Die Landeshauptstadt Dresden hat Daten zu sexualisierter Gewalt im öffentlichen Raum erhoben. Nun liegt die Auswertung einer anonyme Online-Umfrage vor. Mehr als drei Viertel der Frauen, die sich an der Umfrage beteiligt haben, weniger als ein Drittel der Männer und dreiviertel derer, die sich als divers bezeichnen, haben angegeben, bereits persönlich sexualisierte Gewalt erlebt zu haben.
Fast 1.000 Fragebögen wurden ausgefüllt, davon konnten 683 Datensätze ausgewertet werden. Das Ergebnis: Vor allem Frauen zwischen 25 und 34 Jahren erleben in Dresden Übergriffe – oft mehrfach. Die häufigsten Formen sind anzügliche Bemerkungen, anhaltendes Anstarren und unerwünschte Berührungen.
Es stehen folgende große Aspekte im Fokus, um die Lage zu verbessern: Sicherheit, Aufklärung und Sensibilisierung sowie Ausbau des Hilfesystems.
Alexandra-Kathrin Stanislaw-Kemenah
Gleichstellungsbeauftragte der Landeshauptstadt Dresden
Die Gleichstellungsbeauftragte der Landeshauptstadt Dresden, Alexandra-Kathrin Stanislaw-Kemenah, wollte mit der Umfrage die Erfahrungen Betroffener abbilden und daraus Ideen für konkrete Maßnahmen ableiten: „Unser Fazit ist klar. Es stehen folgende große Aspekte im Fokus, um die Lage zu verbessern: Sicherheit, Aufklärung und Sensibilisierung sowie Ausbau des Hilfesystems.“
Wo Betroffene sich unsicher fühlen
Als problematisch gelten laut der Umfrage die Innere Neustadt, Bahnhöfe, einige Orte in Prohlis und Gorbitz sowie unbeleuchtete Parks, Wege zur Bahn, dunkle Straßenabschnitte und Nebenstraßen in der Innenstadt. 50 Prozent der Übergriffe auf Frauen passieren im ÖPNV, viele auch bei Festivals und Großveranstaltungen.
Auf Festivals bzw. Großveranstaltungen erleiden 63 Prozent der Frauen unerwünschte Berührungen, während es im öffentlichen Raum (Parks, Straßen, Unterführungen, Fußgängerzonen) sowie in Einrichtungen der Gastronomie mehr verbale Belästigungen (anhaltendes Anstarren, anzügliche Äußerungen, Hinterherpfeifen, entwürdigende Reduktion auf das Geschlecht/sexuelle Attraktivität) gibt.
Als häufigste Belästigungsarten wurden genannt:
- anzügliche Äußerungen (85 Prozent Frauen / 66 Prozent Männer /71 Prozent diversgeschlechtliche Menschen)
- anhaltendes Anstarren (78 Prozent Frauen / 19 Prozent Männer /1 Prozent diversgeschlechtliche Menschen)
- unerwünschten Berührungen bzw. /Annäherungen (71 Prozent Frauen / 63 Prozent Männer/86 Prozent diversgeschlechtliche Menschen)
- entwürdigenden Reduktion auf Geschlecht/sexuelle Attraktivität (61 Prozent Frauen / 28 Prozent Männer / 57 Prozent diversgeschlechtliche Menschen)
Die verschiedenen in der Umfrage aufgeführten Delikte geschahen zudem grundsätzlich mehrfach.
Was sich die Befragten wünschen
Die Befragten wünschen sich mehr Präsenz von Polizei oder Sicherheitsdiensten, Beleuchtung, Videoüberwachung öffentlicher Räume, Notfalltelefone, digitale Meldefunktionen per Handy mit Standortangabe, Heimwegtelefone und Awareness-Teams. Auch Frauentaxis und spezielle Sitzplätze im Nahverkehr wurden genannt.
Es bringt nix, wegen ein paar Blicken oder Anzüglichkeiten auf der Straße kann die Polizei nix machen, die Täter sind dann ja weg.
anonyme Antwort
Umfrage zu sexualisierter Gewalt in Dresden
Nur sechs Prozent der Befragten gaben an, den Fall der Polizei gemeldet zu haben, falls sie schon einmal von sexualisierter Gewalt betroffen waren. Als Gründe wurde der Auswertung zufolge die Angst angeführt, nicht ernst genommen zu werden oder die geringe Chance, die Täter oder dessen Identität ausfindig zu machen: „Weil man es satt hat, als Frau als erstes gefragt zu werden, was man für Kleidung getragen hat“; „Es bringt nix, wegen ein paar Blicken oder Anzüglichkeiten auf der Straße kann die Polizei nix machen, die Täter sind dann ja weg.“
Auch fehlendes Vertrauen in die Polizei, Scham oder eine befürchtete fehlende polizeiliche Sensibilität wurden angeführt.
Stadt reagiert mit Projekt „Citywache“
Gemeinsam mit der Polizei prüft Dresden Maßnahmen wie bessere Beleuchtung und Videoüberwachung. Erste nächtliche Begehungen führten bereits zu Reparaturen defekter Lampen. Für Montag sei der Stadt zufolge eine weitere Begehung am Albertplatz geplant.
Menschen müssen in solchen Situationen ernst genommen werden, brauchen Verständnis und keine dummen Sprüche.
Alexandra-Kathrin Stanislaw-Kemenah
Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Dresden
Die Gleichstellungsbeauftragte Alexandra-Kathrin Stanislaw-Kemenah fordert mehr Prävention: „Wichtig bleibt auch die Aufklärung an Schulen, Unis und Behörden als Prävention und zur Förderung der Zivilcourage sowie die nachhaltige Fortbildung und Schulung von Personal zum Umgang mit Betroffenen. Menschen müssen in solchen Situationen ernst genommen werden, brauchen Verständnis und keine dummen Sprüche.“ Die Stadt wolle die „Hilfelandschaft“ ausbauen und bereits einige temporäre Aktionen dazu veranlasst.
Fast 1.000 Personen bei Umfrage mitgemacht
– Die Umfrage riefen insgesamt 1.113 Personen auf. Der Gesamtrücklauf liegt bei 972 Fragebögen. Davon konnten 683 vollständige Datensätze ausgewertet werden. Gemessen an sonstigen Umfragen ist das eine sehr hohe Beantwortungszahl.
– 289 Fragebögen wurde begonnen und abgebrochen oder nicht abgeschickt. 141 Fragebögen sind aufgerufen und nicht bearbeitet worden.
– 83 Prozent der Teilnehmenden sind weiblich, 16 Prozent männlich und ein Prozent diversgeschlechtlich.
– Sexualisierte Gewalt erlebten entsprechend der Angaben 77 Prozent Frauen, 75 Prozent diversgeschlechtliche Menschen und 31 Prozent Männer.
Stadt Dresden