Konzerne schmeicheln Trump mit Milliarden-Versprechen – doch das Geld wäre meist ohnehin geflossen
Roche, Novartis & Co. wollen Trump mit Unsummen an Investitionen ruhigstellen. Die Gelder wollten sie meist ohnehin ausgeben. Neu ist, dass sie so offen über ihre US-Investitionen reden.
Stand in Kontakt mit der Trump-Administration: Roche-Chef Thomas Schinecker.
Bild: Georgios Kefalas/Keystone
Die Zahlen sind selbst für weltweit führende Konzerne von einer beträchtlichen Dimension.
Der Pharmariese Novartis verspricht, über die nächsten fünf Jahre 23 Milliarden Dollar in zehn bestehende und sieben neue amerikanische Produktions- und Forschungsstandorte zu investieren. Noch grösser richtet das zweite Basler Schwergewicht in der Branche an. Roche verkündete am Dienstag, im selben Zeitraum gar 50 Milliarden Dollar in die Vereinigten Staaten zu leiten. So will das Unternehmen bald mehr aus den USA heraus exportieren statt ins Land importieren.
Die Ankündigungen dienen offensichtlich dazu, Importzölle auf Arzneimittel abzuwenden. Verschiedentlich hatte der US-Präsident damit gedroht, solche «sehr bald» einzuführen. Die jetzt kommunizierten Investitionen sind somit als direkte Botschaft an Donald Trump zu verstehen.
Roche-CEO Thomas Schinecker erklärte seine Pläne damit, dass der US-Standort seit jeher ein Treiber für Jobs und Innovation gewesen sei. Mit den Investitionen lege man die Grundlage für künftiges Wachstum. Schinecker betonte zudem bei der Präsentation der Quartalszahlen, dass die Investitionen mit dem Bundesrat abgestimmt worden seien. Er selbst habe auch Gespräche mit Vertretern der US-Regierung geführt. Mit welchem Resultat, liess er offen.
Eine Charmeoffensive hat auch Novartis-Chef Vas Narasimhan gestartet. Er versucht, Trump zu schmeicheln, und begründet den Geldregen seines Konzerns, ohne die angedrohten Zölle auch nur zu erwähnen, mit der «innovationsfreundlichen» US-Politik und dem «regulatorischen Umfeld».
Solche Nachrichten hört der US-Präsident gerne. Schliesslich ist es sein erklärtes Ziel, Arbeitsplätze und angeblich verlorene Industrien ins Land zurückzuholen. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich allerdings, dass vieles, was Firmen jetzt als amerikanische Investitionsoffensive verkaufen, schon länger angedacht worden ist.
«Neu ist die massgeschneiderte Kommunikation»
Novartis hat sich schon vor drei Jahren zum Ziel gesetzt, in den USA vom zehnten zum fünftgrössten Pharmaunternehmen aufzusteigen. Entsprechend wurden dafür Gelder reserviert. Auch Roche hat den Bau einer bereits geplanten Gentherapie-Fabrik und eines Forschungszentrums zu künstlicher Intelligenz im Gesamtbetrag von 50 Milliarden inkludiert. Ebenfalls darin enthalten sind die Aufwendungen für Forschung und Entwicklung, die ohnehin jährlich in den USA anfallen. Dasselbe gilt für Novartis.
«Es ist davon auszugehen, dass die nun angekündigten US-Investitionen ohnehin schon länger geplant waren», sagt Stefan Schneider, Pharma-Analyst bei der Bank Vontobel. «Neu ist, dass die Firmen ihre Pläne massgeschneidert für den US-Markt kommunizieren. Ansonsten ist man zurückhaltend mit Zahlen zu einzelnen Märkten.» Schneider schätzt, dass die globalen Ausgaben der beiden Konzerne insgesamt nicht höher ausfallen werden als geplant. «Möglicherweise wird aber die Auslastung der Produktionsstätten und wo welches Medikament produziert wird, adjustiert. Die konkrete Aufteilung nach Ländern ist jedoch nicht kommuniziert.»
Ob die vollmundigen Ankündigungen und die grossen Zahlen Donald Trump von seinen Pharmazöllen abbringen werden? «Es bleibt zu hoffen – doch eine Garantie gibt es nicht», sagt Analyst Schneider. Er betont, wie gefährlich es wäre, wenn der US-Präsident nach dem Ankündigungsreigen den Zollhammer doch noch auf die Pharma niedersausen liesse.
«Die Firmen brauchen jetzt genug Zeit, um ihre Pläne umzusetzen. Sie können solche Beträge gar nicht kurzfristig sinnvoll ausgeben.» Wenn der US-Präsident die Branche dennoch mit Zöllen belegen würde, so Schneider, dann käme es zu Problemen in den Lieferketten von Medikamenten, was für Patienten gefährlich werden könnte – und an den Börsen sicherlich zu grösseren Kursbewegungen führen würde.
Falls Zölle doch kommen, greifen Notfallpläne
Die Branche jedenfalls wälzt Szenarien, sollte Trump nicht zur Vernunft kommen. So hat Roche nicht nur seine Lager in den Staaten und in China aufgestockt. Der Konzern hat auch analysiert, welche bisher im Ausland hergestellten Medikamente am stärksten von US-Importzöllen betroffen wären. Laut Schinecker sind es vier Produkte, deren Namen er aber auf Nachfrage nicht nennen wollte. Mittlerweile habe man dafür gesorgt, dass drei dieser Medikamente vollständig in den USA hergestellt werden könnten. Da die Auslastung der Roche-Fabriken in den USA erst bei 50 Prozent liege, sei man dafür gut aufgestellt, so Schinecker. Beim vierten Medikament sei der Wissenstransfer kürzlich angelaufen.
Für Aufruhr sorgt in der Branche nicht nur das drohende Zollchaos. Zu reden gibt auch die Preisgestaltung bei Medikamenten. Denn die amerikanischen Konsumenten bezahlen derzeit dreimal mehr für ihre Arzneimittel als in vergleichbaren Ländern.
Was die Hersteller freut, ist dem US-Präsidenten ein Dorn im Auge. Seine Regierung arbeitet derzeit daran, das aktuelle Preissystem zu reformieren. Die Arzneimittelpreise in den Vereinigten Staaten sollen runter, etwa indem Referenzpreise eingeführt werden. Dies berichtete die Nachrichtenagentur Reuters am Dienstag. Ein Beobachter sprach von einer «existenziellen Bedrohung für die Industrie».
Die Preise sind in den Vereinigten Staaten viel höher, weil dort nicht eine staatliche Behörde mit den Herstellern über Preise verhandelt, sondern Tausende verschiedene Akteure. Dementsprechend tief ist deren Verhandlungsmacht. Laut der Pharmabranche haben die höheren Preise den Vorteil, dass in den USA Patienten deutlich schneller Zugang zu neuen Medikamenten erhalten.
Wer muss sich bei den Preisen wem annähern?
Mit solchen Vorteilen argumentiert auch Novartis-Chef Narasimhan. Während Trump die Kosten drücken will, betont er den Vorbildcharakter der aktuell hohen US-Preise. In einem Brief rief Narasimhan zusammen mit Sanofi-Chef Paul Hudson die EU-Kommission dazu auf, die europäischen Medikamentenpreise dem amerikanischen Niveau anzunähern. Denn tiefere Preise in der EU würden das Wachstum der Pharma auf dem alten Kontinent «künstlich» begrenzen, schreibt Narasimhan.
Die Forderung kursiert seit Jahren. Nun, da Europa vor einem Handelskrieg steht und Milliarden nach Amerika abfliessen, nutzt die Pharmaindustrie die Gunst der Stunde. Sie warnt, dass ohne Preisreform europäische Firmen abwandern könnten.
Nicht nur Trump beherrscht das Spiel mit den Drohungen. Die EU-Kommission unter Ursula von der Leyen dürfte sich kaum darauf einlassen.
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