Peter Weishäupl ist Direktor im Hotel Unger in der Stuttgarter Innenstadt. Seit 25 Jahren. Was hat er alles erlebt in dieser Zeit? Ein Gespräch über Luxus, große Ketten und Diskretion.

Er hat es sich gemütlich gemacht fürs Gespräch. Was bei Peter Weishäupl (65) heißt: Die Krawatte bleibt an, der Hemdknopf zu. Doch das Jackett kann mal Pause machen. Als dann aber der Fotograf kommt, zieht er es wieder an. Ein Hoteldirektor in offizieller Mission ist selbstverständlich formvollendet und akkurat, repräsentiert er doch sein Haus, das Hotel Unger.

Ein seltenes Jubiläum

Seit 25 Jahren ist er in dem Familienbetrieb der Direktor. Ein sehr seltenes Jubiläum in einer Branche, in der der Wechsel Programm ist, in der Ketten dominieren, die ihre Leute kreuz und quer durch die Welt schicken. Bei Peter Weishäupl ging es auch kreuz und quer, allerdings vornehmlich aus Bayern nach Stuttgart, mehrmals hin und zurück. Und wenn man ihn so sieht, hört, wie er über seinen Beruf, „sein“ Hotel und die Gäste redet, dass er „sein Hobby zum Beruf gemacht habe“ und noch „anderthalb Jahre arbeiten darf“; so verwundert, dass er sagt: „Ich bin nicht als Direktor zur Welt gekommen“.

Peter Weishäupl feiert im Hotel Unger in Stuttgart ein seltenes Jubiläum Das Hotel Unger in der Kronenstraße Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Tatsächlich gab es eine Zeit, da trug er nicht Krawatte und Jackett, sondern Lederhose. Aufgewachsen ist er in Gotteszell, zwischen Deggendorf und Viechtach. Mitten im schönen Bayerischen Wald. Damals ein Außenposten der Freien Welt. Wer weiter fuhr, landete am Eisernen Vorhang, der Grenze zur Tschechoslowakei. Man darf wohl sagen, viel los war da nicht. Wer sich nicht fürs Glasblasen begeistern kann, muss früher oder später weg. Noch heute ist das Gebiet, wie man so schön sagt, strukturschwach. Weishäupls Bruder pendelt zu BMW, ständig fahren Busse die 100 Kilometer, holen die Mitarbeiter ab und bringen sie ins Werk.

Aufgewachsen im Bayerischen Wald, früh nach Stuttgart gekommen

Geboren ist er aber in Stuttgart. „Mein Vater war einer der ersten Gastarbeiter hier“, sagt er und schmunzelt. Dann ging es zurück, die Großeltern hatten eine Landwirtschaft und eine Gastwirtschaft. Zwei Jahre haben sie dort gelebt, während der Vater das eigene Haus gebaut hat. Anfangs war dort nicht viel los. Doch dann entdeckte der Feriendienst der Eisenbahner den Bayerischen Wald, schickte seine Mitarbeiter dorthin zur Erholung. Der Tourismus nahm zu. „Fast jedes Privathaus hat Zimmer vermietet“, sagt Weishäupl, „wir haben auch zwei Zimmer vermietet“. Üblich war Halbpension. Abendessen gab es in einem der zwei Gasthöfe im Ort, also auch bei Opa und Oma. Nun war es nicht so, dass der junge Peter Weishäupl zur Kinderarbeit eingeplant war, auftragen, putzen oder zapfen musste, aber „die Hotellerie und Gastronomie waren mir doch nicht fremd“.

Mit 17 lernte er dann Hotelkaufmann im Hotel Wastlsäge in Bischofsmais, nicht weit weg von Daheim. Ein großes Haus mit 100 Zimmern, mehrere Restaurants, Kosmetikstudio, Schwimmbad, Tennisplätze, vier Konferenzräume, „alles was heute ein Wellnesshotel hat“. Gut, das Wort gab es damals nicht. Man ließ es sich gut gehen. Und das so gut, dass viele gleich fürs kommende Jahr buchten und bar anzahlten.

Dann ging es das erste Mal zurück nach Stuttgart, damals betrieben Alfred und Margit Müllerschön die Gastro auf und am Fernsehturm. Ein Jahr blieb er dort, dann wollte ihn die Wastlsäge als Direktionsassistent wiederhaben. Mit 24. Dann wechselte er nach Deggendorf, dort wurde er Leiter der Gastronomie in der Stadthalle mit ihren 1500 Plätzen.

Pendeln zwischen Schwaben und Bayern – aber nie in einer Hotelkette

Schließlich rief ihn das Waldhotel wieder nach Stuttgart, er wurde stellvertretender Direktor in Degerloch. Mit 28 Jahren wurde er Direktor im Hotel der Katholischen Kirche in Sindelfingen. Nach fünf Jahren war dann wieder Bayern an der Reihe, Bad Birnbach, Direktor eines Wellnesshotels. Weil „ich nach sieben Jahren dort nicht mehr so glücklich war, habe ich mich hier beworben“. Hier, das ist das Hotel Unger in der Innenstadt. Jenes Hotel, dass der Herr Unger mal der Frau Unger zum 50. Geburtstag geschenkt hat. Und dass mittlerweile Tochter Susanne Zöller-Unger führt.

„Ich war noch nie in einem Kettenhaus“, sagt er, „dort ist der nächste Vorgesetzte ein Manager.“ In einem Familienbetrieb wie im Hotel Unger gibt es „meine Eigentümerin, es gibt mich und 40 Mitarbeiter“. Es macht ihm also Spaß. Und dann rief auch die Pflicht. „Unsere Eigentümerin hat von 2006 bis 2019 einen zweistelligen Millionenbetrag investiert“, erinnert er sich, „als die fünf Jahre vorbei waren, hat man halt länger gemacht. Dann sind die ganzen Baumaßnahmen gekommen, was ja auch spannend ist, ich konnte mit gestalten, das kann man bei einem Kettenhotel nicht.“

Und man kann wirklich nachhaltig sein. Nachhaltig, das ist ja so ein Begriff, der ist rundgeschliffen und abgenutzt vom vielen Gebrauch. „Wir müssen nicht wie manche Ketten, die jeden Trend mitmachen wollen, nach sieben Jahren alles rausschmeißen.“ Das Hotel Unger hat einen Betrieb im Fränkischen, der die Möbel schreinert. „Die lassen wir reparieren, das verstehe ich unter Nachhaltigkeit!“ Und nicht, dass man einen Biojoghurt zum Frühstück anbiete.

Im Büro Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Die auffällige Fassade mit den Blättern, deren Farben und Formen sich überall im Hotel wiederfinden, daran war er mit beteiligt. Details sind ihm wichtig. Und Diskretion. Wer alles hier absteigt, bleibt Geheimsache. Aber Minister seien darunter, Schauspieler und Abgeordnete. Wobei, einmal da pfiffen sie auf jede Diskretion. Da installierten sie in Zimmer 501 zig Kameras und filmten ein Wochenende lang ihre Gäste. Das war eine Zusammenarbeit mit dem Filmwinter, eine Persiflage auf „Big Brother“. Übertragen wurde in alle Zimmer und ins Foyer vom Filmwinter. 300 Leute kamen, einer duschte. Eine bohrte so ausgiebig in der Nase, dass der Hausmeister zornbebend ins Zimmer stürmte und zürnte: „Mädel, da schauen alle zu und Du popelst eine Viertelstunde!“ So ist das mit der Kunst, der Sinn erschließt sich nicht jedem.

Ansonsten fehlen gerne mal Bademäntel und Handtücher, ein Zimmer war mit Fäkalien verschmiert, die Rechnung für die Reinigung kam von einem Anwalt zurück mit den Hinweis, sein Klient habe das nicht getan. Etliche Male muss man auch auf Zahlung dringen, einmal mahnte er einen Gast doch bitte zu zahlen, oder das Zimmer zu räumen. „Da habe ich die Polizei angerufen und gefragt: Gibt es den überhaupt? Ist der gemeldet?“ Fünf Minuten später sei die Polizei da gewesen, „mit gezückten Pistolen“. Er wurde festgenommen. Warum, das weiß Weishäupl bis heute nicht. „Aber wissen Sie was? Abends kam ein anderer und hat gesagt: Ich will die Schulden von meinem Kollegen bezahlen.“ Ob es der zweite Bankräuber war?

Volksfest, Weihnachtsmarkt und Konzerte sind wichtige Touristenmagneten in Stuttgart Ein Teppich von dankbaren Gästen geknüpft. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Doch die allermeisten Gäste benehmen sich ordentlich und haben nichts auf dem Kerbholz. Auch wenn Weishäupl sagt, „München sei eigentlich nur größer als Stuttgart, wir haben auch alles“, so hängt der Tourismus hier doch zu großen Teilen an Veranstaltungen. Volksfest und Weihnachtsmarkt, da ist das Hotel voll. Beim Volksfest mit Männern, beim Weihnachtsmarkt mit Schweizerinnen. „Wenn da ein Bus hält, und es steigt außer dem Fahrer noch ein Mann aus, dann ist das viel“, sagt Weishäupl. Konzerte sind auch solche Hochfeste des Tourismus. AC/DC und Peter Maffay, da war beide Male das Haus ausgebucht. „Es waren exakt die gleichen Gäste, alle etwas älter, mit Lederjacken, nur die Aufschriften waren andere“, sagt Weishäupl.

Mit einer Lederjacke, so wird man ihn auch in den nächsten anderthalb Jahren nicht im Dienst sehen. „Ich komme von früher“, sagt er, „für mich ist es undenkbar, dass man Gäste duzt.“ Und ohne Krawatte und Jackett im Hotel erscheint.