Nach dem offenbar selbst gewählten Tod der Kessler-Zwillinge Ellen und Alice hat der frühere Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) eine gesetzliche Regelung zum assistierten Suizid gefordert. „Die jetzige Situation erlaubt Assistenz beim Suizid, die ethisch nicht vertretbar ist“, sagte Lauterbach der Rheinischen Post. Es sei nicht gesichert, „dass Menschen, die diesen Weg gehen, nicht unter psychischen Erkrankungen leiden, die ihre Entscheidungsfähigkeit einschränken“, sagte Lauterbach.
Der frühere Gesundheitsminister forderte zudem, dass beim assistierten Suizid keine finanziellen Interessen im Spiel sein dürfen. „Ich bin selbst ein klarer Befürworter des assistierten Suizids“, sagte Lauterbach. „Aber psychische, uneingeschränkte Entscheidungsfreiheit und die Abwesenheit aller kommerziellen Interessen müssen sichergestellt sein“, sagte er. „Nur unter diesen Umständen kann verhindert werden, dass sich hier Menschen das Leben nehmen, die dies unter anderem Umständen nicht gemacht hätten“, sagte Lauterbach.
Die Entertainerinnen Alice und Ellen Kessler starben gemeinsam im Alter von 89 Jahren in München. Die Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS) bestätigte, dass es sich um einen assistierten Suizid gehandelt habe. Ihr Tod löste eine Debatte über das Thema assistierten Suizid aus.
Aktive Sterbehilfe strafbar, assistierter Suizid erlaubt
Aktive Sterbehilfe ist strafbar. Suizid und nicht geschäftsmäßige Hilfe zum Suizid waren hingegen nie strafbar. Das gilt auch für die sogenannte passive Sterbehilfe, also das Unterlassen, Begrenzen oder Beenden lebenserhaltender oder lebensverlängernder Maßnahmen, sofern dies dem Willen des Patienten entspricht. Dazu zählt insbesondere der Verzicht auf künstliche Ernährung, Flüssigkeitszufuhr oder Dialyse. Nicht strafbar ist auch die sogenannte indirekte Sterbehilfe. Darunter versteht man Therapien am Lebensende wie die Gabe von Schmerzmitteln, bei denen ein vorzeitiger Tod nicht beabsichtigt ist, aber etwa wegen der Schmerzbekämpfung in Kauf genommen wird.
© Lea Dohle
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Der Konflikt drehte sich vor allem um die Frage, wie Sterbehilfevereine oder Ärzte zu beurteilen sind, die Suizidbeihilfe kommerziell oder organisiert und wiederholt anbieten. 2015 hatte der Bundestag ein Gesetz beschlossen, das kommerzielle und auf Wiederholung angelegte (geschäftsmäßige) Suizidbeihilfe untersagte. Das Bundesverfassungsgericht kippte das Verbot Anfang 2020 und ließ damit grundsätzlich die Tätigkeit von Sterbehilfe-Vereinen zu. Dabei formulierten die Karlsruher Richter ein sehr weitreichendes Grundrecht auf selbstbestimmtes Sterben – unabhängig von Alter oder Krankheit.
Sterbehilfe
Deutschland
Kessler-Zwillinge:
Wie ist die Rechtslage bei Sterbehilfe und assistiertem Suizid?
Keine gesetzliche Regelung
Das Bundesverfassungsgericht hatte in seinem Urteil von 2020 dem Gesetzgeber nahegelegt, Missbrauch durch ein Schutzkonzept zu verhindern. Der Staat solle einen rechtlichen Rahmen schaffen, der einerseits das Recht auf einen selbstbestimmten Tod ermöglicht, andererseits aber verhindert, dass alte und schwerstkranke Menschen zum Suizid gedrängt werden, weil sie als Last empfunden werden. Dazu lagen dem Bundestag in der Folge mehrere parteiübergreifende Gesetzentwürfe vor, die aber bis heute keine Mehrheit erhielten. Derzeit arbeitet eine überfraktionelle Gruppe an einem neuen Gesetzentwurf.
Hilfe holen bei Suizidgedanken
Suizidgedanken können einem Teufelskreis ähneln: Sie drängen sich auf und scheinen dann unaufhaltsam. Doch sie lassen sich durchbrechen und sind zeitlich begrenzt. Betroffene berichten im Nachhinein, dass sie froh sind, am Leben zu sein. Suizidalität lässt sich also überwinden.
Es hilft, mit anderen Menschen darüber zu sprechen. Das können Freunde oder Verwandte sein. Es gibt aber auch Hilfsangebote wie die Telefonseelsorge. Sie ist rund um die Uhr erreichbar unter den Telefonnummern 0800-1110111 und 0800-1110222. Jeder Anruf ist anonym und kostenlos. Wem Schreiben leichter fällt, kann die Berater auch per Chat erreichen. Dafür genügt hier eine kurze Anmeldung.
Für Kinder und Jugendliche gibt es außerdem die Nummer gegen Kummer 116111. Für Eltern gibt es die 0800-1110550. Speziell an Männer richtet sich die Website www.maenner-staerken.de. Das muslimische Seelsorgetelefon ist unter 030-443509821 erreichbar.
Direkte Anlaufstellen sind Hausärztinnen und Hausärzte. Deutschlandweit gibt es außerdem Beratungsstellen, die auf Suizidalität spezialisiert sind. Eine Übersicht bietet hier die Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention.
Suizidgefahr erkennen
Die Ursachen für Suizidgedanken sind vielfältig. Sie können Folge einer psychischen Erkrankung sein. Doch auch andere belastende Umstände können zu schweren seelischen Krisen führen, zum Beispiel der Verlust eines geliebten Menschen, des Arbeitsplatzes oder eine körperliche Erkrankung. Meistens kommen viele Faktoren zusammen.
Etwa 80 Prozent aller Suizidversuche werden zuvor angekündigt. Hinweise darauf sind nicht nur klare Äußerungen, sondern auch indirekte wie „Es hat alles keinen Sinn mehr“ oder „Ich fühle mich gefangen“. Ein Warnsignal können auch bestimmte Verhaltensweisen sein. So wollen suizidgefährdete Menschen häufig ihre Angelegenheiten ordnen: Sie verschenken zum Beispiel Wertgegenstände oder verabschieden sich ungewöhnlich. Einige Menschen wirken plötzlich erleichtert, wenn sie einen Suizidplan gefasst haben. Häufig wird ein solcher Umschwung als Besserung missinterpretiert, er sollte aber aufhorchen lassen.
Generell gilt: Ansprechen und Nachfragen kann Leben retten.
Was Angehörige tun können
Wer den Verdacht hat, dass ein Familienmitglied, eine Freundin oder ein Bekannter an Suizid denkt, sollte ihn oder sie darauf ansprechen und dabei unterstützen, professionelle Hilfe zu finden. Dass durch das Ansprechen ein Suizid erst ausgelöst werden kann, ist falsch. Vielmehr bringt es Betroffenen Entlastung, ihre Gedanken auszusprechen.
Hilfreiche Tipps für ein solches Gespräch hat zum Beispiel die Suizidprävention Berlin hier gesammelt. Unterstützung für Angehörige bietet die Telefonseelsorge (siehe oben) oder der Bundesverband der Angehörigen psychisch erkrankter Menschen unter der Telefonnummer 0228-71002424 oder der E-Mail-Adresse seelefon@bapk.de.
Von jedem Suizid sind zahlreiche Personen betroffen: Mitmenschen aus Familien- und Freundeskreis, aus Kollegium, Schule, Nachbarschaft, Vereinen. Sie können durch einen Suizid selbst in eine schwere Krise geraten. Hilfe für Hinterbliebene bietet der Verband Agus unter der Telefonnummer 0921-1500380 oder der E-Mail-Adresse kontakt@agus-selbsthilfe.de.