Tränen liefen der 60-jährigen Apothekerin aus München über die Wangen, als ihr Rechtsanwalt ihre Erklärung vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth verlas: Ja, sie habe das Medikament Paxlovid im Jahr 2023 in ihren beiden Apotheken verlauft sowohl an Kundinnen und Kunden, die kein Rezept hatten, als auch an welche, die keinen deutschen Pass hatten. Dabei durfte Paxlovid damals nur an deutsche Staatsbürger abgegeben werden.

Staatsanwaltschaft: Florierender Schwarzmarkt

Sie habe verhindern wollen, so die Angeklagte, dass das Medikament wegen der kurzen Haltbarkeit verfällt und vernichtet werden muss. Auch ihr mitangeklagter Neffe räumte den Betrug mit Paxlovid ein. Eine der beiden Münchner Apotheken der 60-Jährigen hatte sich auf arabischsprachige Kundschaft spezialisiert.

Die Generalstaatsanwaltschaft geht davon aus, dass die beiden Angeklagten damals in den Schwarzmarkthandel mit Paxlovid eingestiegen sind. Ende 2022 kam es nach Angaben der Generalstaatsanwaltschaft wegen der vielen Corona-Infektionen in China zu einer großen Nachfrage nach Medikamenten wie Paxlovid. „Dies führte zu einem regen Schwarzmarktreiben, was den Schwarzmarktpreis zeitweise in exorbitante Höhen trieb“, heißt es in der Anklageschrift.

Fast 5.800 Packungen Paxlovid illegal verkauft

Der Anklageschrift zufolge bestellten die beiden Angeklagten oder andere Apothekenmitarbeiter im Januar 2023 fast 6.800 Packungen Paxlovid beim Großhandel, ohne dass dafür Rezepte vorlagen. Davon hätten sie knapp 5.800 Packungen in einem Gesamtwert von 1,56 Millionen Euro geliefert bekommen und diese gewinnbringend an verschiedene Abnehmer weiter verkauft, heißt es weiter. „Um diesen Betrag wurde – wie die Angeschuldigten jedenfalls billigend in Kauf nahmen – die Bundesrepublik Deutschland geschädigt.“

Laut Anklage habe die 60-Jährige sich so – gemeinsam mit ihrem mitangeklagten 46-jährigen Neffen – um etwa 335.000 Euro bereichert.

Apothekerin: „Ich empfinde Ohnmacht“

Zum Prozessauftakt sagte die 60-jährige Apothekerin: „Ich empfinde Ohnmacht, weil mir alles, was ich mir über Jahrzehnte aufgebaut habe, zu entrinnen scheint.“ Sie müsse und werde die Verantwortung für ihr Tun übernehmen. Die Apothekerin wurde 1965 in Teheran geboren, durfte dort nicht studieren wegen ihres Engagements für die Demokratie. Deshalb sei sie nach Deutschland, nach München, gekommen, um hier an der LMU zu studieren, so die Angeklagte beim Prozessauftakt. Später habe sie eine Apotheke in München übernommen, 2011 eine zweite mit einem Schwerpunkt auf arabischsprachige Kunden.

Aktuell sind Verhandlungstermine bis zum 12. Dezember angesetzt.

Paxlovid sollte kostenlos an Patienten abgegeben werden

Die Bundesrepublik Deutschland hatte laut Anklage das neu zugelassene Arzneimittel Paxlovid Anfang 2022 in großen Mengen zentral erworben. Die Medikamente wurden demnach bei Großhändlern zwischengelagert, von denen die Apotheken diese bestellten und kostenlos an Patienten abgaben, die diese verordnet bekommen hatten. Für die Abgabe erhielten Großhandel und Apotheke eine staatlich finanzierte Aufwandsentschädigung. Ein Export der Medikamente war verboten.