Dieses Gebäude ist eine Besonderheit in München, keine Frage. So massiv, abweisend, heruntergekommen und zugleich so zentral gelegen wie der ehemalige Karstadt an der Schützenstraße ist kein zweites Gebäude in der Stadt. Der Klotz aus den Siebzigerjahren ist ein Anbau zum historischen Tietz-Haus vorn am Bahnhofsplatz. Die Fassade besteht aus grauen Betonelementen über 150 Meter Länge und 20 Meter Höhe, dazwischen balkonähnliche Konstruktionen, hinter denen nur ein schwarzes Nichts zu sehen ist.

Der Kontrast zu dem, was an dieser prominenten Stelle zwischen Hauptbahnhof und Stachus einmal entstehen soll, ist gewaltig. Eine fein gegliederte Fassade aus großen Fenstern, umrandet von grünen Elementen, dazwischen Pflanzen, die aus Terrassen hervor wachsen. Und im Erdgeschoss einladende Geschäfte. So zeigen es die Simulationen zum Entwurf, mit dem das Büro von David Chipperfield im Jahr 2021 den Architekturwettbewerb für einen riesigen Neubau gewonnen hat.

Das Problem ist nur, dass es im Moment niemanden gibt, der dieses Projekt umsetzen würde. Denn der ursprüngliche Auftraggeber, der Signa-Konzern von René Benko, ist seit Ende 2023 pleite und damit auch die Signa-Tochterfirma für das „Corbinian“, so der Projektname für den Büro- und Geschäftskomplex, der auf einem 8000 Quadratmeter großen Karree zwischen Schützen-, Luitpold-, Prielmayerstraße und der Rückseite des Hotels „Königshof“ entstehen sollte.

Seit Ende 2023 sucht der Insolvenzverwalter einen Investor, der das Projekt übernimmt, bisher offenbar vergeblich. Kürzlich aber hat der Stadtrat einen Beschluss gefasst, der die Investorensuche erleichtern soll. Mit breiter Mehrheit, nur gegen die Stimme der Linken, billigte der Planungsausschuss den Bebauungsplan, womit er quasi grünes Licht für das nötige neue Baurecht schafft.

„Wir sind sehr froh, dass wir mit der Billigung dem Verkauf den Weg bereiten“, sagte Paul Bickelbacher (Grüne). „Der Käufer weiß, was er bekommt.“ Alexander Reissl (CSU) ergänzte: „Ich hoffe, dass der Insolvenzverwalter jetzt schnell jemanden findet, der den Bebauungsplan umsetzt.“

Doch wie begründet diese Hoffnung ist, das bleibt offen. Torsten Martini, Insolvenzverwalter für die Signa-Tochter „München, Schützenstraße Immobilien GmbH & Co. KG“, lässt über einen Sprecher mitteilen, „dass er sich nicht zum laufenden Prozess äußern kann, da er zur Verschwiegenheit verpflichtet ist“.

Architekturwettbewerb

:Hat David Chipperfield zu Recht gewonnen?

Sein Büro hat sich beim großen Neubauprojekt an der Schützenstraße durchgesetzt. Nun werden alle elf Entwürfe ausgestellt – prompt kommt eine Architektur-Debatte auf.

Im Münchner Immobilienmarkt kursieren gelegentlich Namen angeblicher Interessenten. Viele große Akteure haben sich auch mit dem Projekt beschäftigt. Von konkreten Verhandlungen aber ist nichts bekannt. Dem Vernehmen nach soll der Verkaufsprozess sogar vorerst abgebrochen worden sein, weil kein ernsthafter Interessent fand.

Das dürfte auch an der Größe und Komplexität des Projekts liegen: Mit dem voraussichtlichen oberirdischen Baurecht von 53 500 Quadratmetern (plus 8300 Quadratmeter unterirdisch) liegt allein der Grundstückswert deutlich im dreistelligen Millionenbereich. Dem Insolvenzverwalter und den Gläubigerbanken, der Landesbank Hessen-Thüringen und der Raiffeisen-Bank International AG, soll ein Verkaufspreis von etwa 300 Millionen Euro vorgeschwebt haben.

Hinzu kommen enorme Baukosten, die ebenfalls im mittleren dreistelligen Millionenbereich liegen. Manche Beobachter gehen sogar davon aus, dass das gesamte Investitionsvolumen in Richtung eine Milliarde Euro gehen könnte. Solche Summen sind in der nach wie vor schwierigen Lage auf dem Immobilienmarkt nur schwer zu mobilisieren.

So schauen die Karstadt-Ruine und die Fußgängerzone vom Stachus gesehen derzeit aus...So schauen die Karstadt-Ruine und die Fußgängerzone vom Stachus gesehen derzeit aus… (Foto: Catherina Hess)...und so sieht der Entwurf des Architekten David Chipperfield für den Komplex aus.…und so sieht der Entwurf des Architekten David Chipperfield für den Komplex aus. (Foto: Simulation: David Chipperfield/Atelier Loidl)

Außerdem befände sich die Baustelle in einem äußerst sensiblen Bereich, vor allem im Untergrund. Auf der benachbarten Prielmayerstraße fährt die Tram, darunter befindet sich die S-Bahn-Stammstrecke. Hinzu kommt die zweite Stammstrecke, die diagonal unter dem Grundstück verlaufen wird. Mit der Bahn ist abgestimmt, welche Lasten auf dem neuen Tunnelbauwerk liegen dürfen.

Gut möglich also, dass München sich noch eine ganze Weile mit dem Beton-Ungetüm an der Schützenstraße arrangieren muss. Oben hängen noch Karstadt-Logos, dahinter sind sogar Schatten des vormaligen Hertie-Schriftzugs zu lesen. Bis zur Schließung im Sommer 2023 war dies das zweitgrößte Kaufhaus Deutschlands (nach dem Kadewe in Berlin). Einer Studie des Maklerverbands IVD zufolge ist die Passantenfrequenz am Stachus eingebrochen, was unter anderem am desolaten Erscheinungsbild entlang der Schützenstraße liege.

Um den Anblick etwas aufzuwerten, ist nun an dem Bauzaun eine Ausstellung zur Geschichte der Fotografie in München zu sehen, die tatsächlich interessant anzuschauen ist, aber natürlich nur begrenzte Strahlkraft entfaltet.

Und so hat der Stadtrat neben dem Beschluss zum Baurecht auf Antrag der Grünen-Fraktion auch noch entschieden, dass man die Schützenstraße mit zusätzlichen Angeboten noch etwas mehr aufwerten will. So soll die Fußgängerzone mit einem festen Kiosk oder zumindest einem Foodtruck sowie mobilen Spielelementen wieder etwas lebendiger werden. Außerdem schlagen die Grünen vor, dass ein Radverleih, der bisher im Starnberger Flügelbahnhof untergebracht war, einen neuen Standort in der Schützenstraße bekommen könnte.