„Die Zustände sind für die Leute untragbar geworden“, schimpft Errol Yazgac, Sprecher der Fahrgastvereinigung Pro Bahn in Schwaben. Mal kommen Züge gar nicht, mal zu spät, dann haben sie wieder zu wenig Wagen. Am Bahnhof in Mering, das ist der letzte große schwäbische Pendlerbahnhof vor München, potenzieren sich die Probleme der Pendlerzüge aus West- und Nordschwaben. Auslöser sind laut Pro Bahn die Baustellen auf den Gleisen, zudem habe das Unternehmen Arverio, welches die blauen Regionalzüge betreibt, stellenweise mit Personalmangel zu kämpfen.
In den Herbstferien haben Bauarbeiten für die zweite S-Bahn-Stammstrecke das Problem verschärft. Weil S-Bahnen nicht fuhren, nutzen Fahrgäste die Regionalzüge, die zum Teil völlig überfüllt waren und Leute am Bahnsteig stehen ließen. Norbert Moy von Pro Bahn in München spricht von einer „Woche der Zumutungen“ und „katastrophalen Zuständen, die sich nicht wiederholen dürfen“. Doch im Gegenteil: Erst diesen Freitag meldete die Deutsche Bahn, dass „eine anhaltende Signalstörung bei Laim“ derzeit den S-Bahn-Verkehr beeinträchtigt. Zwischen Pasing und Laim fahren weit weniger Bahnen als sonst – voraussichtlich noch bis Ende November.
Im Advent sind weitere Sperrungen der S-Bahn nötig
Fahrgastvertreter Moy fordert bei künftigen Sperrungen der S-Bahn-Stammstrecke „ein Gesamtkonzept für einen Ersatzverkehr“. Die Probe aufs Exempel könnte bereits an den ersten beiden Adventswochenenden erfolgen, wenn weitere Sperrungen nötig sind. Die Bahn hat diesmal bessere Informationen für die Fahrgäste versprochen.
Das Milliardenbauvorhaben 2. Stammstrecke, mit dem das chronisch überlastete Münchner S-Bahn-Netz fit gemacht werden soll, wird den Nahverkehr noch weit bis ins nächste Jahrzehnt beschäftigen. Die Bahn spricht derzeit von einer Fertigstellung zwischen 2035 und 2037.

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Die Tiefbaustellen der 2. Münchner Stammstrecke, hier am Marienhof, werden noch Jahrzehnte bis zur Fertigstellung brauchen.
Foto: Marcus Merk
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Die Tiefbaustellen der 2. Münchner Stammstrecke, hier am Marienhof, werden noch Jahrzehnte bis zur Fertigstellung brauchen.
Foto: Marcus Merk
Trotz dieser Probleme sind Nahverkehrszüge bei den Bayern beliebt wie noch nie. Das geht aus Zahlen hervor, die das bayerische Verkehrsministerium veröffentlicht hat. Insgesamt zwölf Milliarden Personenkilometer und damit rund 16 Prozent mehr noch als im Jahr 2023 bedeuten ein Allzeithoch. Als dessen Treiber gilt das Deutschlandticket. „Die gestiegene Nachfrage ist nicht nur ein Bayern-Phänomen, sondern bundesweit feststellbar“, sagt der hiesige Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU), aktuell auch Vorsitzender der Verkehrsministerkonferenz. Er fordert vom Bund nun mehr Geld für Zugangebote. „Es wäre paradox, Milliardenbeträge für ein günstiges Ticket auszugeben, wenn dann zu wenig Geld für die Züge bereitsteht.“
Bärbel Fuchs, Geschäftsführerin der Bayerischen Eisenbahngesellschaft, die in Bayern den Schienen-Nahverkehr organisiert, gibt zu: „Wir sind von der Wucht der Fahrgastnachfrage durchaus etwas überrascht, denn das ist diametral im Gegensatz zur Entwicklung bei der Qualität, die ja zuletzt immer mehr unter der maroden Infrastruktur und den vielen Baustellen gelitten hat.“
Minister nennt Sanierungsprogramm für Gleise „bitter nötig“
Bei den Personenkilometern handelt es sich um die Summe aller Wegstrecken, die von den Fahrgästen im vergangenen Jahr zurückgelegt worden sind. In den Regionalzügen gab es einen Zuwachs von 15 Prozent, im Bereich der Münchner S-Bahn waren es gut vier Prozent mehr.
Die Fahrgäste dürften auch in den kommenden Jahren mit zahlreichen Bahn-Baustellen konfrontiert sein. Erst Ende Oktober hat die Bahntochter InfraGo ein zusätzliches Sanierungsprogramm angekündigt, das Verkehrsminister Bernreiter als „bitter nötig“ bezeichnet. Für rund vier Milliarden Euro sollen kommendes Jahr etwa 500 Kilometer Gleise und mehr als 200 Weichen erneuert werden. Schwerpunkt der zusätzlichen Arbeiten: die Münchner S-Bahn und das Allgäu.
„Man muss einzelne Baustellen besser aufeinander abstimmen.“
Errol Yazgac, Fahrgastverband Pro Bahn
Beim Fahrgastverband Pro Bahn hofft man, dass die InfraGo aus den bisherigen schlechten Erfahrungen gelernt hat. Man müsse einzelne Baustellen besser aufeinander abstimmen, sagt Schwaben-Sprecher Yazgac. Gehör gefunden habe man damit bisher nicht. „Man hat das Gefühl, es wird immer schlimmer.“
Bus und Bahn sind in der Landeshauptstadt, die von mehr als einer halben Million Berufspendlerinnen und -pendlern täglich angesteuert wird, das bevorzugte Verkehrsmittel. Laut einer neuen Erhebung des Landesamtes für Statistik fahren 44 Prozent der Menschen mit den „Öffis“ zur Arbeit. Auf Gesamtbayern mit seinen 4,6 Millionen Pendlern bezogen sieht es dagegen anders aus: Von ihnen fahren zwei Drittel mit dem Auto. In Augsburg liegt der Anteil der PKW-Pendler bei 49 Prozent.


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Christoph Frey
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