Kiel. Seit Ende April ist Olaf Rebbe als Geschäftsführer Sport bei Holstein Kiel tätig. Der 47-Jährige durchlebte nach dem Abstieg aus der Bundesliga eine ereignisreiche Sommer-Transferphase und einen holprigen Saisonstart im Unterhaus. Im Interview spricht Rebbe über seine aktuellen Aufgaben, die Transferstrategie der KSV und mögliche Nachverpflichtungen in der Winterpause.
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Herr Rebbe, Sie sind etwas mehr als ein halbes Jahr der Geschäftsführer Sport bei Holstein Kiel. Glauben Sie, dass Sie in dieser Zeit schon einen Teil ihrer eigenen Philosophie im Verein implementieren konnten?
Olaf Rebbe: Das halbe Jahr ging schnell rum – das Kribbeln ist immer noch da (lacht). Ich habe in den vergangenen Monaten neben dem Tagesgeschäft viele Themen gemeinsam mit den Mitarbeitenden in meinem Bereich, dem Trainerteam, Staff und meinen Kollegen im Präsidium angeschoben und wir haben uns mit Planungen für die Zukunft beschäftigt. Im Präsidium beschäftigen wir uns zudem intensiv damit, unser Bild weiter zu schärfen, wofür Holstein stehen soll. Natürlich bringe ich da auch meine Ideen ein. Eine klare Transferstrategie ist uns dabei wichtig und diese leben wir bereits in Teilen. Aber gerade die strategischen Themen dauern etwas, bis sie sichtbar werden.
Man hatte den Eindruck, dass der Verein während der Transferphase im Sommer unter Ihrer Federführung spürbar selbstbewusster handelte – sowohl bei den Neuverpflichtungen als auch bei den Verkäufen. Ist das Teil Ihrer Philosophie?
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Grundsätzlich geht es nicht um meine Philosophie, sondern um die Holstein-Philosophie. Diese Holstein-Philosophie oder DNA möchte ich mitgestalten und nachvollziehbar für jeden dokumentieren, sodass danach gehandelt werden kann. Grundsätzlich ist es wichtig, dass wir eine Transferstrategie besitzen, die von einer gewissen Identität geprägt ist, die für Holstein Kiel steht. Dabei steht ein Begriff über allem: Entwicklung. Das gilt für die tägliche Arbeit auf dem Trainingsplatz, die Spiele, aber auch für die Transfers. Und natürlich müssen wir dabei selbstbewusst sein.
Rebbe: „Spieler liegen preislich in einem anderen Regal“
Und dieses Selbstbewusstsein bringen Sie mit?
Ob man es Selbstbewusstsein nennt oder „wir wissen, was wir wollen“, ist am Ende egal. Klar ist: Wir sind ein Marktteilnehmer eines komplexen Transfermarkts und haben sehr gute Voraussetzungen, um dort aktiv und erfolgreich zu handeln. Wir haben im Präsidium und mit unseren Trainern und Spezialisten in Scouting und Analyse viel Erfahrung, um gute und selbstbewusste Entscheidungen zu treffen. Wir wissen aber auch, dass Holstein Kiel nicht über den finanziellen Anreiz kommen kann und dass wir das auch gar nicht wollen, darum müssen wir in anderen Bereichen besser und attraktiver sein, um die Spieler zu holen, die in unsere Philosophie passen.
Ein entscheidender Teil der Transfers von Holstein Kiel kommt inzwischen aus dem Ausland. Ist das nicht ein Risiko, wenn es zum Beispiel um die Eingewöhnung geht?
Diesen Weg müssen wir gehen, weil es neben der Entwicklung eigener Spieler und dem deutschen Markt ein spannender Weg ist. Nehmen wir Adrian Kapralik, der U23-Nationalspieler seines Landes gewesen ist, mehrfach in der ersten kroatischen Liga für NK Zelina getroffen hatte und jetzt A-Nationalspieler geworden ist. Hätte dieser Spieler einen deutschen Pass, würden wir ihn finanziell nicht verpflichten können. Um Qualität zu bekommen, ist der Blick in andere Länder notwendig. Kasper Davidsen würde als deutscher Spieler schon bei einem Bundesligisten unter Vertrag stehen und preislich in einem ganz anderen Regal liegen. Es ist spannend für uns, sich auf Märkten zu bewegen, wo die Ablöse und Gehälter der Spieler für uns noch stemmbar sind. Unser Fokus liegt im Kern aber ganz klar auf der eigenen Jugend und demnach in diesem Bereich auch sehr auf dem deutschen Markt.
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In den letzten Jahren bediente sich die KSV immer wieder erfolgreich auf dem skandinavischen Markt. Nutzt man nur den Standortvorteil oder hat es auch etwas mit der Vereinsphilosophie zu tun?
Beides. Die eben angesprochene Transferstrategie bildet sicher auch diesen Skandinavien-Weg ab. Wir wollen den Weg mit skandinavischen Spielern gehen, weil er nachvollziehbar ist – für die Spieler und für uns. Eine gewisse kulturelle Verbundenheit nach Skandinavien kann man Kiel oder generell Schleswig-Holstein nicht absprechen und diese wirkt sich natürlich auch Identitätsstiftend aus. Noch wichtiger ist, dass es in der Vergangenheit schon häufig für beide Seiten gut funktioniert hat. Beispielsweise aufgrund einer ähnlichen Arbeitseinstellung fällt es den Spielern leichter, hier Fuß zu fassen und sich weiterzuentwickeln. Wir verpflichten Spieler allerdings überwiegend aufgrund ihrer fußballerischen Qualitäten. Dahinter steht ein komplexer Scouting-, Analyse- und Akquise-Prozess. Hier ist die räumliche Nähe in die angrenzenden Länder ein natürlicher Vorteil, insbesondere für unsere Live-Scouts.
Holstein Kiel setzt verstärkt auf Skandinavien-Scouting
Ist Holstein Kiel in Skandinavien inzwischen eine gute Adresse?
Das ist schon so. Inzwischen werden wir von anderen deutschen Vereinen nach unserer Einschätzung gefragt, wenn diese sonst eher auf anderen Märkten scouten. Wir wollen der Verein in Deutschland sein, der für diesen „Skandinavien-Weg“ steht. Dieses Alleinstellungsmerkmal werden wir zukünftig noch weiter schärfen und pflegen.
Werfen wir einen Blick ins alltägliche Geschäft und Platz zehn nach zwölf Spieltagen. Stellt Sie das zufrieden, eher nicht zufrieden oder schauen Sie als Sport-Geschäftsführer nicht auf die Tabelle, sondern auf die Entwicklung?
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Am Ende ist es ein Ergebnissport und der Tabellenstand spielt schon eine Rolle für die tägliche Stimmung, aber nicht für die Großwetterlage. Zumindest nicht zu diesem Zeitpunkt. Nach dem Abstieg galt es, stabil in die Saison zu kommen und Entwicklungsfelder anzugehen, wie zum Beispiel den Defensivverbund zu stärken. Gleichzeitig mussten wir nach einem großen Kaderumbruch die „PS“ wieder auf die Straße bekommen. Damit bin ich im Großen und Ganzen zufrieden. Dennoch müssen wir weiter an uns arbeiten und haben Herausforderungen, wie die Tatsache, dass wir aus den vorhandenen Großchancen zu wenig Tore erzielen. Um wirklich zufrieden zu sein, haben wir für mich allerdings fünf bis sechs Punkte zu wenig. Aber es gibt auch positive Entwicklungen, wie beispielsweise das Weiterkommen im DFB-Pokal, das mich und den ganzen Verein stolz macht.
Ab wann reagiert man als Sport Geschäftsführer auf solche Entwicklungsfelder?
Ich kann die Fans verstehen, die sich einen Spieler wünschen, der alle Probleme löst. Für mich ist es aber kein Einzelspielerthema, sondern eins für die ganze Mannschaft. Jeder ist eingeladen, Tore zu schießen. Marcel Rapp und sein Trainerteam arbeiten täglich mit der Mannschaft an unseren Entwicklungsfeldern, um unsere Leistungen zu optimieren. Gleichzeitig beobachten wir den Markt und schauen, ob es Möglichkeiten gibt, unseren Kader nachhaltig weiter zu verstärken. Das ist aber keine Impulsplanung, passiert nicht sprunghaft nach Ergebnissen, sondern wir schauen, wie wir uns nachhaltig und ganzheitlich verbessern können. Es ist möglich, dass wir am Transfermarkt aktiv werden, muss aber nicht sein. Diesen einen Spieler, der allein unsere Spiele gewinnt, gibt es nicht.
Mit Alexander Bernhardsson haben Sie aber schon einen Spieler im Kader, auf den das fast zutrifft und der von Ihnen ein „Unverkäuflich-Schild“ umgebunden bekommen hat.
Alexander Bernhardsson ist ein sehr interessanter Spieler und eine großartige Persönlichkeit. Aber auch er brauchte wie viele Spieler ein wenig Anlaufzeit. Ich bin glücklich, dass er diese Entwicklung gemacht hat und für uns derzeit dauerhaft zur Verfügung steht und tolle Leistungen bringt. Aber wie richtig gesagt, zum Verkauf steht Berra aktuell nicht.
KN