Die StudyHall in Leipzig-Grünau hatte am 6. November zum letzten Mal für Jugendliche geöffnet. Viele von ihnen nutzten diesen Tag, um sich persönlich von ihrem vertrauten Lernort und dem Team vor Ort zu verabschieden. Gemeinsam wurden frische Waffeln gebacken, es gab Raum für Gespräche und Rückmeldungen. Am Abend kamen noch einmal zahlreiche Jugendliche in der StudyHall zusammen, um bei Pizza und Limo den feierlichen Abschluss zu begehen.
Direkt in derselben Woche öffnete auch der neue Lerntreff „SKILL UP!“ erstmals seine Türen. Das Team der StudyHall begleitete den Übergang eng und bot Führungen zwischen beiden Lernorten an. Am 12. November, dem zweiten Öffnungstag von SKILL UP!, waren wir vor Ort. Der Lerntreff war gut besucht, und mehrere Jugendliche aus der StudyHall hatten bereits den Weg dorthin gefunden.
Das SKILL UP! befindet sich in der Alten Salzstraße 54, einer Ladenzeile auf Höhe der S-Bahn-Station „Grünauer Allee“. Der offene Lerntreff wird vom HEIZHAUS Leipzig betrieben und ist zunächst von Anfang November bis Mitte Dezember jeweils mittwochs von 15.30 – 18.30 Uhr geöffnet. Für die Gespräche mit den Mitarbeitenden vor Ort haben wir die Du-Anrede vereinbart.
Innenansicht des SKILL UP! Foto: Thomas Köhler
An diesem Tag trafen wir unter anderem Saskia Helm, sie ist Kindheitspädagogin und leitet den Lerntreff.
Hallo Saskia, sag uns bitte ein paar Worte zu Deiner Person.
Ich bin Saskia Helm. Ich bin seit 1.9.2025 hier am Heizhaus als Projektleitung vom Projekt „SELBST.BEWUSST“, das ist ein Teilprojekt vom Arbeitsbereich „Übergang Schule – Beruf“. Und ich habe den Lerntreff hier kurzfristig übernommen.
SKILL UP! ist ja nicht der Nachfolger der StudyHall, ist aber gegründet worden, weil der Lerntreff StudyHall geschlossen wurde. Wie kam das zu der Entscheidung vom Heizhaus?
Ich habe Laurine Lutter, als Mitarbeiterin der StudyHall, bei einem Netzwerktreffen kennengelernt. Dort berichtete sie, dass die StudyHall schließen muss und sie irgendwie schauen möchte, dass die Kids eine Anbindung für die Nachfolgezeit finden. Ich habe gleich geschaltet und überlegt, ob wir das vielleicht hier am Heizhaus realisieren können.
Zum Teil passte das einfach von den Inhalten her gut in mein Projekt und ich dachte dann vielleicht können wir es darüber auch irgendwie teilfinanzieren. So ist diese Idee dann entstanden. Ich habe Laurine kontaktiert, habe ihr das vorgeschlagen und bin auch mit dem Heizhaus direkt ins Gespräch gegangen. Dann ging alles ganz schnell, innerhalb von zwei Wochen haben wir dann das hier auf die Beine gestellt.
Respekt, das Objekt ist ja ein altes Ladengeschäft, welches jahrelang leerstand. Ihr habt das innerhalb von zwei Wochen entrümpelt, gereinigt, ein paar notwendige Sachen reingestellt, es ist noch nicht ganz komplett, aber die Kids können schon kommen?
Die Ladenzeile wurde uns vom Heizhaus zur Verfügung gestellt, der Vermieter, die Leipziger Wohnungs- und Baugesellschaft mbH (LWB), hat gesagt, das ist hier ein Leerstand und bevor es gar nicht genutzt wird, vielleicht könnt ihr vom Heizhaus das nutzen. Das war dann so für mich die zündende Idee zu sagen, das hier ist der „perfekte Raum“.
Hier ist Platz und wenn wir den hier schön herrichten, dann können die Jugendlichen hier gut arbeiten. So ist das auch passiert, wir haben in Teamarbeit diesen Raum hergerichtet, haben aus dem ganzen Heizhauskosmos Dinge zusammengesammelt, haben auch Spenden gesammelt, damit die Kids hier ordentlich lernen können.
Das Projekt wird also vom Heizhaus finanziert?
Das Heizhaus ist der Träger, mein Projekt „SELBST.BEWUSST“ ist ja dort beheimatet. Mein Projekt wird von der Dohle Stiftung finanziert.
Ich sehe hier zwei Laptops, kein Vergleich mit der Ausstattung der StudyHall. Ihr werdet natürlich daran interessiert sein, Euer Equipment aufzustocken. Da sind wahrscheinlich Spenden gerne gesehen?
Die zwei Laptops haben wir aus Mitteln der Dohle Stiftung organisiert, damit die Jugendlichen erstmal überhaupt irgendwas haben zum Arbeiten. Wir freuen uns natürlich in erster Linie, wenn die Jugendlichen dieses Angebot nutzen. Das ist unser Hauptanliegen. Natürlich freuen wir uns auch, wenn Leute uns finanziell unterstützen, damit das einfach bei den Jugendlichen ankommt und die bestmöglichen Gegebenheiten haben, um vernünftig zu lernen.
Ihr seid letzte Woche gestartet, das Projekt ist aber leider zeitbegrenzt.
Das Projekt ist zeitbegrenzt, es ist ein unheimlicher finanzieller Aufwand. Meine ganz tollen Lernbegleiter/-innen möchten finanziert werden, die Räumlichkeiten müssen finanziert werden, meine Tätigkeit muss finanziert werden und alles an Einrichtungen und Material auch. Es gibt noch keine Option, dieses Projekt dauerhaft beizubehalten. Es ist nur ein kleiner Teil meines Projektes, aber es hat einen großen zeitlichen Aufwand, den ich mit meiner Arbeitszeit nicht abdecken kann, was sehr, sehr schade ist.
Das bedauern wir auch sehr, wir haben ja gemerkt, dass die StudyHall ein Angebot war, welches von den Jugendlichen sehr angefragt wurde. Das war ein Projekt, welches Montag bis Donnerstag zur Verfügung stand. Ich bin jetzt mit diesem Angebot hier einmal in der Woche und das auch nur bis Mitte Dezember. Das ist natürlich keine dauerhafte Lösung für die Jugendlichen. Die brauchen eine viel engmaschigere Unterstützung.
Es ist erst mal ein Angebot. Gibt es überhaupt eine Option, das danach weiterzuführen?
Das hängt am Geld und leider auch am Personal. Mit den jetzigen Gegebenheiten ist leider nicht mehr realisierbar.
Vielen Dank Saskia.
Innenansicht des SKILL UP! Foto: Thomas Köhler
Das „SKILL UP!“ ist derzeit nur ein zeitlich begrenzter Lerntreff für Kinder und Jugendliche. Für die Übergangszeit nach der Schließung der StudyHall ist es jedoch ein wichtiger Anlaufpunkt. Wir hatten bereits berichtet, dass perspektivisch ein weiterführendes Angebot entstehen könnte. Dazu sprachen wir mit Laurine Lutter. Sie ist Mitarbeiterin der StudyHall und arbeitet derzeit nebenbei gemeinsam mit Katharina Wirtz und Josua Kruscha im SKILL UP!
Laurine, Du bringst viel Erfahrung aus der StudyHall mit. Was macht ihr hier genau?
Wir führen im Grunde das Basisprogramm der StudyHall weiter: Wir bieten Hausaufgabenhilfe und individuelle Lernbegleitung an. Uns ist wichtig, einen Ort zu schaffen, an dem Jugendliche verlässlich technische Ausstattung haben, sich für Gruppenarbeiten treffen können und Unterstützung bei schulischen Aufgaben finden. S
ie können hier jederzeit Fragen stellen, gemeinsam lernen und die Materialien nutzen, die wir vor Ort bereithalten. Ziel ist ein niedrigschwelliges, offenes Lernangebot, das die Jugendlichen in ihrem schulischen Alltag stärkt.
Die Lage des „SKILL UP!“ ist nicht so optimal, wie die der Study Hall war. Die war sehr zentral gelegen, im Allee-Center. Die Kids müssen das finden, sich damit vertraut machen und dann endet das Ganze schon wieder Mitte Dezember. Kannst Du schon etwas dazu sagen, ob es ein dauerhaftes neues Projekt gibt?
Es gibt bereits sehr konkrete Überlegungen und Planungen dazu. Wir haben ein umfassendes Konzept für ein neues Lernprojekt erarbeitet, das in Umfang und Qualität an die StudyHall anknüpft – also mit regelmäßigen Öffnungstagen, verlässlichem Personal, guter technischer Ausstattung und geeigneten Räumlichkeiten. Gemeinsam mit dem LeMo e.V. als zukünftigem Träger haben wir eine detaillierte Finanzierungs- und Umsetzungsplanung erstellt und entsprechende Förderanträge eingereicht.
Die zentral gelegene „Alte Post“, die derzeit saniert wird, ist dabei ein möglicher zukünftiger Standort. Im Erdgeschoss sollen offene Begegnungsräume für das Quartier entstehen, und dort könnte auch das neue Lernprojekt zukünftig verankert werden. Jetzt heißt es vor allem, die Förderentscheidungen abzuwarten.
Ihr seid jetzt zu dritt, aus dem Team der StudyHall, hier aktiv?
Ja, wir sind aktuell zu dritt aus dem Team der StudyHall hier im SKILL UP! aktiv, um den Übergang für die Jugendlichen möglichst gut zu gestalten. Uns war wichtig, ihnen am letzten Öffnungstag nicht einfach nur sagen zu müssen: „Wir schließen – und damit endet alles.“
Durch SKILL UP! konnten wir ihnen stattdessen anbieten: „Wir schließen hier, aber ihr findet uns noch für einige Wochen an einem anderen Ort.“ So schaffen wir eine Alternative, den Jugendlichen noch etwas Halt und Orientierung gibt und ihnen zeigt, dass wir sie in dieser Phase nicht allein lassen. Natürlich hoffen wir, dass das Angebot genutzt wird und sich daraus möglicherweise auch eine Perspektive für das kommende Jahr entwickeln kann.
Wie ist die Schließung der Study Hall von den Kids aufgenommen worden?
Das Ende der StudyHall hat viele Jugendliche schon lange vorher beschäftigt. Das StudyHall-Team hat das Projektende frühzeitig angekündigt und pädagogisch begleitet. In den Monaten davor – und auch am letzten Tag – gab es ganz unterschiedliche Gefühle: Wut, Frustration, Enttäuschung. Die Jugendliche waren auch unsicher, wohin sie diese Emotionen überhaupt adressieren können.
Vielen Kindern und Jugendlichen fehlt in unserer Gesellschaft schlicht ein Sprachrohr – Orte, an denen ihre Perspektiven ernst genommen werden und an denen Menschen sich wirklich für sie starkmachen. In der StudyHall haben wir die Jugendlichen im Schließungsprozess unterstützt: ihnen zugehört, ihre Gefühle ernstgenommen und sie immer wieder ermutigt, Ungerechtigkeiten zu benennen und auszusprechen, was sie bewegt. Am letzten Tag haben einige Kids gefragt: „Warum feiern wir eigentlich? Es ist doch ein trauriger Tag.“
Als StudyHall-Team wollten wir diesen letzten Tag nutzen, um die gemeinsame Zeit wertzuschätzen, uns bewusst zu verabschieden und den Jugendlichen noch einmal etwas Gutes zu tun. Durch die Mitwirkung bei SKILL UP! können wir ihnen jetzt zeigen, dass wir weiterhin versuchen werden, uns für ihre Anliegen einzusetzen – auch wenn das in der StudyHall so nicht mehr möglich ist.
Es wäre also auch ein Auftrag für die politischen Vertretungen, wie das Jugendparlament der Stadt, ein solches Sprachrohr zu sein?
Ja, absolut. Politische Vertretungen wie das Jugendparlament können wichtige Sprachrohre für Kinder und Jugendliche sein – vorausgesetzt, sie bleiben nah dran an deren Lebensrealitäten. Gleichzeitig dürfen wir nicht vergessen, dass auch viele andere Menschen diese Rolle täglich ausfüllen: pädagogische Fachkräfte, Sozialarbeitende und die Projekte im Stadtteil, die unmittelbar mit den Jugendlichen arbeiten und sehr genau sehen, womit junge Menschen ringen und was sie brauchen.
Erst wenn all diese Perspektiven zusammenkommen, kann ein vollständiges Bild davon entstehen, was junge Menschen wirklich bewegt. Ich wünsche mir, dass wir in Leipzig diese Stimmen hören und ernst nehmen – und gemeinsam Strukturen schaffen, die Kindern und Jugendlichen dauerhaft zugutekommen. Dafür braucht es politische Rückendeckung, verlässliche Förderung und Menschen, die bereit sind, diese Entwicklungen aktiv zu begleiten.
Kurz gesagt: Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft müssen gemeinsam Verantwortung übernehmen, damit Orte für junge Menschen nicht nur entstehen, sondern auch bleiben.
Laurine, ich danke Dir für das Gespräch.
Plakat im Schaufenster des SKILL UP! Foto: Thomas Köhler
Das SKILL UP! hat seine Arbeit aufgenommen, die Mitarbeitenden sind hoch motiviert, aber es ist leider noch kein vollwertiger Ersatz für die Study Hall. Nach unserem Gespräch kamen auch die ersten Jugendlichen, die das Angebot nutzen, es läuft also tatsächlich an. Die Mitarbeitenden und die Jugendlichen hoffen, dass es bald eine dauerhafte Lösung für Grünau geben wird.
SKILL UP! Öffnungszeiten: Mittwoch 15.30 – 18.30 Uhr, Ladenzeile Alte Salzstraße 54, 04209 Leipzig-Grünau / nächste Termine: 26.11., 03.12. und 10.12.