Nach einem unterirdischen Auftritt und 0:3-Pausenrückstand gegen das Schlusslicht Sontheim/Brenz schalten die Landesliga-Fußballer des MTV Stuttgart noch auf unglaublich um.

Nein, wahrlich, so ein verrücktes Spiel habe er noch nie mitgemacht, schüttelte Raphael Hahn nach dem Abpfiff ungläubig, aber lachend den Kopf. Und dabei war es nur ein Aspekt, dass der 37-jährige Kapitän der Landesliga-Fußballer des MTV Stuttgart zu diesem Zeitpunkt andere Klamotten an hatte als noch knapp zwei Stunden zuvor. Er, der Torjäger, trug mittlerweile Torhüter-Outfit, nachdem er die letzten drei Minuten der Heimpartie gegen das Schlusslicht FV Sontheim/Brenz notgedrungen zwischen den Pfosten verbracht hatte. Und das schadlos, sodass am Ende ein 5:3-Sieg seiner Mannschaft stand. Aber was für einer! Auf 45 Minuten Totalfrust folgte für die Kräherwald-Kicker eine furiose Aufholjagd mit plötzlich wieder Ermutigendem für den weiteren Saisonverlauf.

Es ist ein Erfolg, der gegen den bislang punktlosen Gegner von der Ostalb auch dringend nötig war. Nicht nur, nur den Negativflow von sieben Pleiten zu beenden, sondern auch, um den Glauben an die eigenen Fähigkeiten nicht gänzlich zu verlieren und den Abschluss zum ersten Nichtabstiegsplatz zu halten. Das ist gelungen – der Rückstand beträgt nun nur noch vier Zähler.

Dem MTV Stuttgart fehlen die Ideen

Eine Tatsache, von der die MTVler nach der ersten Hälfte aber so weit entfernt waren wie der 1. FC Heidenheim vom Gewinn der deutschen Meisterschaft. Die ersten 45 Minuten konnte man mit ideenlos, ratlos und auch aussichtslos überschreiben. Die Punktlos-Gäste führten nämlich durch Tore von Mattias Schnürch (4.), Jorgo Kentiridis (37.) und Tobias Hörger (44.) mit sage und schreibe 3:0 – dies, nachdem sie in ihren vorherigen 13 Saisonpartien insgesamt nur viermal getroffen hatten. Seit dem 18. Oktober war ihnen gar kein Tor mehr gelungen.

Die Gastgeber hatten zwar deutlich mehr Spielanteile, verkomplizierten ihre Angriffe aber gegen tief stehende Gäste, „anstatt direkt den Weg zum Tor zu suchen“, wie denn auch der MTV-Coach Björn Lorer erkannte. Nach dem 0:2 agierte er nicht mehr aktiv an der Seitenlinie, er suchte irgendwie nach Halt und lehnte sich gegen das Ersatzbank-Gehäuse. Wobei er nach dem Spiel betonte: „Ich war keinesfalls ratlos, glaube immer an meine Mannschaft, denn sie hat es schon häufig geschafft, zurückzufinden.“

Tatsächlich auch dieses Mal. In Durchgang zwei spielten die Stuttgarter plötzlich gezielt nach vorne, versuchten verstärkt in den Strafraum zu gelangen. Lorer scheint in der Pause die richtigen Hallo-Wach-Worte gefunden zu haben, könnte man meinen. Es ehrt ihn aber, dass er sich nicht mit fremden Federn schmückt. Den Hammer in der Kabine hat laut ihm nämlich der spielende Co-Trainer Carl-Anders Zimmermann herausgeholt. Der Comeback-Keeper heizte seinen Mitspielern ordentlich ein. Eine dicke Krawatte hatte er nach den 45 Eingangsminuten. Nur drei Gäste-Abschlüsse, aber allesamt landeten sie im Netz. Da bricht kein Torhüter in Jubelschreie aus.

Der MTV Stuttgart startet ab der 48. Minute durch

Der Dosenöffner war dann ein gerechtfertigter Foulelfmeter in Minute 48. Der Kapitän Raphael Hahn – bis zu diesem Zeitpunkt nicht wirklich existent – übernahm Verantwortung und traf. Zwölf Minuten später verkürzte er per Kopf auf 2:3 – als Absender der ersten vernünftigen Gastgeber-Flanke zeichnete Mertcan Özocak verantwortlich. Letzterer sorgte in der per 18-Meter-Freistoß für das 3:3 (73.), erneut Hahn kurz danach für die 4:3-Heim-Ekstase – vorausgegangen war ein herrlicher Diagonalpass von Götz Gaiser. Und in der Nachspielzeit traf erneut Özocak zum Endstand.

Bleibt noch die Frage nach Hahns Klamotten-Wechsel. In der Nachspielzeit musste Zimmermann riskant mit der Faust klären, fiel dabei auf den Kopf und ging mit einem Brummschädel vom Platz. Hahn sprang ein – passend zu einem wahrlich verrückten Spiel.

MTV-Spieler des Spiels

Raphael Hahn (Nominierung 3) war in dem wichtigen Kellerduell gegen das Schlusslicht FV Sontheim/Brenz gefordert wie wohl nie zuvor. Einerseits übernahm er beim Elfmeter Verantwortung und verkürzte kurz nach der Pause auf 1:3. Zwei weitere Treffer steuerte der Kapitän und Torjäger zusätzlich noch bei. Drei Minuten vor Schluss waren seine Dienste dann aber nicht als Toreerzieler, sondern als Toreverhinderer gefragt. Carl-Anders Zimmermann musste mit Brummschädel raus, Hahn übernahm kurzerhand und erstmals in einem Punktspiel, wie er sagt, den Part des Keepers. Er hielt seinen Kasten beim Stand von 4:3 sauber, der MTV legte sogar noch ohne Hahns Hilfe an vorderster Front ein Tor nach.

MTV Stuttgart: Zimmermann – Wiese (53. Trabelsi), Rudolph, Gaiser (85. Chelidonopoulos), Mägerle (82. Al-Tayeh) – Janzen, Flach, Henschke (67. Lukic), Debrah (67. Boudreaux) – Özocak – Hahn.

FV Sontheim/Brenz: Ebert – Kastler, Gentner, Oberling, Hörger – Otabasi (71. Elias Mack), Samuel Mack (67. Sparr), Schnürch (80. Mühlberger), Kentiridis, Gläser (60. Ertle), Yoldas.