
AUDIO: Kommentar zu Neubau-Entwurf: „Neue Oper Hamburg sollte zwei Beine haben“ (2 Min)
Stand: 19.11.2025 11:52 Uhr
Der Neubau ist umstritten, aber nun steht fest, wie die neue Hamburger Oper aussehen soll. Der Entwurf kommt vom Architekturbüro Bjarke Ingels Group aus Kopenhagen. Ein Kommentar.
Für mich ist der Entwurf der Bjarke Ingels Group ein Gamechanger. Denn eigentlich war ich kein Fan der neuen Oper, überhaupt nicht. Erstens: die belastete Familiengeschichte des Milliardärs und Stifters Klaus-Michael Kühne durch die NS-Vergangenheit seines Vaters. Dann: der Standort „Oper am Gänsemarkt“. Da wird eine historische Adresse von Weltruf mitten in der City aufgegeben. Und nun wird auf dem Baakenhöft gebaut, ein Ort, der gerade für die Off-Theaterszene eine beliebte Spielfläche ist.
Kosten sollen im Rahmen bleiben
Klar, die Kulturbehörde hat betont, dass eine Komplett-Sanierung der alten Oper so teuer wäre wie ein schicker Neubau. Zudem hat sie für die städtischen Kosten am Neubau ein Sicherheitsscharnier eingebaut, damit diese nicht – wie damals bei der Elbphilharmonie – alles sprengen. Alles richtig. Aber letztlich geht es doch bei Oper um Klang und vor allen Dingen: um Emotionen.

Der Entwurf des dänischen Architekturbüros soll als Grundlage für die neue Oper in Hamburg dienen. Kostenpunkt: rund 500 Millionen Euro.

Eine Jury hatte den Siegerentwurf hinter verschlossenen Türen abgenickt. Viele loben dessen hanseatisches Understatement.
Der Bau: Ein Bekenntnis zu Demokratie und Toleranz
Der Neubauentwurf ändert für mich alles. Dieses Gebäude ist etwas, was bisher in Hamburg fehlt. Eben nicht „quadratisch praktisch Backstein“, typisch Hamburger Blockbebauung. Oder großer architektonischer Aufschlag aus Glas und Stahl, Stichwort: „Tanzende Türme“, Elbtower, ja auch: Elphi. Dieser Entwurf hat Swing, er verströmt skandinavische Lässigkeit und wirkt auf mich wie ein gebautes Bekenntnis zu Demokratie und Toleranz, weltoffen und urban.

Hamburgs neues Opernhaus soll „anmutiger“ als die Elbphilharmonie werden – aber nicht mit ihr konkurrieren. So stellt es sich der Spender vor.
„Oper für alle“, das ist ein Konzept, das mich voll überzeugt. Und wer jetzt sagt: Brauchen wir das überhaupt? Ja, denn Hamburg ist eine Musikstadt. Und wenn schon die alte Oper nichts mehr taugt, muss eine neue her, damit Hamburg weiter in der ersten Opern-Liga spielt. Was beim Fußball nicht hinhaut, das läuft in der Kultur: Hamburgs Kultur strahlt weltweit aus. Das kommt übrigens auch dem Tourismus und der Wirtschaft zugute.

Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes rief zu Protesten auf. Am Mittwoch wurde auf der Reesendammbrücke in Hamburg demonstriert.
Nötige Auseinandersetzung mit NS-Vergangenheit der Familie des Mäzens
Und jetzt die heikelste Frage: die nach dem Geld und seiner Vergangenheit. Mein Bauchweh bleibt. Daher mein Vorschlag: Jetzt geht der Entwurf in eine zweijährige Planungsphase. Wie wäre es, die zwei Jahre zu nutzen, um über den Umgang großer Hamburger Mäzene und Stiftungen mit ihrer NS-Vergangenheit generell zu debattieren? Zu forschen? Aufzuklären? Offene Podien, an denen alle Hamburgerinnen und Hamburger teilnehmen können? Dann steht die neue Oper auf zwei Beinen: auf einem sichtbar genialen Entwurf und einer unsichtbaren Säule aus Erinnerungskultur. Damit die Oper wirklich eine für alle wird.
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