Angesichts der bröckelnden Unterstützung durch die Republikaner im Repräsentantenhaus hat US-Präsident Donald Trump am Sonntag einen abrupten Kurswechsel vollzogen. Trump erklärte, die republikanischen Abgeordneten sollten am Dienstag dafür stimmen, das Justizministerium dazu zu verpflichten, seine Akten über den Milliardär und verurteilten Sexhändler Epstein freizugeben.

Trump wiederholte seine Aussage, dass er bezüglich seiner langjährigen persönlichen und geschäftlichen Beziehung zu Epstein „nichts zu verbergen“ habe. Epstein starb im August 2019 in einer Gefängniszelle in Manhattan, nachdem er zum zweiten Mal wegen Menschenhandels mit minderjährigen Mädchen verhaftet worden war.

Donald Trump und Jeffrey Epstein auf einer Party im Jahr 1992 [Photo: NBC News]

In diesem Fall drängt sich jedoch die offensichtliche Frage auf, warum sich Trump in den letzten neun Monaten so vehement gegen die Freigabe der Epstein-Akten gewehrt hat. Erst letzten Mittwoch wurde die republikanische Abgeordnete Lauren Boebert ins Lagezentrum des Weißen Hauses – die am besten gesicherte Einrichtung des Gebäudes – gebracht, um dann von Generalstaatsanwältin Pam Bondi und FBI-Direktor Kash Patel eingeschüchtert zu werden. Ziel war es, sie dazu zu nötigen, ihre Unterstützung für eine parteiübergreifende Initiative zur Beschaffung der Akten aufzugeben.

Boebert und drei weitere Republikaner – die Mitunterzeichner der Resolutionsinitiative Thomas Massie, Nancy Mace und Marjorie Taylor Greene – beteiligten sich an einem Gesetzgebungsmanöver, das als „Entlassungsantrag“ („discharge petition“) bekannt ist. Damit kann eine Mehrheit der Abgeordneten im Repräsentantenhaus eine Abstimmung über einen Gesetzentwurf erzwingen, der von der Führung der Kammer abgelehnt wird. Der demokratische Abgeordnete Ro Khanna, der die Initiative mit seiner Unterschrift mit auf den Weg brachte, und 213 andere Demokraten unterzeichneten die Petition. Die entscheidende 218. Unterschrift kam von der demokratischen Abgeordneten Adelita Grijalva aus Arizona, die letzte Woche, sieben Wochen nachdem sie eine Sonderwahl gewonnen hatte, im Amt vereidigt wurde. Sie trat damit die Nachfolge ihres Vaters Raul Grijalva an, der Anfang des Jahres verstorben war.

Der Sprecher des Repräsentantenhauses, Mike Johnson, setzte für Dienstag eine Abstimmung über die Resolution an, mit der das Justizministerium zur Freigabe der Epstein-Akten verpflichtet werden soll, womit Johnson praktisch seine Niederlage einräumte. Er hatte die Forderung nach einer Abstimmung über die Resolution zu den Epstein-Akten abgelehnt und sich im ganzen Verlauf der jüngsten Haushaltssperre auf Bundesebene („Shutdown“) geweigert, Grijalva zu vereidigen, um eine Abstimmung über die Maßnahme zu verhindern. Damit verstieß er in offensichtlicher Weise gegen Präzedenzfälle.

Trump folgte diesem Vorgehen am Sonntag. Er ließ es sich jedoch nicht nehmen, zuvor seine Ausfälle gegen die vier Republikaner loszulassen, die sich ihm beim Epstein-Gesetzentwurf widersetzt hatten. Er beschimpfte vor allem Marjorie Taylor Greene, eine der rechtesten Republikanerinnen und langjährige Anhängerin sowohl der faschistischen QAnon-Verschwörungstheorie als auch von Trump persönlich.

In seinen Posts in den sozialen Medien bezeichnete Trump sie als „Marjorie Traitor Greene“ (Traitor = Verräter) und ließ noch weitere Beschimpfungen gegen sie los, die, so kindisch sie auch sein mögen, dennoch dazu geeignet sind, seine faschistischen Anhänger zu Gewalt anzustacheln. Greene sagte in der CNN-Sendung „State of the Union“ am Sonntag, dass Morddrohungen sowohl an ihr Unternehmen als auch an ihr Kongressbüro geschickt und dass ihr 22-jähriger Sohn online mit einem Anschlag bedroht worden sei.

Greene selbst stachelte zu faschistischen Morddrohungen gegen mehrere „linke“ Demokraten im Kongress auf, darunter Ilhan Omar und Rashida Tlaib, die einzigen muslimischen Frauen im Repräsentantenhaus, sowie Alexandria Ocasio-Cortez. Auf einem Foto, das sie 2020 im Wahlkampf postete, war sie mit einem halbautomatischen Gewehr abgebildet, mit dem sie diese demokratischen Abgeordneten ins Visier nahm.

Durch Trumps Kehrtwende in Bezug auf den Epstein-Gesetzentwurf kann es praktisch als sicher gelten, dass das Gesetz im Repräsentantenhaus nahezu einstimmig verabschiedet werden wird, und es ist wahrscheinlich, dass das Gesetz noch in diesem Monat vom Senat angenommen und an das Weiße Haus zur Unterzeichnung durch Trump weitergeleitet werden wird.

Praktisch bedeutet das, dass das Justizministerium die Epstein-Akten veröffentlichen muss, wobei lediglich solche Schwärzungen erfolgen dürfen, mit denen die Privatsphäre der Opfer geschützt wird. Da Trump nun behauptet, das Ziel der Gesetzesinitiative zu unterstützen, und da er gegenüber dem Justizministerium weisungsbefugt ist, könnte er Generalstaatsanwalt Bondi auch einfach anweisen, die Akten sofort herauszugeben, ohne erst die Verabschiedung des Gesetzes abzuwarten.

Am Freitag, als er noch behauptete, die Demokratische Partei verfolge das rein politische Motiv, die Epstein-Akten gegen ihn zu verwenden, wies Trump das Justizministerium und das FBI an, Ermittlungen hinsichtlich der Beziehungen prominenter Demokraten zu Epstein einzuleiten. Trump nannte dabei insbesondere den ehemaligen Präsidenten Bill Clinton, den ehemaligen Finanzminister und Präsidenten der Harvard-Universität Lawrence Summers sowie den milliardenschweren Großspender der Demokraten Reid Hoffman.

Alle drei wurden in E-Mails von Epstein erwähnt, die letzte Woche vom House Oversight Committee veröffentlicht wurden, vor allem im Zusammenhang mit Fundraising-Kampagnen für die Harvard University und die Clinton Global Initiative, wo sie sich um Epsteins Hilfe bemühten. Es gibt keine Hinweise auf Verbindungen zwischen den drei Demokraten und Epsteins Sexhandel. In einer E-Mail heißt es ausdrücklich, dass Clinton nie auf Epsteins Privatinsel auf den Jungferninseln gewesen sei, wo ein Großteil des sexuellen Missbrauchs stattgefunden haben soll.

Jahrelang wurde der Fall Epstein in Kreisen faschistischer Republikaner und im Umfeld Trumps sowie in Verschwörungstheorien wie QAnon immer wieder thematisiert. Die Behauptung lautete, Epstein sei eine Schlüsselfigur in einem Pädophilenring gewesen, in den angeblich fast die gesamte Führung der Demokratischen Partei verwickelt gewesen sei.

Trump selbst hetzte dieses gestörten Publikum auf, obwohl seine eigenen Verbindungen zu Epstein gut bekannt waren und sogar enger waren als die der meisten führenden Demokraten. Zu den schäbigeren Beweisstücken gehören zum einen die Notiz, die Trump Epstein zu dessen 50. Geburtstag schickte und die auf gemeinsame Geheimnisse hindeutet, sowie Epsteins E-Mail-Notizen, dass Trump „alles über die Mädchen wusste“ und dass er „Stunden“ mit einem von Epsteins Opfern verbracht hatte.

Darüber hinaus ernannte Trump den ehemaligen US-Staatsanwalt in Südflorida, Alexander Acosta, zu seinem Arbeitsminister. Dieser hatte nach Epsteins erster Verurteilung wegen Menschenhandels im Jahr 2008 den berüchtigten „Sweetheart Deal“ genehmigt, wodurch es dem Finanzier erlaubt war, das Gefängnis jeden Wochentag zu verlassen und von zu Hause aus seine Geschäfte zu führen, bis er nach nur 13 Monaten auf Bewährung entlassen wurde. Erst 2019, nach Epsteins zweiter Verhaftung, sah sich Acosta zum Rücktritt gezwungen.

Epstein beging seinen räuberischen Sexhandel und seine ebenso räuberischen Finanzmanipulationen im Dienste seiner milliardenschweren Oligarchenkollegen. Eben diese Verbindung ist der Grund für Trumps Schwanken bei diesem Thema. Unabhängig von seiner persönlichen Verwicklung in Epsteins Missbrauch – und die bleibt unbewiesen, auch wenn der Fall zum Himmel stinkt – ist sich Trump sehr wohl bewusst, dass das schiere Ausmaß des Epstein-Skandals die gesamte herrschende Elite in Verruf bringt und eine politische Gefahr für das kapitalistische System als Ganzes darstellt.

Das steckt hinter seiner unmittelbaren Reaktion, als er den Demokraten damit drohte, dass auch sie von der drohenden politischen Feuersbrunst verschlungen werden könnten. Gleichzeitig haben die Demokraten und mächtige Teile der Finanzaristokratie die Epstein-Affäre genutzt, um Trump zu destabilisieren und zu schwächen und seiner Regierung einen Politikwechsel aufzuzwingen.

Das betrifft vor allem die Außenpolitik, insbesondere den Krieg gegen Russland in der Ukraine und den Zollkrieg gegen China, Europa und praktisch die ganze Welt, der sowohl den Welthandel als auch das Weltfinanzsystem destabilisiert. Zweifellos wächst auch die Sorge, dass der Möchtegern-Diktator, dem die Kapitalistenklasse die politische Macht anvertraut hat, das genaue Gegenteil des „sehr stabilen Genies“ ist, als das er sich während seiner ersten Amtszeit in Szene setzte.

Sowohl hinsichtlich seiner geistigen wie auch seiner körperlichen Verfassung wird offenkundig, dass er 79 Jahre alt ist, auch wenn sich die herrschende Klasse bereits des Öfteren damit einverstanden gezeigt hat, dass der Bewohner des Weißen Hauses senil ist – wie etwa im Fall von Ronald Reagan oder Joe Biden –, solange ihre Politik nur mit den Forderungen der Wall Street übereinstimmt. In Trumps Fall haben seine wilden Schwankungen – von der Einführung massiver Zölle bis zu deren Aufhebung, von den Drohungen, Venezuela und sogar Nigeria anzugreifen, bis hin zu scheinbarer Gleichgültigkeit gegenüber dem Ausgang des Kriegs in der Ukraine – seine Unterstützung sowohl an der Wall Street als auch im Apparat der nationalen Sicherheit untergraben.

Nur wenige Tage nachdem sie Trump bei der Haushaltssperre aus der Patsche geholfen haben, haben sich die Demokraten den Fall Epstein als bevorzugtes Schlachtfeld ausgesucht, weil Sexskandale sich dazu eignen, die wahren Probleme zu verschleiern, die innerhalb der herrschenden Elite ausgefochten werden. Auf diese Weise hofft die herrschende Klasse, jede Bewegung von unten verhindern zu können. Wie die WSWS letzte Woche warnte:

Die Arbeiterklasse darf sich in diesem Kampf innerhalb der herrschenden Klasse hinter keine der beiden Fraktionen stellen. Der Fall Epstein ist nicht nur eine Anklage gegen Trump – er ist eine Anklage gegen die gesamte Bourgeoisie. Er legt die korrupte Physiognomie einer herrschenden Klasse offen, die längst jede Verbindung zu demokratischen Prinzipien oder sozialem Fortschritt aufgegeben hat. Sie hat die Macht an Gangster, Betrüger und Räuber abgegeben.

Die Arbeiterklasse muss auf der Grundlage ihrer eigenen Interessen und mit ihrem eigenen Programm in die sich zuspitzende politische Krise eingreifen. Die Verbrechen von Epstein sind Ausdruck eines Gesellschaftssystems, das Privateigentum, Klassenprivilegien und das politische Monopol einer korrupten Elite verteidigt. […]

Was wir brauchen, ist eine Bewegung der Arbeiterklasse – bewaffnet mit einem revolutionären sozialistischen Programm -, um der Herrschaft der Oligarchen ein Ende zu setzen und eine Gesellschaft aufzubauen, die auf Gleichheit, Wahrheit und Menschenwürde beruht.