Licht spielt eine tragende Rolle in Heinrich von Kleists Komödie „Der zerbrochene Krug“. Zunächst mal ganz wörtlich, in Person des Gerichtsschreibers Licht. Mit scheinbar naiver Rechtschaffenheit lässt er die Verdunklungsversuche seines Vorgesetzten scheitern. Der intrigante Dorfrichter Adam wird im Verlauf einer Gerichtsverhandlung so vom Richter zum Gerichteten.
In der Inszenierung von Elsa-Sophie Jach, am Schauspiel Leipzig, kommentiert das Bühnenlicht von Carsten Rüger die Handlung ebenso subtil wie meisterhaft. So steht grelles, kaltes Scheinwerferlicht, das die Figuren auf der Bühne regelrecht bloßstellt, im Kontrast zu warmen, harmonischeren Tönen.
Neue Lichttechnik im Schauspiel Leipzig
Wenn das Stück nach der Modernisierung des Hauses nun wieder auf der großen Bühne zu sehen sein wird, hat sich für das Publikum auf den ersten Blick vielleicht gar nicht so viel verändert. Doch hinter den Kulissen sorgt in Zukunft ein neuartiges Datennetz für das reibungslose Funktionieren der unzähligen Scheinwerfer.
Vor allem die sogenannten intelligenten, kopfbewegten Scheinwerfer, die in großer Zahl über der Bühne im Schnürboden hängen. „Diese Lampe kann sehr viele Daten verarbeiten, weil sie einfach sehr viele Funktionen hat“, erklärt der technische Direktor des Hauses, Konstantin Müller. Dafür die richtige Infrastruktur herzustellen, sei der Kern der Sanierung gewesen.
Letzte Sanierung im Schauspiel Leipzig vor mehr als 20 Jahren
In vielen technischen Bereichen wie Industrie oder Medizintechnik sei solch eine Infrastruktur inzwischen Standard, so Müller. „Das macht einfach auch bei uns nicht halt.“ Nun sei ein technischer Standard geschaffen worden, der, so hofft er, die nächsten 30, 40 Jahre Bestand hat.
Acht Monate lang wurde das Haus technisch auf den neuesten Stand gebracht. Das Wort „Durchbruch“ möchte Mirko Holze deshalb nach eigenen Angaben erstmal für eine Weile nicht hören. Der Leiter der Hausverwaltung und Herr über die technischen Anlagen am Schauspielhaus Leipzig ist sichtlich erleichtert über den pünktlichen Abschluss der Arbeiten. Die waren dringend notwenig, so Holze. So wurde der Bühnenraum zuletzt 2002 renoviert. Die technischen Anlagen seien teilweise noch von 1991 gewesen. „Ersatzteile waren kaum noch zu bekommen, also das war jetzt höchste Eisenbahn.“
Theater präsentiert neue Einsatzmöglichkeiten von Bühnentechnik
Die vielen Wanddurchbrüche waren nötig, um die modernen Datenleitungen zu verlegen. Über dieses Datennetz lässt sich nun die gesamte Bühnentechnik zentral ansteuern. Das ist nicht nur effektiv und damit zeitsparend, sondern bietet auch neue Möglichkeiten für den Einsatz von Licht-, Ton- und Videotechnik in einer Inszenierung.
Am Aufführungsabend stehen all diese künstlerischen und technischen Effekte dann unter der Aufsicht des Inspizienten. Wie ein Dirigent gibt er von seinem Pult aus die Einsätze für Lichtwechsel, Umbauten, Auftritte und Bewegungen der Bühnenmaschinerie. Im Zuge der Umstellung auf die Netzwerktechnik hat das Schauspiel Leipzig auch ein neues Inspizientenpult bekommen. Das ist nicht mehr fest verbaut, sondern lässt sich an vier verschiedenen Stellen auf der Bühne installieren.
„Ich kann also auch veränderte Bühnenanordnungen begleiten, zum Beispiel wenn die Zuschauer auf der Hinterbühne sitzen“, freut sich Ulrich Hänsch. Der Inspizient ist seit 1990 am Haus und hat in den 35 Dienstjahren nicht nur Intendanten und Ensemblemitglieder, sondern auch technische Standards kommen und gehen sehen. Das neue Pult ist mit fünf Kameras ausgestattet. „So kann ich das Geschehen detailliert beobachten. Das ist ja ganz wichtig, weil ich manchmal ganz kleine Details sehen muss“, erklärt Hänsch.
Investition trägt veränderten Anforderungen im Theater Rechnung
Mit 5,3 Millionen Euro an Gesamtkosten liegt die nun abgeschlossene Modernisierung im Kostenplan. Eine notwendige Investition, die den veränderten Anforderungen im Theateralltag Rechnung trägt. Früher habe man für eine Inszenierung schon mal neun bis zehn Wochen Probezeit zur Verfügung gehabt, erinnert sich der Intendant des Schauspiels Leipzig, Enrico Lübbe.
Heute wird es immer knapper, die Probezeiten werden weniger und da braucht man mittlerweile Scheinwerfer, die man nur noch programmieren muss, um einzuleuchten. „Wir hätten gar nicht mehr die Zeit, alles herunterzufahren und einzubauen.“
Sehgewohnheiten haben sich auch im Theater verändert
Lübbe sieht sein Haus nun auch noch umfangreicher für die Erwartungen eine jungen Publikums gerüstet. „Die Sehgewohnheiten haben sich wirklich in den letzten Jahrzehnten extrem verändert. Die technischen Möglichkeiten natürlich auch: Beleuchtung, Video, Ton, das ist schon was ganz anderes als vor 20 Jahren.“
Er beobachtet, dass immer mehr junge Leute die direkte Erfahrung, die ein Theaterbesuch bietet, für sich entdecken. „Die sagen: Mensch, da sind ja wirklich Leute auf der Bühne. Die spielen das wirklich jeden Abend, das ist ja unglaublich.“ Ein wenig Zeit wird es wohl brauchen, bis die neue Bühnentechnik reibungslos funktioniert. „Kinderkrankheiten werden wir schon erleben“, meint Lübbe. „Da muss man Nerven bewahren. Aber die haben wir.“