Wegen Totschlags hat das Landgericht Düsseldorf einen 24-Jährigen zu zwölf Jahren Haft verurteilt – trotz uneindeutiger Beweislage. Die Erste Große Strafkammer sieht es dennoch als erwiesen an, dass der junge Mann im März in der Innenstadt die tödlichen Schüsse auf das 49 Jahre alte Opfer abgegeben hatte. Der Getötete saß als Fahrgast in einem Uber-Wagen und erlag noch in dem Auto seinen Verletzungen.
Nur der 24-jährige Angeklagte könne der Todesschütze gewesen sein, so die Annahme des Gerichts. Die Kammer sei nach dem Ausschlussverfahren zu der Entscheidung gekommen, sagte der Vorsitzende Richter Rainer Drees.
Rekonstruktion des Motivs und der Tatnacht
Das Gericht geht von folgendem Szenario aus: Der 24-Jährige habe sich – auf Video festgehalten – zwei Tage vor der Tat mit dem Opfer, einem polizeibekannten Trickbetrüger, in einem Hotel getroffen. Dort sei er um 5000 Euro betrogen worden. Dieses Geld habe der Angeklagte zurückfordern wollen.
Darum sei er zusammen mit vier Familienmitgliedern – Bruder, Onkel, Mutter und deren Lebensgefährte – am 12. März nach Düsseldorf gefahren und habe vor dem Hotel auf den Trickbetrüger gewartet. Als der 49-Jährige auftauchte, sprang er in einen Wagen des Fahrdienstleisters Uber und versuchte zu flüchten. Der Angeklagte und einer der Begleiter sollen den Wagen verfolgt haben. Als das Auto an einer roten Ampel halten musste, soll der 24-Jährige vier Mal auf den Mann auf der Rückbank geschossen haben.
Der Angeklagte mit deutscher und türkischer Staatsangehörigkeit schwieg bis zuletzt zu den Vorwürfen. Sein Verteidiger forderte am Freitag den Freispruch. Es sei nicht eindeutig bewiesen, dass der 24-Jährige der Todesschütze sei. Sein Begleiter hingegen, der während des Prozesses als Zeuge gehört worden war, sei bei den Ermittlungen missachtet worden. Und das, obwohl die Beschreibung des Täters durch den Uber-Fahrer viel eher auf den Begleiter passe als auf den Angeklagten, so der Anwalt. Nach Aussage des 35-Jährigen war der Täter „klein, dick, hässlich und nur 1,50 Meter groß“. Der Angeklagte dagegen ist 1,80 Meter groß.
„Der Einzige, der behauptet, dass der Angeklagte der Täter sein soll, ist der Zeuge“, sagte der Verteidiger. Der 24-Jährige solle aufgrund „einer zweifelhaften Aussage“ für viele Jahre ins Gefängnis. „Das ist nicht gerecht.“
Durch Ausschlussprinzip identifiziert
„Die Verteidigung hat im Grundsatz recht“, sagte Richter Drees bei der Urteilsbegründung. Dennoch sei die Kammer zu dem Schluss gekommen, dass der 24-Jährige schuldig sei. In erster Linie aufgrund seiner Aussage, die er bei der Polizei getroffen hatte. Diese sei durch mehrere Beweise bestätigt worden. Zum einen durch das Video einer Überwachungskamera. Zwar sei der 24-Jährige dort nicht eindeutig zu erkennen, durch das Ausschlussprinzip sei er dennoch identifizierbar.
Die Mutter und die Schwester kämen aufgrund ihres Aussehens und der Kleidung nicht in Betracht. Der fragliche Zeuge sei hingegen eindeutig zu erkennen, könne aber nicht geschossen haben – das ließe sich durch die Splitter der zerschossenen Autoscheibe erklären. Die seien nämlich dort heruntergefallen, wo die unerkannte Person stand.
Blieben nur noch der Angeklagte und sein Bruder als mögliche Schützen, so der Richter. Aus Sicht des Gerichts hätte der Zeuge keinen Grund gehabt, den Angeklagten fälschlicherweise zu beschuldigen statt des Bruders. Darum gehe die Kammer davon aus, dass die Aussage belastbar sei – auch wenn der Zeuge in anderen Punkten offensichtlich gelogen habe.
Was noch für die Täterschaft spricht
Die Aussage des Uber-Fahrers hielt das Gericht für „undifferenziert“. Er habe den Zeugen gesehen, das sei auch plausibel, da der 24-Jährige weiter entfernt gestanden habe. Über die Schüsse sage das aber nichts aus.
Zum anderen sprächen Schmauchspuren an seiner Jacke für die Täterschaft, die Tatwaffe sei später in der Wohnung seines Onkels gefunden worden, mit seiner DNA daran. Zudem sei er wegen versuchten Totschlags vorbestraft. Eine solch schwere Gewalttat sei also „nicht persönlichkeitsfremd“, so der Richter.
Weil der Angeklagte hochgradig gefährlich sei, hatte die Staatsanwaltschaft zudem die Anordnung der Sicherungsverwahrung gefordert. Dem folgte das Gericht nicht und beließ es bei einer Sicherungsverwahrung unter Vorbehalt.