Es ist der massivste Aufmarsch des US-Militärs in Lateinamerika seit der Invasion Panamas 1989. Damals stürzten die USA den Autokraten Manuel Noriega, nun haben sie es auf Venezuelas Diktator Nicolás Maduro abgesehen.

Der größte Kriegsschiffverband der Welt operiert nun in der Karibik, im Luftraum sind US-Bomber unterwegs, und mit den 10.000 regulären US-Soldaten hat Washington auch Spezialeinheiten für Landungsoperationen entsandt. Auf 80 Prozent schätzt James Story, ehemaliger US-Botschafter in Caracas, die Wahrscheinlichkeit eines Militärschlags.

Am Donnerstag machte US-Kriegsminister Pete Hegseth den Namen der Operation bekannt: „Südlicher Speer“. Sie diene der Verfolgung von „Narco-Terroristen und der Sicherung unseres Landes vor den Drogen, die unsere Bevölkerung töten“, schrieb er auf „X“. Mit derselben Begründung versenkt das US-Militär seit Wochen angebliche Drogenschmugglerboote und hat mindestens 80 Menschen getötet.

Philipp Lichterbeck berichtet für den Tagesspiegel aus Brasilien. Er wohnt seit Ende 2012 in Rio de Janeiro.

Der Haken an der Sache: Aus Venezuela stammt kein Kokain – es wird in Kolumbien, Peru und Bolivien hergestellt. Das synthetische Opioid Fentanyl wiederum wird in Mexiko mit Chemikalien aus China produziert. Die allermeisten Drogen gelangen auch nicht von Venezuela durch die Karibik in die USA, sondern über den Pazifik und durch Mexiko.

Anders als von den USA behauptet, existieren in Venezuela keine Drogenkartelle, die vergleichbar mit denen anderer Länder wären. Experten zufolge regulieren jedoch venezolanische Militärs mit Maduros Segen den Drogenhandel und profitieren finanziell davon.

Venezuelas Diktator Nicolás Maduro regiert seit 2013.

© IMAGO/Anadolu Agency/IMAGO/Pedro Mattey

„Der Kampf gegen den Narco-Terrorismus ist ein Vorwand, um das Regime von Nicolás Maduro zu stürzen“, sagt Elias Ferrer, Gründer der auf Venezuela spezialisierten Beraterfirma Orinoco Research aus Caracas.

Es solle zumindest so unter Druck gesetzt werden, dass Maduro freiwillig gehe und Venezuela sich wirtschaftlich wieder den USA öffne. Vorstellbar seien gezielte Schläge gegen die militärische Infrastruktur und Führungsfiguren des Regimes.

Elias Ferrer ist Gründer der auf Venezuela spezialisierten Beraterfirma Orinoco Research aus Caracas.

Maduro regiert Venezuela seit 2013 und hat mit Unterstützung aus Russland, China, Iran und Kuba eine Diktatur errichtet, die das Land ökonomisch und sozial ruiniert hat. Von den rund 30 Millionen Venezolanern haben laut UN fast acht Millionen das Land verlassen: ein Exodus.

„Die meisten Venezolaner wünschen sich ein Ende Maduros“, sagt Ferrer. Aber es sei zu befürchten, dass das Land dann plötzlich führungslos sei und im Chaos versinke. Insbesondere in abgelegenen Regionen könnten bewaffnete Gruppen die Kontrolle übernehmen.

US-Angriff auf mutmaßliches Drogenboot „Nach allem, was wir wissen, waren das außergerichtliche Hinrichtungen“

Die Furcht vor einer chaotischen Situation in Venezuela herrscht auch in anderen Ländern Lateinamerikas. „Ein instabiles Venezuela wäre besonders schlecht für Kolumbien“, sagt Ferrer.

Erstens habe das Nachbarland bereits Millionen von Flüchtlingen aufgenommen. Zweitens hätten kolumbianische Guerillagruppen und Mafias in Venezuela dann noch bessere Rückzugsräume. Operation „Südlicher Speer“ ist für Ferrer daher auch als Warnung der USA an Kolumbiens linken Präsidenten, Gustavo Petro, zu verstehen.

Ebenso lehnt Brasilien, Venezuelas südlicher Nachbar, die aggressive Einmischung der USA strikt ab. „Brasilien ist historisch gegen jeden ,Regime Change’ von außen“, sagt der brasilianische Politikwissenschaftler Guilherme Casarões von der Florida International University.

Guilherme Casarões ist Politikwissenschaftler der Florida International University.

Für Präsident Lula da Silva sei die Souveränität Lateinamerikas nicht verhandelbar – insbesondere auch wegen der Erfahrung der Diktaturen in der Region, die einst von Washington unterstützt wurden.

Damit widerspricht Lula der Erklärung von Pete Hegseth, wonach die USA „ihre Nachbarschaft schützen“ müssten. Hegseths Formulierung knüpft an die Monroe-Doktrin von 1823 sowie die „Big Stick“-Politik der USA Anfang des 20. Jahrhunderts an. Beiden zufolge gehört der gesamte amerikanische Kontinent zur US-Einflusszone, die auch militärisch verteidigt werden müsse.

Die Region ist gespaltener denn je

„Brasília ist auch tief beunruhigt über den Trend, kriminelle Gruppen zu Terroristen hochzustufen“, sagt Casarões. So haben die rechten Regierungen Argentiniens und Paraguays gerade erst die brasilianischen Mafia-Organisationen Comando Vermelho (CV) und Primeiro Comando da Capital (PCC) zu Terrorgruppen erklärt. „Dies könnte den USA militärische Handlungsspielräume an Brasiliens Grenzen eröffnen“, sagt Casarões.

Es ist Lateinamerikas Schwäche (und zu Trumps Vorteil), dass es nicht mit einer Stimme spricht. Die Region ist gespaltener denn je. Während die linken Regierungen in Chile, Kolumbien, Brasilien und Mexiko den US-Aufmarsch kategorisch ablehnen, sind in Argentinien, Paraguay, Ecuador und El Salvador rechte Trumpisten an der Macht.

Brasiliens Präsident Lula da Silva hat sich bereits mehrfach mit Donald Trump angelegt.

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„Es wird keine gemeinsame diplomatische Erklärung von Lula und Argentiniens Präsident Javier Milei geben“, sagt Casarões. Ebenso wenig sei dies mit Ecuadors Präsident Daniel Noboa zu machen, der seine Unterstützung für den US-Militäraufmarsch erklärt hat. Der starke Mann El Salvadors, Nayib Bukele, hat den USA wiederum eine Luftwaffenbasis zur Verfügung gestellt.

In Mexiko dürfte man die Entwicklung genau beobachten. Noch Anfang des Jahres hatte Trump angekündigt, die mexikanischen Drogenkartelle militärisch zu zerschlagen.

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Aber diese sind heute diversifizierte und mächtige kriminelle Organisationen, die ganze Regionen beherrschen und den Staat infiltriert haben. Wohl auch daher dürfte Trump sich ein einfacheres Ziel gesucht haben: das schwächelnde Maduro-Regime.