Ein Shooter mit Hochglanzoptik, Cyberpunk-Setting und dann entsteht dieser ausgerechnet in Deutschland? Bei Neo Berlin 2087 schrillen die Alarmglocken: Unter den bisher veröffentlichten Trailern zeigen sich Interessierte skeptisch, glauben kaum daran, dass daraus etwas wird – oder das Spiel wirklich existiert.

Als ich Studiochef Ivan Mirkovikj bei unserem Anspieltermin mitten in den Berliner Büros von Elysium Games darauf anspreche, lächelt er kurz, ehe er mir beweist: Neo Berlin 2087 ist kein Fake-Spiel oder nur ein zusammengewürfelter Haufen wilder Ideen. Der Shooter ist echt, sieht dank Unreal Engine 5 ganz schick aus, aber die größte Überraschung entpuppt sich beim Anspielen.

Neo Berlin 2087: Die Hauptstadt bleibt eine Baustelle

Dabei fällt mein Blick zuerst gar nicht auf das Spiel selbst, sondern auf das beschauliche Regal im Büro von CEO und Game Director Ivan Mirkovikj steht. Dort zu sehen? Reihenweise Filme und Spiele. Drei Titel stechen heraus: Blade Runner, Ghost in the Shell und The Last of Us. Die ersten beiden sind selbsterklärend, lässt uns Neo Berlin 2087 doch in ein weitgehend klassisches Cyberpunk-Szenario eintauchen.

Aber wie passt das postapokalyptische Erlebnis von Naughty Dog da hinein? Nun, die Erklärung ist simpel, aber dazu später mehr. Erst einmal zurück zur Hauptstadt, die in gut 60 Jahren offenbar zur High-Tech-Metropole verwandelt ist. Die Reichen feiern in dystopischen Riesenbauten Schicki Micki-Partys, während die Normalbevölkerung in extremer Armut lebt. So weit, so Cyberpunk.

Screenshot aus Neo Berlin 2087. Blick auf das futuristische Berlin. Im Vordergrund ist ein Polizist zu sehen. Dass Berlin in etwas mehr als 60 Jahren so aussieht? Das darf bezweifelt werden. Aber als Dystopie macht das Sci-Fi-Berlin schon was her. Credit: Elysium Game Studio

Der erste Blick auf Neo Berlin zeigt: Die Stadt haben Mirkovikj und sein Team trotz kreativer Freiheit gut getroffen. Im Intro sehen wir kurz das Brandenburger Tor, später in der ersten Mission zumindest aus der Ferne den berühmten Fernsehturm. Welche Örtlichkeiten es noch ins fertige Spiel schaffen? Bleibt ein Geheimnis, aber das Berghain? Das Kitty? Eventuell der Görlitzer Park? Alles ist möglich.

Doch nicht nur die Sehenswürdigkeiten verraten einem, dass es sich hier trotz fliegender Autos, Wolkenkratzern und grell leuchtenden Werbeplakaten tatsächlich um Berlin handelt. Nein, der oder die geübte Hauptstadtbewohner*in erkennt es auch daran, dass es auch 2087 noch überall Baustellen gibt. Manche Dinge ändern sich wohl nie …

Ambitioniert? Ja – aber nicht übertrieben

Obwohl ich übrigens den Fernsehturm von der Plattform aus der Weite erblicke, kann ich nicht einfach zu ihm reisen. Neo Berlin 2087 ist nämlich kein Open World-Spiel – der Vergleich zu Cyberpunk 2077 erledigt sich also direkt von selbst. Zwar verfolgt Elysium Games einige ambitionierte Ideen, aber größenwahnsinnig ist hier keiner.

Statt riesiger Sandbox gibt es einzelne Level, die zwar ebenso unterschiedliche Spielstile ermöglichen, aber insgesamt dennoch relativ linear bleiben. Ein Hauch von Deus Ex weht in diesem Moment durch das Büro – vielleicht liegt es aber auch an der Stimme von Protagonist Nolan, die ich als bekennender Fan der Reihe sofort wieder erkenne.

Screenshot aus Neo Berlin 2087. Der Protagonist Nolan ist von vorne zu sehen. Er trägt einen Ledermantel, hat schwarze Haare und Bart. Ja, einen Preis für kreatives Charakterdesign gewinnt Nolan wahrscheinlich nicht unbedingt. Aber er passt in das Setting. Credit: Elysium Game Studio

„Moment Mal, das ist doch … Adam Jensen?!“ kommt es mir in den Kopf, Protagonist von Human Revolution und Mankind Divided und gesprochen von Elias Toufexis. Für Neo Berlin 2087, so verrät es mir ein sichtlich zufriedener Mirkovikj, ist dieser sofort Feuer und Flamme gewesen. Nun spricht Toufexis einen Deckard-Verschnitt: Nolan ist genau das, was Menschen im Kopf haben, wenn sie an düstere Noir-Geschichten denken. Er trägt Ledermantel, hat sich miese Laune ins Gesicht schreiben lassen und ist Einzelgänger. Natürlich.

Tatort-Reiniger 2087

Aber zurück zum Wesentlichen: Mit Nolan komme ich an einem Tatort an. Viele Tote, noch mehr Blut. Doch etwas stimmt nicht. Der Übeltäter hat das Wachpersonal niedergestreckt und im Anschluss sich selbst. Zeit, um herausfinden, was wir hier wirklich passiert ist.

Ich erkunde das abgesperrte Gebiet, rede mit den Wachdrohnen vor Ort, untersuche die Leichen. Eine schwer zu knackende Aufgabe ist das alles nicht: Per Scanner werden mir die wichtigsten Hinweise angezeigt, ein paar Gegenstände kann ich mir im Detail auch näher ansehen. Kombinieren muss ich aber nichts, das macht Nolan schon von selbst.

Screenshot aus Neo Berlin 2087. Der Charakter läuft an einer kleinen Armen-Siedlung vorbei. Oben feiern die Reichen, unten leben die Armen: Das Ungleichgewicht gibt es auch im futuristischen Berlin zu erblicken. Credit: Elysium Game Studio

Ihm kommen Zweifel am vermeintlichen Tathergang, also verbindet er sich mit den letzten Erinnerungen des Täters. Was in anderen Spielen nur eine Zwischensequenz oder maximal ein vor- und zurück spielbares Video ist, ist in Neo Berlin 2087 vollständig spielbar. Auf einmal schleiche ich mich durch eine Anlage, schalte Wachen aus und lege Bomben. All das spielt sich wie eine Mischung aus Deus Ex, Dishonored und … Max Payne.

Wie sich Neo Berlin 2087 beim Spielen anfühlt, erfahrt ihr auf Seite 2.