Ein Eigentümer weigert sich trotz Zwangsgeld, sein leer stehendes und bald zum Lost Place verkommenes Wohnhaus in der Bad Cannstatter Annabergstraße 2 dem Wohnungsmarkt zuzuführen – wir berichteten darüber. Peter Mielert, der sich im Jahr 2022 nach 42 Jahren aus dem Bezirksbeirat Bad Cannstatt verabschiedet hat, und Rolf Gaßmann, Vorsitzender des Mietervereins Stuttgart, werfen der Stadt vor, nicht genug durchzugreifen.

Mielert fordert, die Stadt müsse „sofort eine Ersatzvornahme einleiten“, also eine rechtliche Maßnahme, bei der eine vertretbare Handlung, zu der eine Person verpflichtet ist, durch einen Dritten auf deren Kosten ausgeführt wird. Gaßmann sagt, dass „nach dem Polizeigesetz von Baden-Württemberg eine Beschlagnahme des Gebäudes und die Zwangseinweisung von Geflüchteten oder Obdachlosen in das rechtswidrig leer stehende Haus möglich“ wäre.

Nun wehrt sich die Stadt gegen diese Vorwürfe. „Die Stadt Stuttgart ist sich der unbefriedigenden Situation rund um das leer stehende Gebäude in der Annabergstraße 2 bewusst“, heißt es auf Anfrage unserer Redaktion. Jedoch müsse sich die Stadt bei allen Schritten an die gesetzlichen Regeln halten.

Stadt Stuttgart kann bei Leerstand rechtlich eingreifen

Es sei sehr wohl so, dass die Stadt rechtlich einschreiten könne, wenn ein Hausbesitzer ein Haus leer stehen lässt. Das funktioniere wie in einem Mahnverfahren üblich: Erst wird die betroffene Person aufgefordert, selbst zu handeln. Wenn das nicht passiert, kann die Stadt mit Zwangsmitteln reagieren.

Der erste Schritt ist laut der Pressestelle der Stadt ein Zwangsgeld – also eine Geldstrafe, die den Eigentümer dazu bewegen soll, seiner Pflicht nachzukommen. Nur, wenn solche Maßnahmen nichts bewirken, dürften weitergehende Schritte geprüft werden. Juristisch gesprochen hieße das: Zwangsmittel dürfen nur im erforderlichen Maß in die Rechte des Betroffenen eingreifen. „Das ist keine Frage von Mut, sondern eine klare rechtliche Vorgabe“, kontert die Stadt den Vorwurf Gaßmanns, dass die Stadt sich nicht traue, eine Beschlagnahme des Gebäudes vorzunehmen.

Ein Zwangsgeld hat die Stadt bereits verhängt

Im Fall Annabergstraße 2 wurde laut der Stadt zunächst ein Zwangsgeld verhängt. „Da der Eigentümer offenbar nicht zahlen kann, wird dieses Geld nun über eine sogenannte Zwangshypothek gesichert. Das heißt: Es wird versucht, in das Grundbuch die Forderung eintragen zu lassen.“ In einem nächsten Schritt kann das Haus dann zwangsversteigert werden. So würde ein neuer Eigentümer gefunden, der das Gebäude wieder nutzen oder vermieten kann.

Ein anderes Zwangsmittel, die erwähnte Ersatzvornahme, scheidet laut der Stadt bei einem Gebäude, das nicht bewohnt werden kann, aus. „Bei der Annabergstraße 2 würde es bedeuten, dass die Stadt hier erst einmal auf ihre Kosten ein Gebäude sanieren müsste, das ihr gar nicht gehört. Dies fällt eindeutig in den Verantwortungsbereich des Eigentümers.“ Dieser müsse erklären, wie es dazu kommen konnte, dass das Haus derzeit nicht bewohnbar ist. „Es gibt keine Rechtsnorm, welche die Stadt berechtigt, so zu handeln.“

Das Haus in der Annabergstraße in Bad Cannstatt ist dem Verfall preisgegeben. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Auch in den sozialen Medien hat der Artikel über den Leerstand des Hauses Diskussionen ausgelöst. Ein Leser schreibt: „Sein Haus. Sein Recht. Ende der Diskussion. Alles andere grenzt an Enteignung“. Eine Leserin ist der Meinung, dass es besser sei, ein Haus leer stehen lassen als es in die Hände von Mietern zu geben, die keine Miete zahlen und alles kaputt machen“. Ähnliche sieht es eine weitere Leserin: „Verständlich, ich würde als Vermieter auch sehr gründlich aussuchen. Es sollte für Mieter auch so etwas wie ein Führungszeugnis geben.“

Meinungen der Stuttgarter Leserschaft gehen auseinander

Ein Leser sei gar zweimal auf „Mietnomaden rein gefallen, danach hab er auch die Bremse gezogen. „Ich hatte Kosten von 18 000 Euro (ohne Renovierung, nur Mietschulden Gerichts- und Anwaltskosten). Danach habe ich meine Wohnung in Stuttgart auch fünf Jahre leer stehen lassen.“ Inzwischen sei es verkauft, schreibt er. „Ich werde in meinem Leben nie wieder etwas vermieten. Man hat absolut keine Rechte mehr heutzutage.“ Das sieht ein anderer Leser ähnlich: „Wenn es überhaupt mal Rechte für Vermieter geben würde wären sicher einige mehr bereit zu vermieten.“

Doch es gibt auch Gegenstimmen. Ein Leser weißt auf folgendes hin: „Der Grundsatz ‚Eigentum verpflichtet’ ist in Artikel 14 Absatz 2 des Grundgesetzes (GG) verankert und bedeutet, dass der Gebrauch von Eigentum zugleich dem Wohl der Allgemeinheit dienen soll. Dies bedeutet, dass Eigentümer eine Verantwortung haben und ihre Besitztümer so nutzen sollen, dass sie der Gesellschaft nützen. Der Kernsatz besagt, dass Eigentum nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten mit sich bringt. Der Eigentümer soll bei der Nutzung seines Eigentums nicht nur seine eigenen Interessen, sondern auch die der Gesellschaft berücksichtigen.“ Eine Leserin drückt ihre Meinung vehementer aus: „Wer Eigentum hat, muss vermieten oder verkaufen. Sonst Enteignung! Nur so kann man erfolgreich die Wohnungsnot in Griff bekommen. Eigentum verpflichtet.“