Wie hart es in der Haushaltskrise für die schwächeren und schwächsten Menschen in München kommen könnte, das zeigte sich kürzlich schon im Stadtrat. Die Hilfe für Geflüchtete wurde in den zuständigen Ausschüssen auf dem Niveau von 2024 eingefroren. Insbesondere Kinder und Familien müssen deshalb künftig mit einer deutlich weniger intensiven Betreuung rechnen als bisher. Der Schlüssel von professionellen Beratern pro Unterkunft werde sich „signifikant verschlechtern“, kündigte Sozialreferentin Dorothee Schiwy (SPD) in der Beschlussvorlage an.
Das Geld wird knapp, die Ausgaben müssen runter, das gilt in der Planung des Haushalts 2026 für die gesamte Stadtverwaltung. Doch in keinem anderen Bereich bezahlt München so viele freiwillige Leistungen wie im Sozialen. Da bei den Pflichtaufgaben der Stadt nicht vergleichbar viel abgezwackt werden kann, droht ein Sparpaket hier stets besonders drastisch einzuschlagen.
Selbst wenn die Vorgaben in Prozent moderater klingen als in anderen Gebieten, die Höhe des Sozialetats von etwa zwei Milliarden Euro* macht Einschnitte hier automatisch besonders bitter. Gut 44 Millionen Euro sollen laut Sozialreferat im Jahr 2026 weniger zur Verfügung stehen als vorgesehen.
Zum Beispiel in der Asylbetreuung. Bisher gilt München hier als Vorbild. Doch schon die Sparvorgaben für 2025 hatten deutlich spürbare Folgen. Frei werdende Fachstellen durften bei den Trägern, die dort viele Aufgaben der Stadt übernehmen, drei Monate lang nicht besetzt und pädagogische Hilfskräfte gar nicht ersetzt werden.
Die Mittel für Fortbildungen und Dolmetscher wurden um 50 Prozent gekürzt. Nun könnte es aus Sicht der Wohlfahrtsverbände, die der Stadt einen Großteil der Arbeit mit den Geflüchteten abnehmen, im Jahr 2026 noch härter kommen.
Denn die Träger müssen ihren Beschäftigten nach Tarifabschlüssen zum Teil deutlich höhere Löhne bezahlen. Und die Zahl der Betreuungsplätze soll laut Sozialreferat bis Ende 2026 auf 18 300 ansteigen. Im August 2014 waren es den Wohlfahrtsverbänden zufolge noch etwa 14 000 Plätze. Dazu würde nach den derzeitigen Sparplänen das Geld für die spezielle Betreuung von Kindern und Familien in den Unterkünften um fast die Hälfte gekürzt, heißt es in einer Mitteilung der Verbände. Das bedeutet: Weniger Betreuer werden sich wohl um deutlich mehr Menschen kümmern müssen.
Das geplante Sparpaket trifft bei Beschäftigten im Sozialbereich auf Widerstand. Am Donnerstag um 17 Uhr wollen sie mit einer Demonstration vor dem Sozialreferat am Orleansplatz gegen Einschnitte protestieren.
Aufgerufen hat der Arbeitskreis Kritische Soziale Arbeit, zu den Unterstützern gehören die Gewerkschaften Verdi und GEW. Die soziale Infrastruktur der Stadt sei bedroht, „mit drastischen Folgen für die Menschen, die auf soziale Unterstützung angewiesen sind, und für diejenigen, die sie tagtäglich leisten“, heißt es in dem Aufruf.
Zu den schärfsten Kritikern der Sparmaßnahmen gehört Stefan Jagel, Fraktionschef der Linken im Stadtrat. „Wir erleben aktuell die massivsten Kürzungen in der Geschichte Münchens“, sagt er. München sei so eine reiche Stadt und trotzdem müssten Migrationsprojekte und die Arbeitslosenzentren „dran glauben“. Für den geplanten Protest hat Jagel großes Verständnis. „Diese Demo ist längst überfällig, und ich bin froh, dass sich nun ein so breites Bündnis klar positioniert.“
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SZ PlusVon Kathrin Aldenhoff
So breit wie man es tatsächlich erwarten könnte, ist das Bündnis allerdings nicht. Auffällig am Demo-Aufruf ist, dass wichtige soziale Träger fehlen. Die großen Wohlfahrtverbände wie die Caritas, die Diakonie oder der Paritätische Wohlfahrtsverband unterstützen zumindest nach außen hin die Proteste nicht.
Sie sind in der „Arbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege“ organisiert und versuchen gerade in Kooperation mit der Stadt sowie dem Kreisjugendring und dem Münchner Trichter, einer Organisation von freien Trägern, die Einschnitte in das soziale Netz möglichst gering zu halten.
„Unser Ziel ist, dass wir in dem Prozess die bundesweit sehr gute soziale Struktur in der Landeshauptstadt München weitestgehend erhalten“, sagt Sozialreferentin Dorothee Schiwy. In einem gemeinsamen „Zukunftssicherungsprozess“ will sie mit den Partnern der Stadt herausarbeiten, wo rote Linien sind, und Kriterien finden, wie die soziale Struktur so umgebaut werden kann, dass auch mit weniger Geld niemand auf der Strecke bleibt.
Die grün-rote Koalition sieht das Sozialreferat auf dem richtigen Weg. „Einen sehr guten Prozess“ nennt Clara Nitsche, Vize-Fraktionschefin der Grünen, diese gemeinsamen Bemühungen. Das findet auch die SPD-Fraktionsvorsitzende Anne Hübner. Es würden keine Zuschüsse gekürzt, sondern schlicht nicht mehr ausgeweitet, sagt sie. Dazu müssten Strukturen vereinfacht und Synergien genutzt werden. Die Vorgaben der Stadt sollten flexibler werden, um trotz knapper Mittel nicht an der falschen Stelle zu sparen.
Dass viele Träger, die mit der Stadt zusammenarbeiten, unter Druck kommen, das sieht Hübner schon auch: „Das Delta zwischen dem, was nötig ist, und dem, was die Stadt zur Verfügung stellt, wächst immer weiter.“ Doch kaputt reden lassen will sich die grün-rote Koalition die sozialen Leistungen der Stadt auch nicht. Gerade weil sie noch zehn Millionen im Sparpaket umgeschichtet hat, sodass statt ursprünglich 54 nur 44 Millionen gespart werden müssen. Und es gilt die Regel: Gerät ein Träger in Existenznot, wird eine Extra-Lösung gesucht.
Gerade die Asylbetreuung sei ein Beispiel, dass München nach wie vor enorm viel in dem Bereich leiste, finden Hübner und Nitsche. Die acht Millionen Euro an freiwilligem Zuschuss der Stadt, der eigentlich 2025 ausgelaufen wäre, seien im Haushalt 2026 enthalten und dauerhaft gerettet. Die Organisation sei verschlankt worden und die Träger könnten ihr Personal im Gegensatz zu früher je nach Bedarf in verschiedenen Unterkünften einsetzen. München kümmere sich um Geflüchtete trotz des Sparpakets immer noch sehr viel mehr als die meisten Kommunen, sagt Nitsche.
*In einer früheren Version haben wir versehentlich geschrieben, der Sozialetat betrage nur etwa 1,3 Milliarden Euro. Dies haben wir korrigiert.
