Luftbild von der Meeresoberfläche der Ostsee mit Luftblasen im Bereich der Nord-Stream-2-Pipeline

Stand: 19.11.2025 21:30 Uhr

Er gilt als Drahtzieher der Anschläge auf die Nord-Stream-Pipeline: Nun hat ein italienisches Gericht nach wochenlangem Hin und Her die Auslieferung des ukrainischen Verdächtigen nach Deutschland erlaubt.

Italiens oberstes Gericht hat grünes Licht für die Auslieferung des mutmaßlichen Drahtziehers der Anschläge auf die Nord-Stream-Gasleitungen in der Ostsee gegeben. Der Kassationshof in Rom entschied, dass der Ukrainer an die deutschen Behörden übergeben werden darf. Dies teilte der Anwalt des Beschuldigten am Abend mit. Die Anschläge auf das frühere deutsch-russische Prestigeprojekt hatten vor drei Jahren weltweit Schlagzeilen gemacht.

Der 49 Jahre alte Serhij K. wird nun wohl schon in den kommenden Tagen der deutschen Polizei überstellt und dann nach Deutschland geflogen. Vermutlich kommt er in Hamburg vor Gericht. Den Ermittlungen zufolge soll er die Anschläge auf die beiden Pipelines im September 2022 koordiniert haben. Die Bundesanwaltschaft wirft ihm gemeinschaftliches Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion und verfassungsfeindliche Sabotage vor. 

Festgenommen im Familienurlaub

Festgenommen wurde der Ukrainer im August auf Grundlage eines europäischen Haftbefehls während eines Familienurlaubs an der Adria. Offenbar rechnete er nicht damit, dass ihm der Aufenthalt in Italien zum Verhängnis werden könnte. Zuvor soll er bereits mehrfach in andere europäische Länder gereist sein. Seit seiner Festnahme sitzt er in einem Hochsicherheitsgefängnis.

K. bestreitet die Vorwürfe bis heute. Zwischenzeitlich trat er wegen vermeintlich schlechter Behandlung in den Hungerstreik. Der Kassationshof wird seine Entscheidung erst später schriftlich begründen. Nach der endgültigen Entscheidung sei die Enttäuschung groß, teilte der italienische Anwalt des Ukrainers, Nicola Canestrini mit. Er vertraue aber auf einen „Freispruch im anschließenden Hauptverfahren, das in Deutschland stattfinden“ werde.

Juristisches Hin und Her über Wochen

Canestrini bewertet, ohne eine Beteiligung seines Mandanten einzuräumen, den Anschlag auf die Nord-Stream-Leitungen als eine militärische Aktion, die mit dem Recht des Widerstands gegen Russland zu legitimieren sei. Gegenüber der ARD sagte Canestrini: „Wer auch immer dabei war: Wenn das eine Operation war, die der ukrainische Widerstand mit sich bringt, wie kann man diese Person strafrechtlich belangen?“

Vor dem Beschluss des Kassationshofs hatte es über Wochen hinweg ein juristisches Hin und Her gegeben. Eine erste Erlaubnis zur Auslieferung hatte das oberste Gericht wegen Verfahrensfehlern auf italienischer Seite zwischenzeitlich gestoppt. Dieses Mal bestätigte es die Entscheidung jedoch. Denkbar wäre, dass der Fall vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg landet. K.’s Anwalt Canestrini sagte der Nachrichtenagentur dpa zufolge jedoch, er werde diesen Weg „wahrscheinlich nicht“ beschreiten.

Polen lehnte Auslieferung eines anderen Verdächtigen ab

Die für den Transport von russischem Gas nach Deutschland gebauten Nord-Stream-Pipelines in der Ostsee waren im September 2022 durch Sprengsätze schwer beschädigt worden. Die Anschläge nahe der dänischen Insel Bornholm hatten weltweit Aufsehen erregt. Ein halbes Jahr nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine beschädigten mehrere Sprengungen die beiden Pipelines so sehr, dass kein Gas mehr durchgeleitet werden konnte. Durch Nord Stream 1 war zuvor russisches Erdgas nach Deutschland geflossen. Nord Stream 2 war noch nicht in Betrieb. 

Nach Überzeugung der deutschen Ermittler soll K. ein Team von insgesamt sieben Verdächtigen geleitet haben, darunter vier Taucher. Für die Anschläge sollen sie in Deutschland eine Segeljacht namens „Andromeda“ angemietet haben, mit der sie dann hinaus auf die Ostsee gefahren sein sollen. Ein weiterer Verdächtiger, ebenfalls ein Ukrainer, saß ebenfalls zeitweise in Polen in U-Haft. Dort lehnte die Justiz eine Auslieferung an Deutschland ab. Inzwischen ist der Mann wieder frei.

Mit Informationen von Tilmann Kleinjung, ARD-Studio Rom