Unter anderen Dan-Axel Zagadou (Mi.) und Leonidas Stergiou (re.) verstärkten in dieser Saison schon den VfB II in der dritten Liga. Foto: imago/foto2press
Der VfB II hat in der dritten Liga bereits acht Spieler aus dem Profikader eingesetzt. Eine Abkehr der Ursprungs-Philosophie? Der VfB-Nachwuchschef begründet die spezielle Situation.
Was haben Justin Diehl, Dan-Axel-Zagadou, Ameen Al-Dakhil, Leonidas Stergiou, Yannik Keitel, Nikolas Nartey, Noah Darvich und Stefan Drljaca gemein? Klar, sie sind alle Spieler des VfB Stuttgart. Und sie gehören allesamt dem Profikader an. Eine Besonderheit kommt bei dieser Auflistung hinzu: Sie alle sind in dieser Spielzeit schon für die Zweitvertretung in der dritten Liga aufgelaufen. Die einen mehr, die anderen weniger.
Der Fast-Absteiger der Vorsaison steht top da
Das Spiel am vergangenen Sonntag gegen Alemannia Aachen fiel diesbezüglich aus dem Muster. Beim 1:3 stand in Noah Darvich nur ein Spieler auf dem Platz, der nominell dem Profikader zugeordnet ist. Was nichts daran ändert, dass in dieser Saison auffällig viele Lizenzspieler das Team von Trainer Nico Willig verstärken – jedenfalls deutlich mehr als in zurückliegenden Regionalliga-Zeiten. Und was sicher mit ein Grund dafür ist, warum der letztjährige Fast-Absteiger nach 14 Spieltagen mehr als beachtlich dasteht: Platz neun, knapp hinter dem Nachwuchs der TSG Hoffenheim. Der VfB und die Kraichgauer sind aktuell als einzige Profivereine mit ihren Zweitteams in der dritten Liga vertreten.
In dieser Saison kamen bereits acht Profis für den VfB II zum Einsatz
Dass beim VfB II – anders als in Hoffenheim – bereits vor Ablauf der Hinrunde acht Profis zum Einsatz kamen, ist zumindest ungewöhnlich. Und VfB-untypisch. Der Club aus Cannstatt, noch immer A-Jugend-Rekordmeister, hat seine U21 seit jeher als klassische Talentschmiede begriffen. Und das in der jüngeren Vergangenheit meist auch so praktiziert. Was also sind die Gründe für die zumindest Teilweise-Abkehr des Grundkonzepts?
„Das liegt zu einem guten Teil an der Zahl der rekonvaleszenten Spielern bei unseren Profis“, sagt Stephan Hildebrandt, der Leiter der Nachwuchsabteilung beim Fußball-Bundesligisten. Er spricht von einer aktuell „besonderen Situation“. Diehl, Zagadou, Stergiou, Al-Dakhil, Nartey – sie alle kamen aus teils längeren Verletzungspausen und sollten über die dritte Liga wieder an den Profibetrieb herangeführt werden. Was bislang ja auch gut geklappt hat. Hildebrandt benennt den „klaren Auftrag“ des Vereins, diesen Spielern auf diesem Weg Spielpraxis im Nachwuchsteam zu ermöglichen.
VfB-Nachwuchschef Stephan Hildebrandt Foto: Baumann
Auch wenn dies ein Stück weit im Widerspruch zur Ursprungsphilosophie der U21 erscheinen mag: Denn Vorrangig soll die Zweitvertretung als Sprungbrett für Talente in den Profibereich dienen. Andererseits thront der Profibereich – wozu auch die Wiederheranführung Rekonvaleszenter zählt – über allem. Was wiederum nicht jedem im NLZ-Bereich immer gefällt.
Ein schwieriger Spagat. Beides bestmöglich zu vereinen, ist die Aufgabe von Trainer Willig. Dazu folgende Zahlen: Im bisherigen Saisonverlauf beläuft sich die Zahl der Einsatzminuten von den Profis in der zweiten Mannschaft auf elf Prozent. Über die gesamte Vorsaison waren es fünf Prozent.
Im Sommer unternahmen etliche Topspieler des Drittligateams den nächsten Sprung per Leihe zu anderen Vereinen, unter anderen Dennis Seimen, Laurin Ulrich, Benny Boakye oder Jarzinho Malanga. Wie bereits im vergangenen Jahr konnte der VfB bei der Zusammenstellung seines Drittliga-Kaders auf die Talente aus der U19 bauen. „Das Heranführen ganz junger Talente aus der eigenen Nachwuchsarbeit an die Anforderungen in dieser Spielklasse ist eine riesige Herausforderung“, wie Hildebrandt meint. Dafür kommen die Spieler der Jahrgänge 2006 und 2007 auf beachtliche 40 Prozent Einsatzzeit. „Auch in diesem Punkt macht Nico Willig, der viele Dinge unter einen Hut bringen muss, einen hervorragenden Job“, so Hildebrandt. Der VfB II stellt die jüngste Mannschaft der untersten deutschen Profiliga.
Deren Erhalt für den VfB zwar wichtig sei, aber nicht über allem stehen darf, wie Hildebrandt betont. „Im Zentrum unserer Bemühungen stehen immer das einzelne Talent und seine bestmögliche Förderung. Wir werden eben auch gerade diejenigen zum Einsatz bringen, deren Entwicklungspotenzial hoch, aber deren Handlungsstabilität und die Spielwirksamkeit möglicherweise noch nicht so ausgeprägt sind. Das kann mitunter auch die Ergebnisseite belasten“, sagt der 52-Jährige, der das Amt in Bad Cannstatt seit zwei Jahren ausführt. Er unterstreicht: „Die Dritte Liga ist ein unheimlich wertvolles Ausbildungsinstrument. Aber die Spielklasse ist für die Spieler da und nicht umgekehrt. Die Sorge um den Klassenerhalt wird nicht dazu führen, dass wir zu Gunsten von sogenannten Korsettstangen und arrivierten Spielern die Einsatzzeiten unserer Top-Talente runterfahren.“
Alter Konflikt zwischen Traditionsvereinen und zweiten Mannschaften
Nun werden solcherlei Aussagen in der dritten und vierten Liga von Vertretern klassischer (Traditions-) Vereine oft misstrauisch aufgenommen. Gerade wenn wie im Falle des VfB eben auch viel Verstärkung von oben kommt. Stichwort Wettbewerbsverzerrung. Speziell in den Regionalligen wird häufig Unmut über das Mitmischen von Zweitvertretung inklusive Profis laut. Manche Vereine setzen erstligaerprobte Spieler bewusst als Verstärkung ein, andere wie Eintracht Frankfurt oder Werder Bremen verzichteten in der Vergangenheit mehr oder weniger konsequent.
Für den VfB gelte, so Hildebrandt, dass der Anteil derer, die wir mit Hinblick auf den Profibereich ausbilden, die meiste Spielzeit in der dritten Liga bekommen müssten. Da steht in dieser Saison in puncto Einsatzminuten bei den Profis noch die Null. Doch das ist ein anderes Thema.