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Der Tonfall im Streit um Taiwan spitzt sich zu. Experte Alexander Görlach analysiert die Lage um China und Japan, aber auch die USA und Russland.
Alexander Görlach ist Geopolitik-Experte und unterrichtet an der New York University. Für Ippen.Media blickt er auf die Brennpunkte dieser Welt.
Japan und China liegen in einem sich verschärfenden Streit um Taiwan: Die neue japanische Premierministerin Sanae Takaichi hatte angedeutet, dass ihr Land im Falle einer Blockade der demokratischen Insel durch Peking militärisch eingreifen könnte. Chinas Machthaber Xi Jinping betrachtet Taiwan als Territorium der Volksrepublik China, dabei hat das kommunistische Peking nie über die Insel geherrscht. Seit seinem Amtsantritt im Jahr 2013 spielt Xi mit dem Gedanken einer „Wiedervereinigung“, wie er es nennt, wenn nötig auch mit Waffengewalt.
Vor großen Aufgaben: Japans neue Premierministerin Sanae Takaichi. © IMAGO/Kyodo News
Allerdings ist eine Invasion zur See gefährlich, da man an Taiwans Ufern nicht so einfach anlanden kann. Nach Putins gescheiterter Blitz-Invasion der Ukraine hat man auch in Peking seine Siegesgewissheit überdacht. Zudem sind die USA Taiwans enger Verbündeter. Sie haben sich gesetzlich dazu verpflichtet, der Inseldemokratie zu Hilfe zu eilen, sollte Peking angreifen. Wie genau diese Hilfe jedoch aussehen würde – also ob Washington Bodentruppen entsenden oder chinesische Städte bombardieren würde – wurde bewusst offen gelassen. Eine Blockade der Insel hingegen, wie von der chinesischen Marine bereits mehrfach in Manövern ausprobiert, würde Taiwan in nur vierzehn Tagen völlig lahmlegen, denn die Insel bezieht 80 Prozent ihres Energiebedarfs durch Importe. Durch die Straße von Taiwan laufen zudem rund 60 Prozent des weltweiten Güterverkehrs.
Japans neue Premierministerin warnt China vor Taiwan-Angriff – Peking sieht „militärische Drohung“
Eine solche Blockade Taiwans will Japan verhindern. Der imperiale Vorläufer des heutigen Japan war ein grausamer Kolonialherr, der Korea und Teile Chinas einnahm und die Menschen brutalst unterjochte. Allerdings auf Taiwan, das 1895 an das japanische Kaiserreich fiel, benahmen sich die Besatzer im Vergleich relativ zivil, führten Reformen durch und bauten Infrastruktur. Vieles davon geschah zu dem Zweck, um von den Verbrechen in China und Korea abzulenken. Aber die Menschen auf dem Eiland verbinden bis heute mit der japanischen Kolonialzeit, die 1945 mit der Kapitulation Tokios endete, deshalb Positives.
Japan wiederum, das seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges kein eigenes Heer mehr unterhält und sich verpflichtet hat, nur noch zu kämpfen, wenn es angegriffen wird, sieht in Taiwan einen Präzedenzfall. Schon Shinzo Abe, der 2022 von einem Attentäter ermordete Vorgänger Sanae Takaichis, erklärte, dass man Taiwan gegenüber eine besondere Verpflichtung empfinde und daher einschreiten würde, sollte Peking angreifen. Takaichi präzisiert das nun – sie sagt, dass ein Angriff Chinas auf Taiwan den Einsatz der japanischen Selbstverteidigungsstreitkräfte auslösen könnte, da der Konflikt eine existenzielle Bedrohung für Japan darstellen würde, dessen Inseln nur 110 km von Taiwans Hauptinsel entfernt liegen. Indem Tokio einen möglichen Eingriff als Selbstverteidigung deklariert, bricht es nicht mit der Verfassung, die nur für diesen Fall militärisches Handeln gestattet.
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Peking reagierte sofort und wertete die Worte Takaichis als „militärische Drohung“ gegen China. An einem Krieg mit Japan kann die Volksrepublik indessen kein wirkliches Interesse haben. Denn für die Verteidigung des ostasiatischen Landes sind seit Ende des Zweiten Weltkrieges die USA zuständig. Auf der Insel Okinawa, die rund 700 Kilometer von Taiwan entfernt ist, sind 30.000 US-Soldaten stationiert. Insgesamt leben rund 80.000 Amerikaner auf Okinawa.
Die am 21. Oktober vereidigte, erste Ministerpräsidentin Japans, steht unter Druck. Bei den Wahlen schnitt erstmals eine neu gegründete rechts-populistische Partei, Sanseito, überraschend gut ab und holte 14 der 248 Sitze im Parlament. Parteichef Sohei Kamiya nennt sich „Trump Japans“ und fordert, in Analogie zu seinem rechts-populistischen Vorbild, eine „Japan First“-Politik von der neuen Regierung Im Fahrwasser dieser Bewegung wurde Takaichi bereits im Parlament attackiert und nach dem Status der so genannten Nördlichen Territorien befragt. Diese vier Inseln, Habomai, Shikoan, Kunashiri und Etorofu, sind seit Ende des Zweiten Weltkriegs von Russland besetzt. Laut der rechts-populistischen Opposition hielte der Kreml an der Besatzung der Inseln nur deshalb fest, weil Japan ein Vasallen-Staat Washingtons sei und die Inseln mit Militärbasen überziehen würde, sollte Russland abziehen.
Anime-Kinostarts verschoben – Japan-Gesandter auf dem Weg nach China?
Japan, Taiwan und auch das benachbarte Südkorea müssen sich im Moment mit einer volatilen US-Regierung arrangieren, nicht wissend, ob Donald Trump tatsächlich im Falle eines chinesischen oder russischen Angriffs bündnistreu bliebe. Auf die Provokationen der Opposition eingehen und gar den Schutzschild Washingtons in Frage zu stellen, ist für Takaichi, die Donald Trump am 28. Oktober in Tokio empfangen hat, keine Option. Das Hofieren Trumps hat sich auch für Japan gelohnt: Die Strafzölle in Höhe von 25 Prozent, die der US-Präsident über seinen Verbündeten verhängt hatte, wurden auf 15 Prozent herabgesetzt.
Bislang hat Takaichi nicht nachgegeben, aber japanische Medien berichteten am Montag, dass ein hochrangiger Gesandter auf dem Weg nach Peking sei, um die Situation zu beruhigen. Diesen Envoy erreichte im Flugzeug die Nachricht, dass die Kinostarts zweier japanischer Animationsfilme in China auf unbestimmte Zeit verschoben wurden. Chinas Staatsmedien deuteten an, dass die Verzögerungen Teil einer ganzen Reihe von chinesischen Gegenmaßnahmen seien, auf die sich Tokio einstellen müsse. (Alexander Görlach)