Zu seinen ersten Spielen reiste er mit dem Zug an. 1992 ging es mit dem Interrail-Ticket nach Barcelona. Mangels Übernachtungsmöglichkeiten schlief Jörn-Torsten Verleger, damals 20 Jahre alt, am Montjuïc, dem olympischen Hügel. Er und andere sportbegeisterte Outdoor-Schläfer seien freundlicherweise am Morgen gewarnt worden, bevor dort der Rasensprenger losging, erzählt er.

Die intensivsten Spiele erlebte der im Olympiajahr 1972 geborene Mittelfranke in Sydney 2000. Er hatte dort das Glück, das erste Mal bei einer olympischen Eröffnungsfeier im Stadion zu sein, „ein Erlebnis, dass ich nur jedem empfehlen kann“, wie er schwärmt. Insgesamt hat der neue Vorsitzende der Deutschen Olympischen Gesellschaft (DOG), Stadtgruppe München, elf Spiele vor Ort erlebt, darunter zuletzt die Paralympics in Paris, die dank Komplett-Akkreditierung für ihn „mega“ waren.

Er ist weder Olympier wie Göttervater Zeus noch Olympionike wie Gold-Ruderer Oliver Zeidler. Aber beseelt von der olympischen Idee, diesem schönen, fast naiv anmutenden Gefühl, dass Sport die Menschen global verbindet – das ist Jörn Verleger definitiv. „Wenn du das einmal erlebt hast, lässt dich das nicht mehr los, dieses Flair, diese Atmosphäre“, sagt er. Beim Treffen im nebeligen Münchner Olympiapark taucht der groß gewachsene, drahtige Verleger in kurzer Lederhose mit gesticktem „München OlympiJa“-Emblem auf, sein enges Sakko zieren ebenfalls zwei Anstecknadeln mit Fünf-Ringe-Motiv. Auch die neonfarbenen SUV-Turnschuhe unterstreichen Dynamik und Tempofreude, welche der 53-Jährige mit seinem ganzen Wesen ausstrahlt. „Wer mich kennt, weiß, dass ich Sport lebe.“

Die Chancen, dass der gelernte Jurist, der in der Tat auf eine lange Karriere als Sportfunktionär und ambitionierter Hobbysportler zurückblicken kann, 2036, 2040 oder 2044 nicht allzu lange zu den Sommerspielen anreisen muss, sind seit dem „Ja“ der Münchner Bürger zur Olympia-Bewerbung Ende Oktober gestiegen. Jetzt gilt es: „Unsere Aufgabe ist es, für die olympische Idee zu werben“, sagt Verleger. Er und seine DOG-Mitstreiter möchten speziell in der Stadt die „aktuelle Begeisterung aufrechterhalten“.

Lederhose mit olympischer Message: Der neue Vorsitzende der DOG-München ist standesgemäß gekleidet.Lederhose mit olympischer Message: Der neue Vorsitzende der DOG-München ist standesgemäß gekleidet. (Foto: Stephan Rumpf)

Kurz vor dem Bürgerentscheid war der gebürtige Nürnberger, der seit 2011 Geschäftsführer des Freizeitparks Grünwald ist, bei der Mitgliederversammlung der DOG München einstimmig zum neuen Vorsitzenden gewählt worden. Die Deutsche Olympische Gesellschaft ist ursprünglich nach dem Krieg gegründet worden, um die erstmalige Teilnahme einer deutschen Mannschaft nach 16 Jahren Abstinenz an den Spielen in Helsinki 1952 finanziell zu ermöglichen – was gelang. In den folgenden Jahrzehnten standen hauptsächlich flächendeckender Sportstättenbau auf der Agenda, die Förderung von Nachwuchssport-Talenten sowie allgemein des Fair-Play-Gedankens.

Die DOG ist ein Verein, der seinen Hauptsitz in Berlin hat, bei der konkreten Entscheidung im Olympia-Bewerber-Rennen hat er nicht wirklich mitzureden, die obliegt dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB). Freilich gilt es im Hinblick auf den nationalen Auswahlprozess – neben München sind Berlin, Hamburg, und die Region Rhein-Ruhr Kandidaten – Aufmerksamkeit zu schaffen und die Stimmung zu fördern. Bis Juni 2026 sollen alle ausstehenden Referenden abgeschlossen sein, danach beginnt die konkrete Bewertungsphase, und auf einer Außerordentlichen DOSB-Mitgliederversammlung Ende September 2026 wird dann der deutsche Kandidat gekürt.

Olympia? „Wir brauchen wieder positive Ideen, an denen wir arbeiten können.“

Für seine DOG-Stadtgruppe München hofft Verleger, die Mitgliederzahl von im Moment etwa 100 schon bald zu verdoppeln. Es gehe darum, den aktuellen Schwung mitzunehmen und das lokale bürgerschaftliche Engagement zu befeuern. Das könnte der Beitrag der DOG sein, für das eigentliche Konzept zeichnet die Stadt verantwortlich.

In Anlehnung an den Spruch „Wir haben die fittesten Senioren und die unfittesten Junioren“ von Jörg Ammon, Präsident des Bayerischen Landessportverbands (BLSV), habe man auch die Jugend im Blick, und zudem die Vision vom Neubau moderner Sportstätten. „Wir brauchen wieder mehr Sport, vor allem im Jugendbereich.“ So sind Partnerschaften mit Schulen im Sinne der olympischen Bewegung angedacht. Außerdem will die DOG München Exkursionen nach Lausanne, Sitz des Internationalen Olympischen Komitees und vieler internationaler Sportverbände, anbieten.

Verleger war dort erst vor wenigen Wochen, hat da mit Thomas Bach gesprochen und dessen Nachfolgerin, die neue IOC-Präsidentin Kirsty Coventry, erlebt. „Sie dreht vieles von links auf rechts“, erhofft er sich von ihr Verbesserungen in puncto Transparenz, Auswahl-Verfahren und Image. Skepsis gegenüber Olympia und besonders dem IOC könne er nachvollziehen, er findet aber, dass im Vorfeld des Bürgerentscheids mit „Unwahrheiten“ vonseiten der Gegner gearbeitet worden sei.

Freilich, sosehr der international gut vernetzte Verleger sich für München freut und so gern er hier lebt: Er sieht sich gar „nicht so sehr als Vertreter Münchens“, und wehrt sich, das Ganze etwa als Infrastrukturprojekt für die bayerische Hauptstadt zu betrachten.

Es ist wohl in der Tat ein allgemeiner, Grenzen überschreitender Sportsgeist, der diesen Mann antreibt, und den er deutschlandweit verbreiten will: „Wir brauchen wieder positive Ideen, an denen wir arbeiten können.“ Verleger verkörpert viel von dem, was einen „Macher“ charakterisiert. Er ist auch ein Freund von Wettbewerb: „Zum Thema Sport gehört es, mit Niederlagen umzugehen. Und ohne Leistungsport gibt es keinen Breitensport.“

Man wundert sich nicht, dass er dreimal beim Berlin-Marathon mitgelaufen ist, begeisterter Skifahrer ist und als Radfahrer in der Triathlon-Staffel sogar Ironman-Erfahrung hat. Publizistisch und PR-erfahren ist Verleger auch – nicht zuletzt als Journalist, als Hallensprecher, etwa bei der Tischtennis-Weltmeisterschaft 2006 in Bremen, sowie als Moderator. Dementsprechend weiß er sich, mit einer angenehm timbrierten Stimme, gut zu inszenieren. Er spricht schnell und meist druckreif, nicht immer ganz frei von Eitelkeit, aber im Kern stets an der Sache interessiert.

Als Geschäftsführer des Grünwalder Freizeitparks arbeitet er auf sporthistorischem Gelände

Angefangen hat er mit dem Sport schon früh, nicht nur als Aktiver, sondern im organisatorischen Bereich bereits als Teenager in seinem fränkischen Heimatverein TSV 1927 Röthenbach: Er war dort erst Jugendleiter, dann Vereinsvorsitzender, zudem im Vorstand des Bezirksjugendrings Mittelfranken. Nach dem Jurastudium führten ihn Auslandsaufenthalte 2000 ins EU-Sportbüro nach Brüssel und 2001 zum internationalen Kanuverband ICF in Madrid. An der Universität in Lyon hat er sich im Bereich Sportmanagement weitergebildet.

Stationen beim damaligen Deutschen Sportbund in Frankfurt und in Leipzig, wo er im Kontext der (gescheiterten) Olympiabewerbung arbeitete, folgten. Zudem war er länger in Dresden aktiv, wo er die Schach-Olympiade 2008 organisierte und als Beauftragter der Stadt für die Vorbereitung der Frauen-Fußball WM 2011 verantwortlich zeichnete. Des Weiteren war er als Volunteer bei allerlei sportlichen Großereignissen im Einsatz. Seine Leidenschaft für sportliche Aktivitäten teilt er mit seiner Frau Tina.

Jörn Verleger war sechs Jahre lang Präsident des Weltverbandes für Faustball. Inzwischen ist er von diesem Spitzenposten zurückgetreten, aber weiter im Verband aktiv. Hier eine Aufnahme von 2019 im Freizeitpark Grünwald.Jörn Verleger war sechs Jahre lang Präsident des Weltverbandes für Faustball. Inzwischen ist er von diesem Spitzenposten zurückgetreten, aber weiter im Verband aktiv. Hier eine Aufnahme von 2019 im Freizeitpark Grünwald. (Foto: Claus Schunk)

Seit 2011 ist Verleger Geschäftsführer der Grünwalder Freizeitpark GmbH. Die ehemalige Sportschule Grünwald, auf deren Gelände sich Ereignisse von sporthistorischer Bedeutung abspielten (die Fußballweltmeister von 1954 und 1974 bereiteten sich dort aufs Turnier respektive Finale vor), ist seit mehr als 30 Jahren eine große, kommunale Sportanlage im Süden von München. Dort hat Verleger nicht zuletzt Frauen-Hockey-Länderspiele organisiert und die Kamingespräche der DOG München ins Leben gerufen. Bei denen waren unter anderem Olympiasieger Oliver Zeidler oder Turnweltmeister Lukas Dauser zu Gast, aber auch Politiker wie Theo Waigel oder Joachim Hermann (beide CSU) sowie hochkarätige Sportfunktionäre.

Eine weitere globale Funktion kam 2019 beim vielfältig vernetzten Verleger hinzu: Er wurde zum Präsident des Faustball-Weltverbandes gewählt, der erste Deutsche an der Spitze dieses Verbandes. Er hat in dieser Position einiges auf den Weg gebracht, mediale Aufmerksamkeit für die Sportart erhöht und selbst aktiv Faustball zu spielen begonnen. Im Sommer 2025 ist Verleger aber von diesem Spitzenamt zurückgetreten, nicht zuletzt, um mehr Zeit und Energie für die DOG München zu haben – und die flächendeckende Entfaltung des olympischen Geistes: „Wir haben die schöne Chance, das positiv zu gestalten.“