Im Stuttgarter Theaterhaus sind die Besten der Besten mit dem Deutschen Theaterpreis 2025 ausgezeichnet worden. Doch nun brechen harte Zeiten an.

Alles ist gut. Wenn im Lauf dieser rund dreistündigen Preisgala am Samstagabend zur Verleihung des Deutschen Theaterpreises im Stuttgarter Theaterhaus nach und nach die 36 diesjährig Nominierten vorgestellt werden, immer in kleinen, aber feinen Filmen mit Ausschnitten aus ihren jeweiligen Produktionen, dann kann man als Zuschauer immer wieder nur schnappatmen: Jesses, ist das gut.

Hannover, Dresden, Chemnitz: überall Spitzentheater

Man lernt: Es gab herausragendes Schauspiel am Staatstheater in Hannover und am Staatsschauspiel in Dresden; gewonnen hat dann die Regisseurin Jana Vetten, Heidelberg. Es gab herausragendes Musiktheater an der Deutschen Oper in Düsseldorf und am Musiktheater in Gelsenkirchen; gewonnen hat dann Dennis Krauß für das Theater Chemnitz. Es gab herausragendes „Theater für ein junges Publikum“ an der Staatsoper in Hamburg und am Schauspielhaus in Bochum; gewonnen hat schlussendlich Ceren Oran von der Schauburg in München.

Es gab Nominierte vom Berliner Ensemble und von den Uckermärkischen Bühnen in Schwedt, es gab Nominierte von der Hauptstadt-Schaubühne und vom E.T.A. Hoffmann Theater in Bamberg. Und auch, wenn den rund 1000 geladenen Gästen des Abends eben dies grundsätzlich schon vorher klar gewesen sein muss, weil sie allesamt entweder Intendanten, Dramaturgen, Kulturpolitiker, Regisseure, Journalisten oder die Nominierten selbst sind, also Insider – die wichtigsten Botschaft des gesamten Abends lautete: Die hiesige Theaterlandschaft ist eine international einmalige Schätzekarte.

Einmal im Jahr laden der Deutsche Bühnenverein, die Akademie für Darstellende Künste in Berlin und die Kulturstiftung der Länder zum Deutschen Theaterpreis, immer in ein anderes Theater von der Bühnenkarte. Zum 20. Geburtstag seiner Auszeichnung namens „Der Faust“ war man nun auf dem Stuttgarter Pragsattel gelandet, im Theaterhaus von Werner Schretzmeier, der gemeinsam mit seinem Team und den wunderbaren Akteuren der Familie Flöz eine ebenso festliche wie fluffige Preisgala bereitete.

Eine große Koalition der Kulturfreunde

Wobei für das Stuttgarter Theaterhaus gilt, was ja auch für die Häuser in Hannover oder Heidelberg gilt, in Schwedt oder Chemnitz, in Gelsenkirchen oder Halberstadt: Es sind nicht nur Orte möglichst großer Kunst, es sind Orte gesellschaftlichen Zusammenkommens und Miteinanders, Orte der Empathie und Auseinandersetzung, von Zeitansagen und Zukunftssuche. Carsten Brosda, der Hamburger SPD-Kultursenator und Präsident des Bühnenvereins, brachte das in seiner Begrüßung ebenso eloquent wie überzeugend zum Ausdruck; es gehe um die „Fülle von Perspektiven und Ausdrucksweisen, die unsere freie und offene Gesellschaft lebenswert machen“. Aber auch Kunstministerin Petra Olschowski (Grüne) und Kulturbürgermeister Fabian Mayer (CDU) machten für Land und Stadt Bella Figura, lobten die Theater als „Innovationsmotor“, verorteten die öffentlichen Kulturausgaben als nötiges „Risikokapital“ in die Zukunft der Gesellschaft.

Der Chef warnt vor Verlusten

Aber damit war bei aller Festfreude und allem Lobpreis auch die Schattenseite des diesjährigen Theatertreffens benannt. Getragen werden die Bühnen von Ländern und Kommunen, und insbesondere die Kommunen schlittern gerade in die größte Finanzkrise jüngerer Zeit. Die Wirtschaftskrise lässt die Einnahmen schrumpfen, die staatlichen Pflichtaufgaben wachsen dagegen an – es gibt nur wenige Schrauben, an denen in Ministerien und Rathäusern kurzfristig gedreht werden kann, um Entlastung zu schaffen, und die Kultur gehört dazu. Oder, um es mit den Worten Brosdas zu sagen, der ja gerade beides sein muss, Sparpolitiker einerseits, Interessenvertreter der Theater andererseits: „Wir müssen aufpassen, dass jetzt nichts kaputt geht.“

Fast wie in der Oscar-Nacht

Was danach folgte, machte aber alle Sorgen bis auf Weiteres vergessen, denn von nun an präsentierte Familie Flöz die diesjährigen Nominierten und sodann die Preisträger; Glück und Tränchen bei letzteren inklusive. Vom Berliner Ensemble kam gleich eine ganze Truppe in Stärke eines gemischten Chores auf die Bühne, die für den komplexen Medieneinsatz in der Produktion „RCE #RemoteCodeExecution“ mit einem „Faust“ ausgezeichnet wurde; der Auftritt erinnerte hübsch an die Abteilung „Special Effects“ in den Oscar-Nächten. Der Schauspieler Thomas Schmauser wurde als bester Darsteller ausgezeichnet für seine Rolle als Hendrik Höfgen im „Mephisto“ an den Münchner Kammerspielen – und auf der Bühne nach ein paar anfänglichen Faxen sehr ernst, als er meinte, es mache ihn nach den Vorstellungen immer ganz fertig, dass viele Zuschauer glaubten, man spiele da gar nicht nach der Romanvorlage von Klaus Mann aus dem Jahr 1936, sondern dieser Abend über einen Nazi-Kollaborateur sei ganz aktuell gedichtet.

Emotionaler Höhepunkt war aber zweifellos der Deutsche Theaterpreis für die Tänzerin Leroy Mokgatle vom Berliner Staatsballett, die für ihre Partie als Puck in Edward Clugs Choreografie „Ein Sommernachtstraum“ ausgezeichnet wurde. Mokgatle ist non-binär, nicht allein auf ein Geschlecht festgelegt – wobei die gebürtige Südafrikanerin selbst das Pronomen „sie“ für sich benutzt. Getanzt hat sie auch schon in männlichen Rollen, auch Preise gewonnen – und in Christian Spucks Kompanie nach längerer Suche ihren Platz gefunden, wofür sie strahlend schön und sichtlich bewegt dankte.

Sehr gute Stuttgarter Bilanz

Stuttgart kann im Übrigen hochzufrieden sein mit dem diesjährigen Theaterpreis: gleich drei der insgesamt 14 Auszeichnungen blieben direkt oder indirekt in der Landeshauptstadt. Die „beste Bühne“, die der aus Serbien stammende Nikola Knezevic für Florentina Holzingers Musiktheater „Sancta“ erdacht hat, entstand größtenteils hier in den Werkstätten der Staatstheater. Korbinian Schmidts „beste Kostüme“ waren in der Elfriede-Jelinek-Inszenierung „Sonne/Luft“ am Schauspiel Stuttgart zu erleben. Und der Ehrenpreis für Brigitte Dethier ehrt ja nicht nur die wegweisende Vorkämpferin für ein ästhetisch eigenständiges Kinder- und Jugendtheater. Sondern preist auch die Stadt Stuttgart, die zu Beginn des Jahrtausends Kraft und Mut genug hatte, unterm Tagblattturm ein ganz neues, eigenes Theater für ein junges Publikum einzurichten, diesseits aller Weihnachtsmärchen-Routinen.

Das war damals gut. Das ist noch heute gut. Hoffentlich bleibt es gut. Der Deutsche Theaterpreis wandert weiter – 2026 wird er in Wiesbaden zu Gast sein. Mal sehen, wie dann die Lage ist.

Theaterpreis Eine Aufzeichnung der Stuttgarter Gala wird in der Mediathek des TV-Senders 3 Sat zu sehen.