Das ist just eher selten zu hören. „Mir geht’s gut. Mir geht es so gut. Um präzis zu sein: Unendlich übersphärisch unverschämt wunderbar gut! Ich beneide mich selbst um den Zustand.“ Wie die Dame im roten Kostüm mit dem Gurkendrink in der Hand dies intoniert, genussvoll auf dem Stuhl drapiert, die Beine überschlagen – das hallt nach. Ursula Berlinghof setzt von Anfang stark die Leitplanken in Susanne Felicitas Wolfs Monokomödie „Omi-Alarm“, die im Studio-Theater Stuttgart erstmals in Deutschland aufgeführt wurde.

Szene aus „Omi-Alarm“ Foto: Stephan Haase

Mit rauchiger, fast gurrender Stimme erklärt sie als Top-Anwältin Helen Hampinger ihre selbstgeschöpften Dramen und das Jamerantinnen-Dasein für beendet. Sie schwärmt vom Aus des Ehe-Albtraums mit dem Scheusal-Scheidungskrümel Jan, von der erfolgreichen, nun ausgezogenen Grafikdesign-Tochter Manou, vor allem von ihrer wiedergewonnenen Freiheit. Ihre Freundinnen indes lösten sich im Großeltern-Wahnsinn auf, mutierten zu hingabevollen „Seifenblasen-blubbernden-Helikopter-Glucken“, um „Noëls“ und so benamsten Nachwuchs „duzi duzi“ zu umsorgen. Bloß nie in diesen Club! Großmutter? Nicht im Lebensentwurf vorgesehen: Helen tobt sich leidenschaftlich vor Gericht aus, goutiert Siege und ihren jüngeren Liebhaber: „Patrick, Biogärtner, spezialisiert in Kräuter und Gurken“.

Doch dann das Ultraschallbild, „grau-schwarzes Gewabbel“ mit Amöbe und Manous Ankündigung, Helen werde Oma, Künstler Oslo der Vater. O-was und O-wer? „Ich dachte, du bist Single!“ und „Ich verbiete mir das O-Wort!“ In so was wollte die „Anwaltsfrau“ nicht involviert werden.

Ursula Berlinghof spielt die Top-Anwältin Helen Hampinger. Foto: Stephan Haase

Doch bei der geschockten Helen rufen plötzlich Natur und Gene: Nach zig Bio-Dinkelkeksen macht sie die Groß-Managerin, bucht Kurse aller Art, die statt Tochter der – zum Kugelfisch gewordene – Oslo besucht. Von der chaotischen Familien-WG und Geburt im Rettungswagen ganz zu schweigen, wo „duzi duzi“ die „schönste und intelligenteste“ Enkeltochter das Licht der Welt erblickt: Tara, „nix Scarlett O’Hara – Hindi für Stern“.

Geschenkt, dass Autorin Wolf auch Klischees bedient. Darin steckt das echte Leben: Frauen leisten, so das Statistische Landesamt, 43,4 Prozent mehr Zeit für unbezahlte Sorgearbeit als Männer, die meisten ohne Topanwältin-Honorar wie Helen, die Frauen vor Gericht oft den Kürzeren ziehen sieht. „Viel Unglück!“ Auch für die „Hampinger-Frauen“ gilt: aushalten, durchhalten, kämpfen. Lisa Wildmann inszeniert das mit Verve, Ursula Berlinghof spielt mitreißend – um Dinge bewusst zu machen, muss nicht immer die bittere Pille ran.

Omi-Alarm: Studio-Theater. 19. bis 22. Nov. sowie 17. und 18. Dez., jeweils 19.30 Uhr.

Vorstellungen

Termine
Weitere Aufführungen im Studio-Theater von 19. bis 22. November sowie am 17. und 18. Dezember, jeweils 19.30 Uhr