Kiel. Zwei Jahre Jugendstrafe auf Bewährung für fünf bewaffnete Raubüberfälle: Gegen den 19-jährigen Anführer einer Bande junger Tankstellenräuber hat das Jugendschöffengericht am Freitag Milde walten lassen. Zuvor hatte die Staatsanwältin drei Jahre pur für den Hauptangeklagten gefordert. Sie kann innerhalb einer Woche Rechtsmittel gegen das Urteil einlegen.
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Alle drei Angeklagten reagierten mit spürbarer Erleichterung auf die Entscheidung des Gerichts am Ende des zweitägigen Prozesses. Ein Mittäter (19), der ebenfalls maskiert und mit einer Schreckschusspistole bewaffnet an drei Überfällen in Hanerau-Hademarschen, Flintbek und Kiel teilgenommen hatte, wurde zu einem Jahr und sechs Monaten Jugendstrafe auf Bewährung verurteilt.
Bei erneuter Straffälligkeit droht Widerruf der Bewährung
Beide Täter wurden wegen Raubes und räuberischer Erpressung in besonders schweren Fällen verurteilt. Wird das Urteil rechtskräftig, unterstehen sie zwei Jahre lang der Aufsicht der Bewährungshilfe. Lassen sie sich in diesem Zeitraum etwas zuschulden kommen, droht der Widerruf der Bewährung.
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Der dritte Angeklagte (20) wurde wegen Beihilfe verwarnt. In zwei Fällen hatte der vor sechs Monaten Vater gewordene Arbeitslose seine Kumpels zum Tatort gefahren. Jetzt lautet sein erklärtes Ziel: durch ehrliche Arbeit als Kraftfahrer sein Kind und seine minderjährige Verlobte versorgen. Findet er einen Job, muss er 1500 Euro an den Weißen Ring abstottern. Bleibt er arbeitslos, muss er 150 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten.
Täter müssen je 2400 Euro an Weißen Ring zahlen
Den mit geladenen Schreckschusspistolen bewaffneten 19-Jährigen erteilte das Jugendgericht strenge Weisungen. Beide müssen während ihrer zweijährigen Bewährungszeit monatlich 100 Euro an die Opferschutzorganisation zahlen – insgesamt 2400 Euro. Die Ausbildungs- und Arbeitsplätze, die sie kurzfristig ergattern konnten, dürfen sie nicht aufgeben.
Ich will keinen von Ihnen wiedersehen.
Antje Renner
Vorsitzende Jugendrichterin zu den Angeklagten
Ihre Beute – Bargeld und Zigaretten für insgesamt rund 9500 Euro – müssen die geständigen Täter anteilig zurückzahlen. In den fünf betroffenen Tankstellen hatten sie ein halbes Dutzend Beschäftigte mit ihrem Auftritt als bewaffnete Maskenmänner geschockt.
Anführer zahlt 2500 Euro Wiedergutmachung an traumatisiertes Opfer
Der als einziger vorbestrafte Anführer erklärte sich bereit, einem besonders schwer traumatisierten Tatopfer 2500 Euro Wiedergutmachung zu zahlen. Der als Nebenkläger am Verfahren beteiligte Ex-Mitarbeiter mied die Konfrontation mit den Tätern und blieb dem Prozess fern. Er sei bis heute arbeitsunfähig krank, teilte sein Anwalt mit.
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Die Vorsitzende Jugendrichterin Antje Renner räumte in ihrer einstündigen Urteilsbegründung ein, vor allem aus Sicht der Geschädigten sei „schwer zu erklären, dass sie nicht in Haft müssen“. Man habe das Urteil lange beraten, gehadert und diskutiert.
Vorsitzende räumt ein: Mildes Urteil ist schwer zu vermitteln
Vor allem die Bewährung für den Haupttäter sei schwer zu vermitteln – trotz schädlicher Neigungen zur Tatzeit und Schwere der Schuld und trotz hoher krimineller Energie bei bewaffneten Raubüberfällen, für die das Erwachsenenstrafrecht (ab dem 21. Geburtstag) mindestens fünf Jahre Haft androht. Dies machte die Vorsitzende den Heranwachsenden unmissverständlich klar.
Doch im Jugendstrafrecht stehe der Erziehungsgedanke im Vordergrund. Die Lebensläufe der Angeklagten sind von familiären Brüchen, Trennungen, Schulwechseln, auch von Gewalt belastet. Dies geht aus den umfangreichen Gutachten der Jugendgerichtshilfe hervor.
Weder Alkohol noch Drogen waren im Spiel
Das Gericht sieht positive Zeichen und setzt auf das Prinzip Hoffnung. So seien weder Drogen noch Alkohol im Spiel gewesen. Die Angeklagten seien von der U-Haft beeindruckt, hätten viel nachgedacht.
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Sollten sie gegen die Weisungen verstoßen, droht ihnen vier Wochen Arrest, im Wiederholungsfall auch der Widerruf der Bewährung. Weder das Gericht noch die Angeklagten hoffen, dass es so weit kommt. „Ich will keinen von Ihnen wiedersehen“, schloss die Vorsitzende.
KN