Die Augen der Gipskopie des "Wagenlenkers" werden bemalt

AUDIO: Von Gips bis Bronze: Antike Skulpturen an der Uni Göttingen (4 Min)

Stand: 18.11.2025 12:45 Uhr

Rund 2.000 Abgüsse antiker Skulpturen finden sich in der gut 260 Jahre alten Gipsabgusssammlung der Universität Göttingen. Eine neue Sonderausstellung zeigt die antike Kunst der Bronzeplastik.

von Wieland Gabcke

Die dunkelbraunen Augen des Wagenlenkers blicken leuchtend in den Olympiasaal der Gipsabgussammlung. Der Blick ist schwer zu deuten. Irgendwo zwischen freundlich und erhaben wirkt die Erscheinung der bronzefarben bemalten Statue. „Den Gipsabguss des Wagenlenkers besitzen wir seit 1902“, sagt Restauratorin Jorun Ruppel. Es handelt sich also nicht um ein antikes Original, sondern um einen originalgetreuen Abguss einer Statue. Das Original wurde einst bei französischen Ausgrabungen in Delphi gefunden, heißt es im Virtuellen Antikenmuseum Viamus, der Onlineversion der Gipsabgusssammlung.

Strahlende Augen, makellose Füße

Restauratorin Jorun Ruppel bemalt die Augen der Skulptur "Der Wagenlenker"

Restauratorin Jorun Ruppel bemalt die Augen des Wagenlenkers neu.

Für die Sonderausstellung über antike Bronzeplastik hat Jorun Ruppel den Wagenlenker aufgefrischt. „Er war von Anfang an bronzefarben bemalt, aber die Farben waren an einigen Stellen abgeblättert, so dass der Gips zum Vorschein kam“, sagt Ruppel. Auf einer Leiter stehend zieht sie mit feinen Pinselstrichen die Iris der braunen Augen nach. Auch die Füße sehen wieder durchgehend blaugrau aus, die Abplatzungen sind verschwunden. Kustos Daniel Graepler, der die Gipsabgusssammlung betreut, steht mit einer Buchvorlage daneben und tauscht sich mit seiner Kollegin aus, wie die Statue originalgetreu restauriert werden muss.

Wie genau die griechischen Originale aussahen, ist umstritten

Der Kustos der Gipsabgusssammlung Daniel Graepler.

Kustos Daniel Graepler leitet die Gipsabgusssammlung an der Universität Göttingen.

Sonderausstellungen bereiteten sie nicht jeden Tag vor, sie seien aber beim Publikum beliebt, sagt Graepler. Für die Ausstellung erhält die Sammlung sogar zwei wertvolle Leihgaben des Archäologen-Ehepaars Vinzenz Brinkmann und Ulrike Koch-Brinkmann aus Frankfurt am Main – echte Bronzeplastiken antiker Kriegerstatuen. Ebenfalls keine Originale, sondern Rekonstruktionen von zwei Funden, die 1972 vor der italienischen Küste entdeckt wurden. Wie genau diese Figuren einmal ausgesehen haben, ist laut Graepler umstritten. „Wir haben auch spezielle Theorien zur Erklärung dieser Figurenentwicklung, die wir dann hier auch zur Diskussion stellen wollen“, sagt der Leiter der Sammlung. In der Sonderausstellung soll der Herstellungsprozess und die Gestaltung antiker Bronzeplastiken gezeigt werden.

Bemalte Gipsabgüsse: Antike Kunst wird in Göttingen wieder lebendig

Ein bemalter Gipsabguss, der zeigt, wie Skulpturen in der Antike einmal aussahen

Der bemalte Abguss der Artemis von Pompeji.

Ob Bronzestatue oder Gipsabguss: In beiden Fällen gibt es Spielraum für Interpretation, wenn es darum geht, die Kunst der Antike wieder lebendig zu machen. Im Kurossaal, einen Raum weiter, steht die freundlich lächelnde Archaistische Artemis. Das römische Original stammt aus Pompeji und steht im Archäologischen Nationalmuseum in Neapel. Jorun Ruppel hatte davon einen Gipsabguss erstellt und nach wissenschaftlichen Kriterien so bemalt, dass er dem antiken Original möglichst nahekommt. „Es wäre ausgeschlossen, dass man Originale anmalt, aber an Gipsabgüssen ist das natürlich sehr gut möglich“, sagt die Restauratorin. Pigmente des Originals aus Pompeji lieferten die Hinweise auf die Bemalung. Beim Publikum kommen diese bemalten Skulpturen gut an, sagt Ruppel. Während der Sonderausstellung hat das Publikum nun zusätzlich den Vergleich zwischen reinweißen Gips- oder üppig gestalteten Bronzeskulpturen.

Die Sonderausstellung „hautnah. Die farbige Kunst der griechischen Bronzestatuen: Kunst und Technik“ ist vom 20.11.2025 bis zum 31.05.2026 im Archäologischen Institut der Universität Göttingen zu sehen.