Sechs dunkle Anzüge, sechs weiße Helme im Nieselregen: Ein schöneres Ambiente hätte man sich für den Spatenstich als Auftakt für eine Milliarden-Investition schon vorstellen können. Zumal die Bagger in Lübbenau ohnehin rollen und die Kräne meterweit in den Himmel ragen. Schwarz Digits habe schon mal vorgearbeitet, scherzt der Ko-Vorstandschef Christian Müller. Aber als Auftakt für eine große europaweite Initiative verlegt man den Spatenstich auch schon mal in den nass-grauen November, wenn es der Aufbruchstimmung zuträglich ist.

Der Spatenstich in Brandenburg ist so etwas wie eine glückliche Fügung für die Landes- und Bundespolitik, deshalb ist auch Bundesdigitalminister Karsten Wildberger (CDU) angereist und stellt sich in die Reihe der Weißhelme, die auf Kommando eine Schippe Spreewald-Sand ausgraben.

Nur einen Tag später wird dem Ganzen eine europapolitische Dimension hinzugefügt: Die Bundesregierung lädt am Dienstag in Berlin zu einem Digitalgipfel, um den Weg zu Europas „digitaler Souveränität“ zu ebenen. Unabhängiger von den Vereinigten Staaten will man werden, von China ohnehin, da ist es gut, an der eigenen Stärke zu arbeiten. Die Schwarz-Gruppe tut dies schon länger, konkret die IT-Tochtergesellschaft Schwarz Digits.

Die bisher größte Einzelinvestition für Schwarz

Die Familie Schwarz, die schon seit Jahrzehnten mit ihren Discounter-Marken Lidl und Kaufland Milliarden verdient, investiert kräftig in das Digitale: Einen eigenen Clouddienst hat sie schon, außerdem vier Rechenzentren. In Lübbenau soll ein weiteres hinzukommen: Insgesamt elf Milliarden Euro kostet das. Auf dem 13 Hektar großen Gelände des ehemaligen Kraftwerks soll bis Ende 2027 ein Rechenzentrum entstehen – vollständig mit Strom aus erneuerbaren Energien betrieben.

Das Rechenzentrum mit einer Anschlussleistung von 200 Megawatt soll aus sechs Gebäuden bestehen, in denen die Rechner untergebracht werden, einem fünfstöckigen Verwaltungsgebäude und einem Umspannwerk. Für die Schwarz-Gruppe sei es die größte Einzelinvestition der Unternehmensgeschichte, betont sie, und ein „Meilenstein auf dem Weg zu einer unabhängigen, sicheren und leistungsfähigen digitalen Infrastruktur in Deutschland und Europa“.

Ganz handfeste Gründe hat das allerdings auch: Die technologische Unabhängigkeit sei eine schlichte Notwendigkeit für den Erhalt des Geschäftsmodells, erläutert der Ko-Vorstandschef von Schwarz Digits, Rolf Schumann. Schon einmal stand das Unternehmen im Ausland vor einigen Jahren verdattert vor der Entscheidung der Behörden, wegen rechtlicher Vorwürfe eines Konkurrenten die Server abzustellen. Einfach so. Solche Schritte könnten die Existenz des Unternehmens gefährden, sagt Schumann der F.A.Z. Dann lieber Milliarden in Rechenzentren, eine Cloud-Infrastruktur und Cybersicherheit investieren.

Einen Schritt weiter als Google

Für Wildberger ist der Spatenstich ein ideales Sprungbrett für den Digitalgipfel nur einen Tag später, den Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) gemeinsam mit dem französische Präsidenten Emmanuel Macron im Berliner Gasometer ausrichtet. „Dieses Projekt zeigt: Wir haben das Können und die Kompetenzen, Deutschlands digitale Souveränität voranzubringen“, findet der ehemalige Chef der Elektronikhandelsketten Media Markt und Saturn. „Heute ist ein guter Auftakt für eine Woche, in der wir die Stärkung unserer eigenen technologischen Fähigkeiten und unsere Unabhängigkeit in den Fokus rücken.“

Rechenzentren haben den Vorzug, die sichtbare Voraussetzung für Künstliche Intelligenz zu sein, quasi das „digitale Rückgrat“, wie Müller es nennt. Zukunftsweisende Reden, Spatenstich, Händeschütteln – dieser Dreiklang des politischen und unternehmerischen Erfolgs können alle Beteiligten in Lübbenau praktizieren. Zumal die Schwarz-Gruppe schon einen Schritt weiter ist als etwa der amerikanische Konkurrent Google, und auch doppelt so viel Geld investiert: Vergangene Woche hat der Internetkonzern eine Investition in Höhe von 5,5 Milliarden Euro in Deutschland angekündigt, im Beisein von Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD). Ein großer Teil der Investitionen bis 2029 fließt in ein neues Rechenzentrum im hessischen Dietzenbach, und auch das Rechenzentrum von Google im hessischen Hanau soll ertüchtigt werden.

Die Schwarz-Gruppe hat hingegen den landschaftlich reizvollen Spreewald in Brandenburg als Standort gewählt, betreibt sie dort doch schon ein großes Logistikzentrum von Kaufland. Ein besonderer Vorteil ist die unmittelbare Nachbarschaft zum Heizkraftwerk der Stadt- und Überlandwerke Luckau-Lübbenau, das die entstehende Abwärme des Rechenzentrums nutzen könne. Reizvoll sind zugleich die Platzverhältnisse. Für die immer größer werdenden Bedürfnisse, kann weiter angebaut werden. Bis zu 100.000 GPUs können künftig im Rechenzentrum installiert werden, kündigt der Lidl-Eigentümer an.

Mit den GPU, also den graphic processing units, sind Hochleistungschips gemeint, die verbaut werden. Diese werden unter anderem für das Training großer Modelle mit KI-Inferenz eingesetzt – sie treffen folglich auf der Grundlage eingespeister Daten genaue Vorhersagen. Eine Millionen KI-Entscheidungen würden jetzt schon jeden Tag im Unternehmen gefällt, berichtet Schumann, unter anderem welche Produkte in welche Filialen geliefert werden sollen. Das reduziere die Nahrungsmittelverschwendung und spare Geld. Den Anbau, so ist sich Schumann sicher, werde man brauchen.