bühne schon hakt. Der Forscher sieht das anders.

Hier geht’s zum Interview (Z+).

Und jetzt: Schönes Wochenende!

Ihre Annika
Lasarzik

Wollen Sie uns Ihre Meinung sagen,
wissen Sie etwas, worüber wir berichten sollten? Schreiben Sie uns eine E-Mail
an hamburg@zeit.de.

WAS HEUTE WICHTIG IST

© Sven Hoppe/​dpa

Hamburgs Schulsenatorin Ksenija Bekeris setzt statt eines pauschalen
Handyverbots auf Regeln zum Umgang mit Handys, die jede Schule selbst
festlegt. Gemeinsam mit Niedersachsen hat die Schulbehörde nun Leitlinien
veröffentlicht, die den mehr als 380 staatlichen Schulen rechtssichere,
praxisnahe und pädagogisch fundierte Orientierung bieten sollen. In
Grundschulen soll die Nutzung von Smartphones grundsätzlich nicht erlaubt sein,
an weiterführenden Schulen empfehlen die Länder handyfreie Zeiten oder Zonen
statt strikter Verbote.

In Hamburg ist erstmals seit Jahrzehnten wieder das Poliovirus vom
Wildtyp in einer Abwasserprobe entdeckt worden, wie die Gesundheitsbehörde
mitteilt. Hinweise auf einen erkrankten Menschen gibt es bislang nicht, das
Risiko für die Bevölkerung wird wegen der grundsätzlich hohen Impfquoten
aktuell als gering eingeschätzt. Unklar ist noch, wie der Erreger – der
weltweit fast nur noch in Afghanistan und Pakistan zirkuliert – in die Stadt
gelangt ist; die Probe stammt von Anfang Oktober. Was Experten zu dem Fund sagen, lesen Sie hier.

Die Stadt Hamburg übernimmt das insolvente Werftgelände von Pella Sietas
im Alten Land und zahlt dafür rund 20 Millionen Euro – inklusive des
denkmalgeschützten Portalkrans Jucho. Das rund 148.000 Quadratmeter große Areal
soll größtenteils im Erbbaurecht für industrielle Nutzung vergeben werden;
weitere Flächen sind für Hochwasserschutz und neue Unterkünfte an einem
bestehenden Flüchtlingsstandort vorgesehen. Die Werft war bereits 2021 nach
Jahren wirtschaftlicher Probleme und pandemiebedingten Einbußen in die
Insolvenz geraten.

In aller Kürze

Die Köhlbrandbrücke wird wegen finaler
Sanierungsarbeiten von heute an ab 22 Uhr bis Montag um 5 Uhr erneut
vollständig gesperrt – betroffen ist nur die Brücke, nicht die A7; Umleitungen
sind ausgeschildert Die Gruppe Fridays for Future ruft für heute
wieder zu einem Klimastreik auf, demonstriert wird ab 14 Uhr auf der
Mönckebergstraße In Hamburg mussten bis Ende August dieses Jahres
bereits 71 Gastronomiebetriebe Insolvenz anmelden – deutlich mehr als in
den Vorjahren (87 waren es im Gesamtjahr 2024, 64 in 2023), wie aus einer
Senatsantwort auf eine Kleine Anfrage der CDU hervorgeht

THEMA DES TAGES

© BIG & Yanis Amasri Sierra, Madrid, Spain

Hier ist Sommer, auch im Winter

Das hat die Welt noch nicht
gesehen: ein Opernhaus für Hamburg, verspielt, verwegen und wunderbar offen.
Was spricht denn jetzt noch dagegen? Lesen Sie hier einen Auszug aus dem Artikel von ZEIT-Redakteur Hanno Rauterberg.

Bis eben war es nur eine abstrakte Idee, die
reine Behauptung. Jetzt aber gibt es ein Bild, gibt es viele Bilder. Und mit
einem Mal ist Verlockung im Spiel, denn so spielerisch und verwegen sind die
Ideen der Architekten, als sollte hier, auf einem alten Hafenkai in Hamburg,
nicht nur eine neue Oper entstehen, sondern auch ein neuer Geist um sich
greifen. Der dänische
Architekt Bjarke Ingels
hat, wie jetzt bekannt wurde, einen Entwurf entwickelt,
den man ganz unbescheiden epochal nennen darf.

Was aber sagt der Hamburger Kultursenator Carsten Brosda, als er die Pläne
vorstellt? Er wisse, sagt er mit hochgezogenen Schultern, es sei nicht
besonders hanseatisch, so zu fühlen, aber: „Man darf sich auch freuen.“

Tatsächlich war das Vorhaben in der Stadt zunächst scheel, später mit
wachsendem Missmut beäugt worden. Was sollte man davon schon halten: dass sich
ein ultrareicher Mäzen anschickt, den Hamburgern mir nichts, dir nichts ein
kolossales Geschenk machen zu wollen, ein neues Opern- und Balletthaus im Wert
von mehreren Hundert Millionen Euro? Da reagieren die Leute, wie die Leute in Hamburg oft reagieren: reserviert
und mit gespitzter Oberlippe. Freude? Welche Freude?

Dabei ist das, was nun entstehen könnte, wirklich verblüffend: nicht weil
der Entwurf besonders irre und unbesonnen in der Gegend herumfuchtelt. Auch
findet Ingels mit seinem Büro BIG keine architektonische Idee für eine ganz
andere, in die Zukunft stürmende Form von Oper. Nein, das eigentlich
Spektakuläre des Entwurfs ist das Gemäßigte. Auf verhaltene Weise ungewöhnlich,
unübersehbar, aber nicht triumphal. Ein Wahrzeichen, das weniger Zeichen sein
möchte als eine gelebte gesellschaftliche Wahrheit – dieses paradoxe
Versprechen bestimmt den Plan. Und könnte eine neue architektonische Gattung
begründen. Ingels spricht vom „humble icon“, einer demütigen
Ikone.

Zuletzt war die Manie der Spektakelbauten ja
deutlich aus der Mode gekommen. Der sogenannte Bilbao-Effekt, den man überall
auf der Welt wiederholen wollte, hatte sich rasch inflationiert. Auch gibt es
unter den jüngeren Architekten kaum noch jemanden, der wie einst Frank Gehry,
Daniel Libeskind oder Zaha Hadid einen Wunderbau nach dem anderen in die
Stadtbilder stellt. 

Eigentlich gibt es sogar nur noch einen: Bjarke Ingels. Der 51-Jährige
spart nicht mit Ehrgeiz, auch Größenwahn ist ihm nicht fremd.

Wo sich dieser Größenwahn zeigt und warum dieses neue
Hamburger Opernhaus gar kein Haus sein will, lesen Sie weiter in der ungekürzten Fassung auf zeit.de.

DER SATZ

© Christian Charisius/​dpa/​pa

„Wer ist Rodolphe Saadé und wie kam es zu dem Deal?“

Mittwochabend
hat die französische Reederei CMA CGM angekündigt, im Hamburger Hafen
einzusteigen – um genau zu sein, bei Eurogate. ZEIT:Hamburg-Autorin Kristina Läsker ordnet diese Entwicklung
ein
.

MAHLZEIT – Die Gastrokritik

Die Gründerinnen des Tao
Tao
sind keine Frauen leiser Worte. Nach Pulled Noodles (im Cyn Cyn) und
Banh Mi im (Banh Banh) wenden sie sich nun der vietnamesischen Nationalsuppe
zu. Was bei ihnen so klingt: „Das Tao Tao feiert die stolze, starke Frau, die
sich nicht über Luxus definiert, sondern in der Haltung zeigt – und genau
deshalb ein einfaches Gericht wie Pho mit derselben Würde genießt wie alles im
Leben.“ Gefeiert wird das im Neuen Pferdemarkt, in einem betont schlichten,
geschäftsmäßigen Ambiente. Bier
trinkt man hier aus der Flasche; Wein gibt es nicht.

Auf der Speisekarte steht
konsequenterweise vor allem Pho – und auch die nur in wenigen Varianten (eine
davon vegan). Die klassische Version auf Rinderbrühebasis ist hervorragend –
tief, ein wenig süß und mit dem typischen „Weihnachtsaroma“ von Sternanis und
Zimt. Ist das jetzt die, Eigenwerbung: beste Pho der Stadt? Vielleicht, wenn
das blanchierte Fleisch darin etwas weniger sehnig ausfällt.

Apropos: Die „zarten
Reispapierstreifen“ im Salat Bánh tráng trộn erweisen sich als klebrig und zäh wie Gummi. Was
auch genau richtig ist: So kann man lange herumkauen auf den komplexen Frucht-
und Fischaromen dieses hierzulande wenig bekannten Snacks. Er wäre dennoch nicht
weniger spannend, wenn man den Gästen klarer beschriebe, was sie erwartet.

Michael Allmaier

Tao Tao, Bei der Schilleroper 1–3, St. Pauli

DARAUF KÖNNEN SIE SICH FREUEN

Heute Abend findet im
Tschaikowsky-Saal ein Tangosalon mit der Berliner Sängerin Helena Goldt statt.
Begleitet wird sie von dem Pianisten Michael Kornas. Nicht der bekannte Astor
Piazzolla-Tango wird aufgeführt, sondern in ihrem Programm „Tangosalon Europa –
zwischen Chanson und osteuropäischen Melodien“ geht es um Tango aus Frankreich,
Deutschland, Ungarn und Finnland. Auch Eigenkompositionen Goldts sind dabei.

„Tangosalon Europa“, 14.11., 19.30
Uhr; Tschaikowsky-Saal, Tschaikowskyplatz 2

MEINE STADT

Gesichter des Herbstes (aufgenommen in Rissen) © Elisa Mülleder

HAMBURGER SCHNACK

Ein regnerischer
Novembermorgen, überall nasses Laub. Ich warte auf die S-Bahn, die mal wieder
verspätet ist. Durchsage: „Wegen der schlechten Haftung der Schienen fahren die
Züge auf diesem Streckenabschnitt derzeit nur unregelmäßig.“

Gehört von Hilke Suhr

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