Das liegt auch daran, dass illegale Gruppen auf kolumbianischer Seite der gemeinsamen Grenze die Sträucher anbauen und ihre Blätter dann in Venezuela weiterverarbeiten. Die weitgehend grüne kolumbianisch-venezolanische Grenze ist rund 2.200 Kilometer lang. Für Sicherheitsbehörden ist das Gebiet kaum zu überwachen, illegale Gruppen haben daher leichtes Spiel beim Schmuggel von Drogen – und teils begünstigt der venezolanische Staat offenbar durch Korruption den Handel.
Dabei kommt das Cartel de los Soles ins Spiel. Laut „Insight Crime“ handelt es sich dabei jedoch um kein hierarchisches Kartell im klassischen Sinne. Vielmehr sei es ein Netz von staatlichen und militärischen Akteuren. Der Name ist den Sonnen auf den Schulterklappen venezolanischer Generäle entlehnt. Die Beteiligten öffnen gegen Bestechungsgelder Transportkorridore, weil sie etwa Häfen oder Flughäfen kontrollieren. Dieses System soll sich Präsident Nicolás Maduro zunutze machen.
Dem Bericht zufolge baut Maduro auf diesem Netzwerk seine Machtbasis auf. Zwar heißt es dort: „Es ist unwahrscheinlich, dass Maduro von bestimmten Kokaingeschäften weiß, geschweige denn persönlich daran beteiligt ist.“ Der Vorwurf der USA gegen Maduro, dass er ein Kartellchef sei, scheint also eher unwahrscheinlich.
Er und sein Regime seien aber die „Türöffner“ des Drogenhandels, indem sie steuern, wer Zugang zu Drogengeschäften erhält, schreibt „Insight Crime“. Maduro gehe es dabei darum, politische Loyalitäten zu sichern. Kurzum: Wer mit dem Handel von Kokain viel Geld verdient, hat kein Interesse daran, das System zu stürzen, das ihn begünstigt. Letztlich geht es Maduro also um seinen Machterhalt.
Hintergrund dessen ist die prekäre wirtschaftliche Lage Venezuelas. Mit den größten bekannten Erdölreserven der Welt müsste es eigentlich ein wohlhabendes Land sein. Doch beim venezolanischen Öl handelt es sich um eine besonders schwere Sorte, die nur mit hohem Aufwand zu fördern und zu verarbeiten ist. Jahrzehntelange Korruption führte jedoch zu einer Vernachlässigung der Infrastruktur. Hinzu kommt eines der härtesten Sanktionsregime der Welt, das dem Land den Handel erschwert.
Venezuela steht deshalb kurz vor dem Bankrott – und illegale Geschäfte halten das Regime noch über Wasser. „Ob es darum geht, sicherzustellen, dass Venezuelas Soldaten genug Geld verdienen, um sich zu ernähren; die Loyalität korrupter politischer Führer zu kaufen; oder bewaffnete Gruppen zu motivieren, das Regime zu verteidigen – Drogengeld kann das leisten“, heißt es bei „Insight Crime“. Laut der Nichtregierungsorganisation Transparencia Venezuela sollen sich die Einnahmen aus dem Drogenhandel in dem Land 2024 auf mehr als 8,2 Milliarden US-Dollar belaufen haben.
Wie viele Drogen von Venezuela aus in die USA gebracht werden, beantwortet der Bericht jedoch nicht. Denn auch der Schmuggel Richtung Europa spielt eine bedeutende Rolle. Dass US-Behörden wie die DEA Venezuela nicht als wichtiges Herkunftsland aufführen, ist zumindest ein Fingerzeig darauf, dass die Bedeutung des südamerikanischen Landes insgesamt deutlich geringer sein könnte, als von Trump oft behauptet.
Die weite Verzweigung des Schmuggels über mehrere Länder zeigt jedoch auch: Die Zerstörung von mutmaßlichen Drogenbooten in der Karibik wird den Import der Substanzen in die USA wohl nicht aufhalten.