
Bruno Rossi (links) und sein Sohn Marco sind mit ihrem „La Mozzarella“ ein Dortmunder Gastronomie-Urgestein. © Petra Zimmermann
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Seit 33 Jahren steht er im La Mozzarella da Bruno in Dortmund-Wellinghofen in der Küche, ist beliebter Gastgeber, erzählt Geschichten. Der 71-Jährige ist kein Mann der halben Dinge. Wer ihn erlebt, spürt: Hier steht einer, der sein Handwerk lebt – mit italienischer Leidenschaft, mit Herz und mit Stolz.
Italien im Ruhrgebiet
„Ich bin seit 1970 in Dortmund“, sagt Bruno Rossi. Dabei wollte er längst wieder am Meer leben, in seiner Heimat Pescara. Anfang der 1990er hatte er seine bekannte und beliebte „La Lumaca“ in der Nordstadt verkauft, war zurück nach Italien gegangen, um sich dort ein neues Leben aufzubauen – ein Fischgeschäft, irgendetwas mit Meer, Salzluft, frischem Fang: „Ich wollte in Italien leben. Meine Kinder sollten in Italien aufwachsen.“ Doch dann kam der Anruf seines jüngsten Bruders: „Komm zurück, Bruno. Die Pizzeria läuft nicht.“ „Die Pizzeria“ war La Mozzarella in Wellinghofen, eine kleine Stehpizzeria.
Rossi zögerte, aber seine Familie, so erklärt er den Schritt, lasse man nicht im Stich. Er kam zurück nach Dortmund. Als er das Lokal sah, verschlug es ihm den Atem – allerdings nicht vor Begeisterung. „Das war die schlimmste Stehpizzeria, die ich je gesehen habe“, sagt er heute kopfschüttelnd. Spielautomaten an den Wänden, Fernseher unter der Decke, billiges Bier und Cola-Dosen auf der Theke. „Sehr lieblos, ohne Herz.“ Also krempelte er die Ärmel hoch. Er renovierte, richtete neu ein, kochte frisch, redete mit den Nachbarn. Bald sprach sich herum, dass der bekannte Gastronom Bruno Rossi zurück sei. Aus der heruntergekommenen Stehpizzeria wurde ein kleines, feines italienisches Restaurant – mit Charme, Charakter und echtem Geschmack.
Kaum zu glauben, dass hier mal die „schrecklichste Stehpizzeria“ war, die Bruno Rossi jemals gesehen hatte.© Petra Zimmerrmann
Erfolg, Streit und Neuanfang
Wellinghofen war in den 1990ern noch ein Ort mit Dorfcharakter. „Man kannte sich, es gab Feste, Prozessionen, Karneval“, erinnert sich Rossi, „es war hier richtig, richtig schön.“ Er wurde Teil des Viertels, beliebt bei der Werbegemeinschaft, geschätzt von seinen Stammgästen. Der Laden boomte, aus der Stehpizzeria wurde ein gemütliches Lokal, eine Terrasse mit Außenplätzen wurde gebaut.
Doch das Glück hielt nicht ewig. Sein Bruder – der einstige Gründer – wollte mit ihm ein neues Lokal eröffnen, brachte aber seine neue Partnerin mit ins Boot. Plötzlich verhandelten nicht die Brüder, sondern die Dritte im Bunde wollte mitentscheiden. „Da war für mich Schluss“, sagt Rossi. „Ich habe so viel gearbeitet, und dann kommt jemand, der von Gastronomie keine Ahnung hat, und will mitreden?“
Der Streit endete mit einem Bruch. Bruno übernahm La Mozzarella allein – sein Bruder gründete ein neues Restaurant. Zwei Jahre später war es pleite. Bruno zuckt die Schultern. „Das ist Karma.“
Der schwerste Schlag
Kurz darauf traf ihn der schwerste Schlag seines Lebens: Sein Sohn Marco, der in Italien Hotelfachmann und Koch gelernt hatte und mittlerweile den Vater in Dortmund in der Küche unterstützte, wurde schwer krank. „Arme, Beine – nichts ging mehr“, erzählt Rossi leise. Wenn der eigene Sohn im Rollstuhl sitzt und gar nichts mehr alleine kann, das relativiert alles.“ Zwei Jahre lang suchte die Familie nach Hilfe, bis sie in Köln eine Spezialistin fanden. Eine teure Antikörpertherapie rettete Marcos Leben. Bruno erinnert sich an den Moment, als sein Sohn zum ersten Mal wieder ins Wasser sprang: „Am Gardasee. Er sprang rein wie ein Albatros. Das war mein größter Moment.“
Sohn Marco Rossi führt heute offiziell das Restaurant.© Petra Zimmermann
Heute steht Marco wieder in der Küche – und führt das La Mozzarella gemeinsam mit seinem Vater. Seine Mutter, die in Italien geblieben war, zog in der schweren Zeit zurück nach Dortmund. „Wir waren wieder zusammen. Eine Familie, wie sie sein soll.“
„Nicht viel, aber ehrlich“
Bruno Rossi ist 71, arbeitet 13 bis 14 Stunden am Tag. „Ich bin kein Chef, der nur rumsitzt und Anweisungen gibt“, sagt er. „Ich bin immer da, arbeite mit, rede mit den Gästen, kümmere mich.“ Seine Küche ist authentisch italienisch. Kein Gänsebraten zur Weihnachtszeit, keine eingedeutschten Pasta-Kreationen. „Ich brauche keine Gänsebraten machen, nur weil die Leute das jetzt essen“, sagt er und lacht. „Ich bleibe Italiener.“
70 Prozent der Karte sind Fischgerichte. Pizza gibt es – aber nur ausgewählte, handverlesene. Das aus deutscher Sicht „italienische Standardprogramm“ findet sich zum Teil auf der Karte für den Außer-Haus-Verkauf. aber nicht im Lokal. „Ich habe 25 Plätze. Wenn jemand einen Tisch reserviert, kann ich keine Pizza für sieben Euro servieren.“ Rossi liebt seine Stammgäste, viele kommen seit Jahrzehnten. Ärzte, Anwälte, Nachbarn, Borussia-Fans. „Ich bin bodenständig“, sagt er. „Ich verkaufe nicht viel, aber ehrlich. Der ewige Tropfen bohrt den Stein.“
Ehrlicher Gastronom
2023 nahm Bruno Rossi mit seinem Sohn an der Kabel-1-Sendung „Mein Lokal, Dein Lokal“ teil. „Marco wollte das so gerne, ich habe es für ihn getan.“ Das hätten ihm einige übel genommen, erzählt er. Auch in der Sendung blieb er er selbst, sprach offen, ehrlich, manchmal scharf. „Manche fanden mich arrogant“, erzählt er. „Aber ich bin nicht arrogant. Ich bin nur ehrlich.“
Für ihn ging es nie um den Gewinn, sondern um den Spaß seines Sohnes. Und vielleicht auch ein bisschen um Stolz. „Ich habe mein Leben der Gastronomie gewidmet“, sagt er. „Ich bin kein Handwerker, darum konnte mir die IHK keine Urkunde geben. Aber sie haben mir ein zweiseitiges Porträt gewidmet, als Dank.“
Von der Vitrine mit feinsten italienischen Antipasti aus wacht Bruno über sein Restaurant.© Petra Zimmermann
Brunos Lebenswerk
Heute führt Marco die Küche, Bruno ist offiziell in Rente, aber noch täglich im Laden. „Ich trinke meinen Wein, esse meine Pasta und sorge für die Atmosphäre.“ Seine Ärztin schmunzelt nur über den Diabetes. „Was soll sie mir wegnehmen? Den Wein? Die Nudeln? Dann lieber glücklich sterben.“ Rossi ist einer, der alles gegeben hat – für die Familie, für die Gäste, für ein Stück Italien im Ruhrgebiet.
Wenn er abends im La Mozzarella steht, ein Glas Wein in der Hand, zwischen dampfenden Tellern, frischem Fisch, Tomatenduft und Lachen – dann weiß man: Das ist sein Reich. Seine Bühne. Und vielleicht das schönste Lebenswerk, das man haben kann.