Berlin – Eigentlich sollte hier keiner der 60 Bäume mehr stehen. Der alte Spielplatz wäre längst weg. Stattdessen: Zwei Betonblöcke mit Flüchtlingsunterkünften für 422 Menschen. Doch das Berliner Verwaltungsgericht hat dem Bauprojekt in Berlin-Pankow eine Absage erteilt. Weil Fledermäuse und brütende Vögel geschützt werden müssen.

Seit mehr als sechs Jahren wird um die Bebauung der begrünten Innenhöfe Kavalierstraße und Ossietzkystraße in Pankow gestritten. Auf der einen Seite der Bauherr, die Wohnungsbaugesellschaft Gesobau und die Bauverwaltung. Auf der Gegenseite Anwohner und vier Naturschutzverbände. Das Bezirksamt hat sich inzwischen auch auf die Anwohner-Seite geschlagen.

In einem Eilverfahren entschied das Verwaltungsgericht jetzt, dass eine im Juli 2025 vom Bezirk für das Bauvorhaben erteilte „artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung“ rechtswidrig ist, weil sie „nicht hinreichend bestimmt“ sei (VG 24 L 372/25).

Die Anwohner erleichtert – vorerst

„Wir freuen uns, dass das Projekt bei Gericht abgeschmettert ist. Ich bin 70 Jahre alt, meine Mutter 90. Wir wohnen seit Jahrzehnten hier im Kiez“, so Anwohnerin Ute R. Auch Ida (84) und Hugo (86) K. freuen sich: „Wir sind jetzt froh über die Entscheidung des Gerichts und hoffen, dass eine Bebauung nun endgültig vom Tisch ist.“

Die Bürgerinitiative Grüner Kiez Pankow protestiert 2023 gegen die Baumfällungen in den begrünten Innenhöfen Kavalierstraße/Ossietzkystraße

Die Bürgerinitiative Grüner Kiez Pankow protestiert 2023 gegen die Baumfällungen in den begrünten Innenhöfen Kavalierstraße/Ossietzkystraße

Foto: Timo Beurich

Tatsächlich hatten der BUND, der Nabu, die Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Naturschutz sowie die Naturfreunde Berlin gegen die Ausnahmegenehmigung Widerspruch beim Bezirksamt eingelegt. Grund: die Belange der unter Artenschutz stehenden Brutvögel und Fledermäuse seien nicht genug berücksichtigt worden.

Trotzdem hatte die Gesobau schon mal mit ersten Maßnahmen starten wollen und stellten den Eilantrag. Doch den wies die 24. Kammer des Verwaltungsgerichts nun zurück.

Die Ausnahmegenehmigung erwecke „den Eindruck einer unzulässigen naturschutzrechtlichen Blankoermächtigung“. Sie sei schon deshalb rechtswidrig, weil nicht hinreichend deutlich werde, für welche geschützten Tierarten sie gelte und auf welche genehmigungspflichtigen Beeinträchtigungen sie sich beziehe, so das Gericht.

Anwohner Ida (84) und Hugo K. (86) freuen sich über die Entscheidung des Verwaltungsgerichts

Anwohner Ida (84) und Hugo K. (86) freuen sich über die Entscheidung des Verwaltungsgerichts

Foto: Sven Meissner

Laut Untersuchung des Umwelt- und Naturschutzamts von 2023 seien durch Baumfällungen in der Nachkriegssiedlung am Pankower Schlosspark die ansässigen Populationen von geschützten Vogel- und Fledermausarten gefährdet gewesen. Wie Mönchsgrasmücke, Rotkehlchen, Nachtigall, Großer Abendsegler, Zwergfledermaus, Mückenfledermaus und Breitflügelfledermaus.

Wie geht es jetzt weiter?

„Das Bezirksamt muss das Urteil und sich daraus ergebende weitere Schritte zunächst prüfen und wird sich zu Details nicht weiter äußern“, teilt Ruven Gastel, Sachbearbeiter für Politik, Beschwerde- und Anliegenmanagement, BILD mit.

Auch Anwohnerin Ute R. (70) hat gegen die zusätzliche Bebauung der Siedlung gekämpft

Auch Anwohnerin Ute R. (70) hat gegen die zusätzliche Bebauung der Siedlung gekämpft

Foto: Sven Meissner

Auch bei der Gesobau ist man sparsam mit Antworten. Unternehmenssprecherin Birte Jessen: „Wir haben den genannten Beschluss des Verwaltungsgerichts erst am vergangenen Freitag erhalten und prüfen diesen derzeit. Anschließend treffen wir eine Entscheidung zum weiteren Vorgehen.“

Gegen den Beschluss kann Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg eingelegt werden.

Mehr zum ThemaEin jahrelanger Streit

► 2018 hatte die damalige Bausenatorin Katrin Lompscher (Linke) die Verdichtung des Areals Kavalierstraße/Ossietzkystraße in Aussicht gestellt.

► 2019 wurde den Anwohnern das Projekt vorgestellt. Damals geplant: 170 Wohnungen für Familien. Sofort protestierten die Anwohner gegen die Verdichtung ihrer grünen Höfe.

► 2021 verbietet der Bezirk die Gesobau-Pläne. Erstmals wird in Berlin als Grund „Klimanotstand“ für den Baustopp angeführt. Plötzlich ist von 99 Wohneinheiten für 422 Geflüchtete die Rede.

► 2024 stuft das Verwaltungsgericht in einer Eilentscheidung (VG 24 L 6/24) das aus naturschutzrechtlichen Gründen erlassene Beseitigungsverbot gegen Bäume und Sträucher als „voraussichtlich rechtswidrig“ ein. Die Gesobau muss inzwischen die Höfe bewachen lassen. Kosten im Laufe eines Jahres: 1 Million Euro.