Kinder werden immer wieder instrumentalisiert, um queere Menschen zu diskriminieren und Fortschritte bei LGBTIQ+-Rechten zu verhindern. Aktuell kursiert in sozialen Netzwerken und auf rechten Blogs die Behauptung, Kinder könnten sich in der Europäischen Union künftig unabhängig von ihrem Alter ihr Geschlecht frei aussuchen. Ärzte oder Eltern müssten dabei nicht einbezogen werden. Außerdem drohten EU-Mitgliedstaaten Sanktionen, wenn sie diese Regelung nicht umsetzen. Stimmt das?
Bewertung
Das stimmt nicht. Die EU-Strategie ist eine Empfehlung, kein Gesetz. Kinder dürfen sich ihr Geschlecht nicht frei aussuchen, und Mitgliedstaaten müssen keine Sanktionen befürchten, wenn sie die Strategie nicht umsetzen.
Fakten
Am 5. Oktober 2025 hat die Europäische Kommission die Gleichstellungsstrategie für die Jahre 2026 bis 2030 vorgestellt.
Sie soll als Leitfaden für den Schutz und die Förderung von lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans-, inter- und queeren Menschen (LGBTIQ+) dienen.
Verfahren der Geschlechtsanerkennung soll geprüft werden
Der Abschnitt, in dem es um Altersbeschränkungen geht, wurde fehlinterpretiert. Tatsächlich heißt es: „Die Kommission wird den
Austausch bewährter Verfahren zwischen den Mitgliedstaaten erleichtern, um die Entwicklung von Verfahren zur rechtlichen Anerkennung der Geschlechtsidentität zu unterstützen, die auf Selbstbestimmung beruhen und frei von Altersbeschränkungen sind.“
Das bedeutet: Die Kommission will Verfahren fördern, die auf Selbstbestimmung basieren und bei denen Altersbeschränkungen nicht automatisch eine Hürde darstellen. Kinder werden dabei jedoch nicht ausdrücklich erwähnt.
Inhaltlich bezieht sich die Kommission auf Empfehlungen des Europarats, der bereits seit mehreren Jahren fordert, dass Verfahren zur Geschlechtsanerkennung nicht pauschal von Altersgrenzen abhängen sollen. Stattdessen sollen Staaten prüfen, ob eine starre Altersgrenze von 18 Jahren gerechtfertigt ist oder ob ein flexiblerer Ansatz – etwa unter Einbeziehung von Eltern und Ärzten oder Gerichten – geeigneter wäre. Es geht nicht darum, Altersgrenzen verpflichtend abzuschaffen. Ebenso gibt die Strategie über das Wort „Selbstbestimmung“ hinaus keinen Hinweis darauf, dass Eltern oder medizinisches Fachpersonal von solchen Verfahren ausgeschlossen werden sollen.
Dokument ist rechtlich unverbindlich
Die Strategie der Europäischen Kommission ist eine Empfehlung, kein Gesetz. Die EU besitzt keine Gesetzgebungskompetenz im Familienrecht und darf daher keine einheitlichen Altersgrenzen oder Regelungen zur Geschlechtsanerkennung für die Mitgliedstaaten festlegen. Mitgliedstaaten, die die Strategie nicht umsetzen, können nicht sanktioniert werden.
Ein solcher Strategievorschlag würde erst dann rechtsverbindlich, wenn er als Richtlinie oder Verordnung verabschiedet würde. Dazu wären der Europäische Rat und das Europäische Parlament nötig. Schließlich müsste die Richtlinie in nationales Gesetz in den Mitgliedsstaaten umgesetzt werden.
EU-Kommission legt Fokus bis 2030 fest
Die Strategie 2026-2023 konzentriert sich auf drei Hauptziele:
- Den Schutz von LGBTIQ+ vor Hass und schädlichen Praktiken.
- Die Stärkung von LGBTIQ+ durch die Gewährleistung des Zugangs zu Beschäftigung, Gesundheitswesen und Bildung.
- Das Engagement für LGBTIQ+ mittels Stärkung der Zusammenarbeit innerhalb der EU und weltweit.
Hasskriminalität gegenüber LGBTQ+ nimmt zu
Die EU-Kommission hebt in ihrem Bericht die Fortschritte der letzten Jahre hervor: LGBTIQ+-Personen erfahren in vielen Ländern zunehmende gesellschaftliche Akzeptanz und können häufiger offen mit ihrer Identität umgehen. Gleichzeitig weist die Kommission darauf hin, dass sich die Lage in einigen Bereichen verschlechtert hat. Diskriminierung und Gewalt gegenüber LGBTIQ+-Personen haben zugenommen – das bestätigt auch der Lagebericht des Bundeskriminalamts von 2024.
(Stand: 12.11.2025)
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