Wenn eine Kellnerin oder ein Kellner mit vollem Tablett mühelos an einem vorbeisaust, unterschätzt man leicht, wie viel harte Arbeit in dem Beruf steckt. Getränke abstellen, an den nächsten Tisch eilen, schnell die Bestellungen aufschreiben, die komischen Blicke ignorieren und dann wieder weiter. Bei den Kilometern, die Kellnerinnen und Kellner pro Tag zurücklegen, ist das eine Form von Extremsport. Und selbst wer hinter der Theke arbeitet, wird vom Stress nicht verschont, von den aufdringlichen, womöglich betrunkenen Gästen erst recht nicht.
Wir haben drei Kellnerinnen und einen Barkeeper aus Stuttgart nach ihrem Alltag gefragt – Einblicke, die es selten gibt. Wie wichtig sind Teamwork und die eigenen Bedürfnisse? Wie sehr leidet der Körper durch Nachtschichten? Was hat Trinkgeld mit der Performance und Touristen zu tun und ab wann gehen Gäste dem Barkeeper auf die Nerven?
Was sie gemeinsam haben? Gastro macht ihnen richtig Bock! Meistens zumindest…
Achtsamkeit und Americanos, geht das?
Melina gefällt vor allem die Flexibilität als Kellnerin. Foto: Carlos Schmitt
Melina arbeitet im gemütlichen Café Kaiserbau am Marienplatz. Mit 26 hat sie schon einiges in der Gastro erlebt. Der Job fällt ihr nicht mehr so leicht, wie vor einigen Jahren. „Es es ist auf jeden Fall ein taffer Job. Momentan komme ich ein bisschen mehr an meine Grenzen. Früher hat man das mehr weggesteckt. Ich bin jetzt auch nicht alt, aber man merkt so langsam, dass man es halt schon eine Weile macht.“
Wie viele junge Menschen hat Melina während des Abiturs als Minijobberin angefangen und ist über die Zeit „einfach reingerutscht“. Seit sieben Jahren ist die Stuttgarterin schon in der Branche, mittlerweile Vollzeit. Mit dem Balancieren von Getränken kämpft Melina nicht mehr, mit rücksichtslosen Kundinnen und Kunden allerdings schon.
„Manchmal sind Leute einfach doof. Manchmal lassen sie an einem die schlechte Laune aus, das macht dann auch was mit dir, weil du dir dann denkst, ‚Hey, ich versuche auch nur gerade mein Bestes. Und wenn ich dir jetzt nicht gerade wirklich was Schlimmes angetan habe, warum musst du dann das alles bei mir abladen?’“
Umso besser, wenn es Menschen gibt, auf die man sich verlassen kann. Für Manche ist das Arbeitsteam wie eine Familie. Für Melina sei dieses Teamgefühl besonders wichtig. Nur durch Teamwork könne man die taffen Tage bei voller Bude durchstehen, sagt sie. Dabei lehre sie der Stress des Berufs, dass man auch mal auf die eigenen Bedürfnisse hören muss.
„Auch wenn viel los ist, musst du dich bemühen, schnell zu sein und zu gucken, dass der Ablauf zackig ist. Aber es geht halt irgendwann nicht anders. Und dann musst du dir selbst den Stress rausnehmen und sagen ‚Hey, ich bin auch nur ein Mensch und mehr kann ich gerade nicht.’ Und ich glaube, das ist das Schöne daran, dass man das lernt.“
„Als Barkeeper hast du ein bisschen einen anderen Status“
Andrea fühlt sich besonders wohl hinter dem Tresen. Bier schenkt er aber nicht so gerne aus. Foto: Carlos Schmitt
Wer in Bars, Clubs oder Restaurants arbeitet, kennt das nur allzu gut: Full House, alles rappelvoll. Handgriffe links und rechts und man kommt mit den Bestellungen nicht hinterher. Und die Kundinnen und Kunden sind alles andere als kooperativ. Andrea erzählt uns, er kriegt manchmal „Menschenhass“, wenn bei ihm volle Bude ist.
„Letzten oder vorletzten Samstag war das so: Ich stand an der Bar und schauen sechs Leute schauten mich an, alle warteten. Ich hatte aber vom Service noch fünf Cocktails offen. Dann kann ich keine weiteren Bestellung aufnehmen, weil ich das sowieso vergessen würde. Dann sind die Gäste irgendwann dicht und ich verstehe sie nicht mehr richtig und sie checken nicht, wie zum Beispiel die Kartenzahlung funktioniert, auch nicht, nachdem man es mehrmals erklärt. Dann werde ich ein bisschen aggro.“
Eigentlich gefällt es Andrea sehr an der Bar zu arbeiten. Dort hat er einen eigenen Arbeitsraum und auch einen gewissen Status . Das sei recht angenehm, findet er. Denn bei Clubs, Nachtbars und Restaurants muss man sich durch die Menschenmenge boxen, um die Kundinnen und Kunden zu bedienen. Als Barkeeper bleibt man stationär, dem Stammtisch-Stress fern. Außerdem habe es einen ganz besonderen Flair mit Menschen an der Theke zu quatschen, sagt er.
„Bei der Arbeit hast du die ganze Zeit Menschen zu tun, das macht schon Bock. Das hast du im Büro nicht.“
In seiner Freizeit arbeitet der 29-jährige Student als Barkeeper im Marshall Matt. Bevor er dort zu arbeiten begonnen hat, war er häufig als Student dort Gast. Der Großteil der Menschen, die ins Marshall Matt kommen, seien freundlich und gesprächig. Ihre Sympathie erfahre Andrea unter anderem durch das Trinkgeld, erzählt er.
„Wenn die Personen Trinkgeld geben, dann merkt man, dass die Arbeit geschätzt wird. Manchmal kommen auch Leute her und geben einfach so Trinkgeld. Das passiert nicht oft, aber ab und zu.“
Mittlerweile sieht er sich selbst fast zum alten Eisen gehören. Der Job macht unglaublich Spaß, verlangt dafür aber einen Zoll am Körper.
„Wenn du ein bisschen älter wirst, wirst du dir bewusst werden, dass nachts arbeiten, sich auch auf den nächsten Tag noch auswirkt. Dann gehst du um vier oder fünf schlafen. Und irgendwann machst du das öfters, mehrmals die Woche. Ohne, dass du feiern gehst, ohne dass du unterwegs bist.“
Café und Bar? Ja klar! [oder: Kellnern kann eine Bereicherung sein]
Laura (links) und Mona (rechts) können sich als Kollegen aufeinander verlassen. Foto: Carlos Schmitt
Auch Mona hat am Cocktails mixen und mit Menschen plaudern Gefallen gefunden, nachdem sie es zum erstem Mal auf einem Privatevent ausprobiert hatte. Die 19-jährige Stuttgarterin hat während ihres Abiturs damit angefangen und arbeitet mittlerweile sowohl an der Bar in der Sattlerei, als auch im Condesa. Mit dem verdienten Geld finanziert sie ihre Reisen. Für sie ist ein eingespieltes Team das A und O.
„Eine Schicht läuft immer besser, wenn man Kollegen hat, bei denen man weiß, wie es läuft und wer was macht. Selbst, wenn man mit dem Kollegen noch nie gearbeitet hat, merkt man direkt, ob die Person schonmal in der Gastro gearbeitet hat. Egal, ob man sich kennt oder nicht.“
Auch Gästen merke Mona direkt an, wenn sie aus der Branche kommen. Die seien oft freundlicher, zuvorkommender und helfen manchmal, ohne etwas zu verschütten. Ihr Trinkgeld, findet sie, hängt oft mit ihrer eigenen Performance zusammen. Sich dafür ins Zeugs zu legen, scheint sich zu lohnen.
„Also wenn ich an einem Tisch besonders freundlich bin und besonders viel anbiete, dann ist da meistens das Trinkgeld besser, als wenn ich an einem Tisch einfach nur Getränke bringe und Hallo und Tschüss sage.“
Oft geben Menschen auch kein Trinkgeld. Manchmal liege das auch an der kulturellen Prägung, vor allem bei Touristen merke Mona das.
„Ich glaube, das ist einfach ein Ding der Kultur, wenn du davon ausgehst, ob schon irgendwo Trinkgeld mit inbegriffen ist oder nicht.“
Hohe Fluktuation in der Gastro
Monas Kollegin Laura kommt aus Hessen und hat in Hamburg schon gekellnert. Genau wie Andrea hat sie großen Spaß am Kundenkontakt und findet es wichtig, dass sich Servicekräfte mit ihrem Betrieb identifizieren können.
„Der Umgang mit Menschen, diese soziale Komponente zu haben im Job, ist schon einer der wichtigen Faktoren. Also es macht schon sehr viel Spaß. Gerade hier hat man viele Stammkunden und man kennt die Menschen irgendwann. Das ist voll die schöne Bereicherung im Alltag.“
Seit Juni ist sie mit ihrem Master fertig. Schon vor dem Abschluss hat sie im Management der Gastronomie gearbeitet und ist zur Überbrückung nun Kellnerin.
„Das Team muss stimmen, aber eben auch die Wertschätzung vom Arbeitgeber oder der Arbeitgeberin muss da sein. Also das ist, finde ich, gerade in der Gastro ein schwieriges Thema, weil sehr wenige in einer Festanstellung arbeiten und sehr viel auf Minijob- oder Werkstudierenden-Basis angestellt sind. Deswegen gibt es auch eine hohe Fluktuation.“
Diese Fluktuation beeinflusse manchmal leider auch, wie mit kurzzeitigen Arbeitskräften umgegangen wird – mit weniger Respekt.
„Ich mag es hier super gerne, dass man ganz schnell – gerade auch hier im Süden – etwas vom Leben der Gäste mitbekommt, von ihrem Feierabend, von ihrem Wochenende. Man lernt super schnell Leute kennen, man ist schnell vernetzt. Das macht’s auf jeden Fall aus.“
Stammkundinnen und Stammkunden kennt sie mittlerweile persönlich und grüßt sie, wenn sie sich auf der Straße treffen.